Mit seinem Urteil vom 15. Dezember 2022 hat das BAG entschieden, dass die (schriftliche) Zustimmung des Arbeitnehmers in die Verarbeitung seiner personenbezogenen und Gesundheitsdaten im Rahmen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) nicht zur Voraussetzung für dessen Durchführung gemacht werden darf. Der Arbeitgeber ist bei einer fehlenden datenschutzrechtlichen Einwilligung nicht von seiner Pflicht entbunden, auch ohne die Einwilligung in das BEM-Verfahren einzusteigen. Das stellt neue Anforderungen an Arbeitgeber.
Gemäß § 167 Abs. 2 SGB IX ist mit Arbeitnehmern, die innerhalb eines Jahres mehr als sechs Wochen arbeitsunfähig sind, ein BEM durchzuführen. Dieses Verfahren dient dem Zweck, mit Zustimmung und Beteiligung des betroffenen Arbeitnehmers Möglichkeiten zu finden, mit denen die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden und einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden kann – mit dem Ziel einer Weiterbeschäftigung. Ein unterlassenes BEM hat dabei zwar nicht zur Folge, dass eine (krankheitsbedingte) Kündigung bereits aus diesem Grund unwirksam ist. Allerdings besteht in einem solchen Fall für den Arbeitgeber ein hohes prozessuales Risiko, da ihn im (Kündigungsschutz-)Prozess die Darlegungslast bezüglich der objektiven Nutzlosigkeit eines BEM trifft.
Da Arbeitnehmer auf die Einladung zur Durchführung eines BEM unterschiedlich – bezüglich einzelner Inhalte mitunter auch ablehnend – reagieren, stellt sich für Arbeitgeber regelmäßig die Frage, ab welchem Zeitpunkt das BEM als verweigert betrachtet werden darf, so dass ihm dies in einem etwaigen Prozess später nicht negativ zur Last fällt.
Das BAG zur Verknüpfung der datenschutzrechtlichen Einwilligung mit der Verfahrensdurchführung
Das BAG (Urteil vom 15. Dezember 2022 – 2 AZR 162/22) hatte in diesem Zusammenhang darüber zu entscheiden, ob ein Arbeitgeber die Durchführung des BEM von der datenschutzrechtlichen Einwilligung, welche regelmäßig wegen der Verarbeitung personenbezogener Daten (z.B. sensible Gesundheitsdaten) im Rahmen des BEM-Prozesses erforderlich ist, abhängig machen darf. Im Fall hatte die Arbeitgeberin die Durchführung des BEM an die Unterzeichnung der vorformulierten Datenschutzerklärung geknüpft und die Arbeitnehmerin darauf hingewiesen, dass die Durchführung des BEM ohne eine Unterzeichnung der datenschutzrechtlichen Einwilligung nicht möglich sei. In der Folgezeit kündigte die Arbeitgeberin ohne Durchführung eines BEM das Arbeitsverhältnis. Im Prozess vertrat sie die Auffassung, dass die fehlende Bereitschaft der Arbeitnehmerin, die datenschutzrechtliche Einwilligung zu unterzeichnen, einer fehlenden Zustimmung zur Durchführung eines BEM gleichstehe.
Dieser Rechtsauffassung ist das BAG nicht gefolgt. § 167 Abs. 2 SGB IX sehe eine schriftliche Zustimmung des Arbeitnehmers in die Verarbeitung seiner personenbezogenen und Gesundheitsdaten im Rahmen des BEM nicht als tatbestandliche Voraussetzung vor. Der betroffene Arbeitnehmer (oder sein gesetzlicher Vertreter) sei lediglich zuvor auf die Ziele des BEM sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen. Die Arbeitgeberin sei vorliegend gehalten gewesen, auch ohne datenschutzrechtliche Einwilligung zunächst mit dem beabsichtigten BEM zu beginnen; im Rahmen des Erstgespräch hätte sie versuchen müssen, Vorbehalte auszuräumen und – auch bei fortdauernder Verweigerung der Einwilligung oder nur eingeschränkter Gewährung derselben – mit dann noch verbleibenden Möglichkeiten Wege zu finden, um Arbeitsunfähigkeitszeiten zu reduzieren. Nur wenn die Arbeitnehmerin nicht bereit gewesen wäre, an dem weiteren Klärungsprozess beispielsweise durch die Vorlage der dafür möglicherweise – je nach Lage des Einzelfalls – erforderlichen Diagnosen und Arztberichte konstruktiv mitzuwirken, sei die Arbeitgeberin zur Verfahrensbeendigung berechtigt gewesen, ohne dass sie bei einer nachfolgenden Kündigung verfahrensrechtliche Nachteile zu gewärtigen gehabt hätte.
Fazit und Praxishinweis
Die Entscheidung des BAG ist zwar dogmatisch sauber hergeleitet und formell nachvollziehbar. Allerdings stellt sie an die Praxis neue, im Einzelfall höchst unpraktikable Anforderungen.
Arbeitgeber müssen in erster Linie insbesondere darauf achten, dass sie die Einladung zur Durchführung des BEM nicht an die Einwilligung des Arbeitnehmers in die Verarbeitung seiner personenbezogenen und Gesundheitsdaten knüpfen. Daher sollten sie ihre Muster für BEM-Einladungsschreiben kritisch auf die Verknüpfung von datenschutzrechtlicher Einwilligung und Verfahrensdurchführung untersuchen und ggfs. anpassen. Damit geht einher, dass auch Verfahrensleitfäden mit Blick auf die jeweilige datenschutzrechtliche Situation aktualisiert werden sollten.