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Tipps zur Einrichtung eines Hinweisgebersystems im internationalen Konzern

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Der Gesetzesentwurf zum Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG-E) wurde Anfang des Jahres vom Bundesrat gestoppt. Am 9. Mai 2023 wird sich nun der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat mit dem Gesetz befassen. Andere EU-Mitgliedstaaten, z.B. Österreich oder Frankreich,  haben die EU-Whistleblowing-Richtlinie bereits in nationales Recht umgesetzt. Gerade in international aufgestellten Unternehmen stellt sich daher die Frage, ob auch die Einrichtung einer zentralen Meldestelle auf Konzernebene, beispielsweise bei einer im EU-Ausland ansässigen Konzernmutter möglich ist und wenn ja, was hierbei zu beachten ist.

Ist ein zentrales Hinweisgebersystem auf Konzernebene überhaupt möglich?

Der aktuelle Gesetzesentwurf zum HinSchG sieht eine gesetzliche Verpflichtung zur Errichtung einer „internen Meldestelle“ für Arbeitgeber mit in der Regel mehr als 250 Beschäftigten und ab dem 17. Dezember 2023 – sofern das Gesetz überhaupt bis dahin in Kraft getreten ist – auch für Arbeitgeber mit mehr als 50 Beschäftigten vor.

Nach der derzeitigen Fassung von § 14 HinSchG-E, darf der Arbeitgeber auch einen „Dritten“ mit dem Betrieb der internen Meldestelle betrauen. Ausweislich der Gesetzesbegründung kann Dritter – nach dem konzernrechtlichen Trennungsprinzip – auch eine andere Konzerngesellschaft (z.B. Mutter-, Schwester- oder Tochtergesellschaft) sein. Wichtig ist jedoch, dass die originäre Verantwortung dafür, einen festgestellten Verstoß zu beheben und weiterzuverfolgen, immer bei dem jeweiligen beauftragenden (Tochter-)Unternehmen verbleibt. Das heißt, das Auftragsverhältnis im Konzern muss juristisch sauber aufgestellt sein. Denn nur dann kann die Konzerngesellschaft auch im rechtlichen Sinne als unabhängige und vertrauliche Stelle agieren.

Zudem ist sicherzustellen, dass durch die Beauftragung einer zentralen Meldestelle bei einer Konzerngesellschaft keine zusätzlichen Hürden für hinweisgebende Personen aufgebaut werden. Das konzernweite Meldesystem muss also genauso leicht zugänglich sein wie ein unternehmensinternes System.

Hinweis: Trotz des derzeit eindeutigen Wortlauts des Gesetzesentwurfs und der Gesetzesbegründung verbleibt bei der Einrichtung einer zentralen Meldestelle für alle Konzerngesellschaften eine gewisse Rechtsunsicherheit. Denn die Europäische Kommission hat zur Frage der Einrichtung eines zentralen Meldesystems auf Konzernebene bereits im Juni 2021 zwei (aus rechtlicher Sicht zunächst unverbindliche) Stellungnahmen abgegeben. Nach Auffassung der Europäischen Kommission ist die EU-Whistleblowing-Richtlinie demnach dahingehend auszulegen, dass jedes Unternehmen verpflichtet ist, eine eigene Meldestelle zu unterhalten. Lediglich zusätzlich zum unternehmenseigenen Hinweisgebersystem soll es zulässig sein, ein (weiteres) zentrales Meldesystem im Konzern einzurichten.

In der Praxis stößt diese enge Auslegung der EU-Whistleblowing-Richtlinie auf Kritik und Unverständnis. Auch wir halten die Ansicht der EU-Kommission für wenig praktikabel. Denn nicht nur der deutsche Gesetzesentwurf, sondern auch die EU-Whistleblowing-Richtlinie sieht die Möglichkeit der Auslagerung der internen Meldestelle auf Dritte, z.B. externe Dienstleister wie Rechtsanwaltskanzleien, vor. Das zwar ein externen Dienstleister, aber kein konzernangehöriges Unternehmen Meldestelle sein kann, überzeugt nicht.

Was ist bei der Errichtung einer zentralen Meldestelle in einem internationalen Konzern zu beachten?

Wird die zentrale Meldestelle bei einer ausländischen Konzerngesellschaft angesiedelt sind zusätzlich die Umsetzungsunterschiede der EU-Whistleblowing-Richtlinie in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten zu beachten.

Zudem müssen Meldungen stets auch in der im jeweiligen beauftragenden (Tochter-)Unternehmen vorherrschenden Arbeitssprache möglich sein. Hier empfiehlt sich eine technische Umsetzung über eine Landingpage, d. h. einer Zielseite auf der Hinweisgeber*innen zunächst auswählen können aus welchem Land und in welcher Sprache sie eine Meldung abgeben möchten. Auch hierfür bietet unser Partner EQS individuelle technische Lösungen an.

Sofern vorhanden, ist in internationalen Konzernen – neben einer etwaigen Beteiligung der nationalen Arbeitnehmervertretung – schließlich auch an eine Beteiligung des Europäischen Betriebsrats zu denken. Der Europäische Betriebsrat ist für Angelegenheiten zuständig, die mindestens zwei Betriebe oder Unternehmen in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten betreffen. Echte Mitbestimmungsrechte wie etwa ein Betriebsrat in deutschen Unternehmen hat der Europäische Betriebsrat nicht; dennoch stehen ihm bei grenzüberschreitenden Sachverhalten bestimmte Unterrichtungs- und Anhörungsrechte zu. Je nachdem wie diese Mitwirkungsrechte in der Beteiligungsvereinbarung ausgestaltet wurden, kann hierunter auch die Einführung und Nutzung eines konzernweiten Meldesystems fallen.

 

Mit unserem Kooperationspartner EQS unterstützen wir Sie gerne bei der technischen Umsetzung eines zentralen Meldesystems auf Konzernebene. Mit Blick auf die  Umsetzungsunterschiede der EU-Whistleblowing-Richtlinie in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten unterstützen wir Sie gerne zusammen mit den Partnerkanzleien aus unserem internationalen Netzwerk ius laboris.

Lena Fersch

Rechtsanwältin

Senior Associate
Lena Fersch berät und vertritt nationale und internationale Unternehmen in sämtlichen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Neben Restrukturierungsprojekten berät sie ihre Mandanten zudem in Kündigungsrechtsstreitigkeiten, im Bereich des Betriebsverfassungsrechts sowie in der Vertragsgestaltung. Sie ist Mitglied der Fokusgruppe "Whistleblowing und Compliance".
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