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COVID-19 Pandemie: Freiwilliges Engagement von Mitarbeitern richtig gestalten

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Regierungen und Gesundheitsdienste fordern aktuell Freiwillige auf, ihre medizinischen Kenntnisse zur Verfügung zu stellen und das Gesundheitssystem vor dem bevorstehenden Kollaps zu bewahren. Die Qualifizierten stehen jedoch häufig in anderen Beschäftigungsverhältnisses und können sich kaum zweiteilen. Es stellt sich die Frage: Wie kann der aktuelle Arbeitgeber den Freiwilligendienst unterstützen, ohne selbst auf die Nase zu fallen?

Die arbeitende Bevölkerung ist derzeit in zwei Lager gespalten: Nicht-systemrelevant und systemrelevant. Letztere Gruppe, insbesondere die im Gesundheitsdienst, steht kurz vor dem Kollaps und braucht die Hilfe solcher Personen, die medizinisch qualifiziert sind, aber derzeit einen anderen Job ausüben. Gefragt sind vor allem Pflegefachkräfte, Pflegehilfskräfte sowie Medizinisch-technische Assistenten und Medizinische Fachangestellte (MFA), die aktuell nicht in diesem Beruf arbeiten und keiner Risikogruppe angehören – so heißt es in einer Pressemitteilung des Bayrischen Staatsministeriums.

Freistellung mit Tücken – was muss beachtet werden?

Die Resonanz der Freiwilligen ist erfreulicherweise positiv. Viele Qualifizierten haben ihrem Arbeitgeber bereits den Wunsch mitgeteilt, freiwillig zu helfen. Arbeitgeber beeilen sich, das Anliegen zu unterstützen und basteln an geeigneten Konzepten. Lobenswert, aber rechtlich tückisch. Aus arbeitsrechtlicher Sicht gibt es insbesondere folgendes zu beachten:

  • Der Mitarbeiter sollte für den Freiwilligendienst vollständig von seiner Verpflichtung zur Arbeit freigestellt werden. Eine „echte“ Nebentätigkeit vor oder nach der Arbeit wird schon zeitlich kaum zu schaffen sein. Zum anderen erfordern die gesundheitlichen Gefahren aufgrund der COVID-19-Nähe der Hilfstätigkeiten wohl einen Ganz-oder-gar-nicht-Einsatz des Freiwilligen.
  • Die Freistellung wird in der Regel als bezahlte Freistellung erfolgen, wenn sich der Arbeitgeber nicht ausdrücklich gegen die Hilfesuchenden stellen will. Anrechenbar wären etwaige öffentliche Entschädigungsleistungen.
  • Der Sozialversichertenstatus wird im Falle einer bezahlten Freistellung jedenfalls einen Monat lang fortbestehen. Ob auch bei einem länger andauernden Einsatz eine Weiterversicherung besteht, ist mit dem Sozialversicherungsträger zu klären. Eine entsprechende Klarstellung fehlt bislang in den COVID-19-Gesetzesergänzungen.
  • Der Unfallversicherungsschutz über die Berufsgenossenschaft gilt nicht für Tätigkeiten, die außerhalb des Beschäftigtenkontexts erfolgen. Unfälle des Freiwilligen können dennoch über die gesetzliche Unfallversicherung abgesichert sein, da diese u.a. auch für Ehrenamtliche im Gesundheitswesen greift.
  • Es ist dringend darauf zu achten, dass der Mitarbeiter die freiwillige Arbeit auch tatsächlich freiwillig erbringt. Ein „nudging“ des Arbeitgebers, etwa über einen unternehmensweiten Aufruf zur Hilfeleistung ist schon aus Haftungsgesichtspunkten zu vermeiden.
  • Der Mitarbeiter ist darauf hinzuweisen, dass der Arbeitgeber keine Haftung für etwaige Schäden übernimmt, die aus dem Freiwilligendienst resultieren. Um diesen Freispruch wirksam zu gestalten, kommt es insbesondere auf die Freiwilligkeit des Hilfseinsatzes an, s.o.
  • Der Mitarbeiter ist über bestehende Risiken, insbesondere die gesundheitlichen Risiken seines Einsatzes umfangreich aufzuklären.
  • Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis sind weiter beachtlich, auch während der Freistellung und den freiwilligen Tätigkeiten. Besondere Treuepflichten, Vertraulichkeitsvereinbarungen usw. sollten noch einmal hervorgehoben werden.
  • Die Fürsorgepflicht gegenüber der restlichen Belegschaft kann es erforderlich machen, nach Ende der Hilfstätigkeiten und vor Rückkehr an den Arbeitsplatz eine „freiwillige“ Quarantäne von 14 Tagen anzuordnen.  

Schon zu Beweiszwecken empfiehlt es sich, den Anlass der bezahlten Freistellung sowie sämtliche oben angesprochenen Aspekte in einer befristeten Ergänzungsvereinbarung zu regeln.

Alternative: Arbeitnehmerüberlassung

Anstelle einer Freistellung kann der Arbeitgeber prüfen, ob eine echte Arbeitnehmerüberlassung für den Zeitraum der freiwilligen Hilfsleistungen in Frage kommt. Die strengen Regeln des AÜG sind in dieser Konstellation – bislang – nicht außer Kraft gesetzt, sodass diese Lösung für AÜ-unerfahrene Arbeitgeber wohl weniger in Betracht kommt. Aber auch erfahrene Arbeitgeber werden nicht an zusätzlichen Vereinbarungen vorbeikommen, da die qualifizierten Freiwilligen sich möglicherweise zum ersten Mal für einen Verleih zur Verfügung stehen und im Übrigen weitergehende Fragen, insbesondere Haftungsfragen zu regeln sein werden. Sofern der Einsatz über einen öffentlichen Träger – so zum Beispiel das Bayrische Staatsministerium – erfolgt, können jedenfalls Haftungsfragen leichter geklärt werden.

Fazit

Insgesamt sind sowohl die an freiwillige Helfer gerichteten Aufforderungen der Regierung und Gesundheitsorganisationen als auch die Reaktionen der Helfer und ihrer Arbeitgeber vorbildlich. Wünschenswert ist – neben der sauberen arbeitsvertraglichen Abbildung mit den hier geschilderten Punkten – noch eine Klarstellung der Sozialversicherungsträger, wie die auf dieser Grundlage erfolgenden Einsätze behandelt werden.

Katja Giese, LL.M.

Rechtsanwältin
Fach­an­wäl­tin für Arbeitsrecht / Attorney-at-Law (NY)
Partner
Katja Giese berät Arbeitgeber vor allem in Zusam­men­hang mit inter­na­tio­na­len Unter­neh­mens­trans­ak­tio­nen, der anschlie­ßenden Integration und Umstruk­tu­rie­run­gen. Sie verfügt außerdem über umfassende Erfahrungen im inter­na­tio­na­len Projektmanagement. Katja Giese ist zugelassen als Attorney-at-Law (NY) in den Vereinigten Staaten, wo sie Teile ihrer bisherigen beruflichen Laufbahn verbrachte. Besondere Branchenkenntnis besitzt sie im Technologiesektor.
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