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Kündigung, personenbedingt Schwerbehinderung

Das Verwaltungsverfahren – kein „Showstopper“ im Kündigungsschutzsstreit

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Verwaltungsverfahren

Die Kündigung von Arbeitnehmern, die schwerbehindert oder schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind, bedarf besonderer vorbereitender Maßnahmen. Nicht nur die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ist Wirksamkeitsvoraussetzung (wir berichteten in unserem Beitrag vom 18. Januar 2017 über die Neuerung) sondern auch die Zustimmung des Integrationsamtes muss zwingend vorliegen. Selbst bei erteilter Zustimmung können sich jedoch Unsicherheiten ergeben, die sich noch Jahre nach einer rechtskräftigen Entscheidung im Kündigungsschutzverfahren realisieren können.

Dies folgt daraus, dass der Arbeitnehmer neben seiner Klage gegen die Kündigung separat gegen die Zustimmung des Integrationsamtes vorgehen kann. Über den – je nach Bundesland noch einschlägigen – Widerspruch bei der Behörde bis zur Klage vor dem Verwaltungsgericht kann sich das Verwaltungsverfahren über lange Zeit hinziehen. Wehrt sich der Arbeitnehmer nun über alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, stellen sich einige Fragen: Welches Verfahren wird zuerst entschieden? Wie wirkt sich die Entscheidung des einen Verfahrens auf den Prozess des anderen Verfahrens aus? Darf ein Gericht sein Verfahren unter Verweis auf das andere offene Verfahren aussetzen?

Mit der letzten Frage setzte sich jüngst das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern auseinander (Beschluss vom 17. März 2017, 5 Ta 8/17) und entschied, dass eine Aussetzung durch das Arbeitsgericht in aller Regel jedenfalls ermessensfehlerhaft sei.

Die Entscheidung des LAG Mecklenburg-Vorpommern

Das LAG Mecklenburg-Vorpommern ist der Auffassung, dass eine Aussetzung des Kündigungsschutzverfahrens bis zur Entscheidung über einen Widerspruch gegen die Zustimmung des Integrationsamtes ermessensfehlerhaft sei.

Der Ausgangsfall war schulmäßig: Der Kläger hatte Widerspruch gegen die Zustimmung des Integrationsamtes eingelegt und zugleich Klage gegen die Kündigung erhoben. Nachdem der Gütetermin im Kündigungsschutzverfahren gescheitert war, setzte das Arbeitsgericht den Rechtsstreit bis zur Rechtskraft des Widerspruchsbescheides durch das Integrationsamt aus. Als Begründung führte es an, dass es für die Wirksamkeit der Kündigung maßgeblich auf die Wirksamkeit der Zustimmung des Integrationsamtes ankomme.

Dagegen reichte der Kläger erfolgreich Beschwerde ein. Die Entscheidung des LAG, kurz zusammengefasst:

  • Auch wenn grundsätzlich eine Vorgreiflichkeit der Frage der wirksamen Zustimmung durch das Integrationsamt vorliegt, und damit eine Aussetzung nach § 148 ZPO denkbar war, war eine Aussetzungsentscheidung hier ermessensfehlerhaft: In Bestandsstreitigkeiten wie dem Kündigungsschutzverfahren besteht eine besondere Prozessförderungspflich.
  • § 88 Abs. 4 SGB IX regelt ausdrücklich, dass Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung gerade keine aufschiebende Wirkung entfalteten. Die erteilte Zustimmung gilt mithin solange als wirksam, wie sie nicht rechtskräftig aufgehoben wird.
  • Zuletzt besteht keine Gefahr, dass sich bei dem parallelen Betreiben beider Verfahren am Ende widersprechende rechtskräftige Entscheidungen gegenüber stehen. Der Arbeitnehmer hat für diesen Fall die Möglichkeit der Wiederaufnahme des Kündigungsschutzverfahrens gemäß § 580 Nr. 6 ZPO analog (sog. Restitutionsklage).

Sowohl das Ergebnis als auch die Begründung liegen auf der Linie der jüngsten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG – siehe zu den Voraussetzungen einer Aussetzung etwa nur Beschluss vom 16. April 2014 – 10 AZB 6/14) und widerlegt die Auffassung der Stimmen in der Literatur, die eine Aussetzung und ggf. jahrelange Unterbrechung tatsächlich für gerechtfertigt halten.

Bewertung

Das LAG hat die einzig richtige Entscheidung getroffen. Die Aussetzung eines Kündigungsschutzverfahrens bis zur rechtskräftigen Verwaltungsentscheidung würde eine Verzögerung von mehreren Jahren bedeuten, nicht zuletzt, weil die Verfahren vor den Verwaltungsgerichten in aller Regel wesentlich länger dauern als vor den Arbeitsgerichten. Der Bundesdurchschnitt für ein erstinstanzliches Hauptsacheverfahren liegt bei 15,1 Monaten – die Dauer des vorherigen Widerspruchverfahrens vor dem Integrationsamt noch nicht berücksichtigt.

Während dieser Zeit würde sich das Annahmeverzugslohnrisiko für den Arbeitgeber schlicht unzumutbar aufstauen. Der Arbeitnehmer wiederum wäre gezwungen sich eine Zwischenbeschäftigung zu suchen, da auch für ihn dieser Zeitraum ohne Lohn schwer zu überbrücken sein dürfte.

Ende aller verfahrensmäßigen Risiken?

Damit ist der Arbeitgeber in einem solchen Fall zunächst „aus dem Schneider“ – zumindest fast. Theoretisch kann auch noch für einen begrenzten Zeitraum von bis zu fünf Jahren nach einer rechtskräftigen Entscheidung über die Wirksamkeit der Kündigung das Verwaltungsgerichts urteilen, dass die Zustimmung des Integrationsamtes aufgehoben wird. Der Arbeitnehmer kann dann mit der Restitutionsklage die Kündigung angreifen. Die entsprechenden Fälle dürften aber an einer Hand abzuzählen sein; zudem ist das Annahmeverzugslohnrisiko für den Arbeitgeber regelmäßig auf die Verjährungsfrist von drei Jahren beschränkt (BAG, Urteil vom 24. September 2014 – 5 AZR 593/12).

Rechtsmittel gegen die verfehlte Aussetzung des Verfahrens

Was aber bleibt, wenn das Arbeitsgericht – rechtsfehlerhaft – dennoch eine Vorgreiflichkeit annimmt? Das Prozessrecht bietet Abhilfe: die sofortige Beschwerde gegen die Anordnung der Aussetzung des Verfahrens durch das Arbeitsgericht. Hierbei ist großes Augenmerk auf die Einhaltung der Notfrist zu legen – diese beträgt zwei Wochen. In der Praxis empfiehlt sich, einen derartigen Antrag an das Gericht erster Instanz zu richten; dieses kann unmittelbar eine Abhilfeentscheidung treffen. Dies ist in der Regel schneller möglich als eine zeitaufwendige Abgabe der Verfahrensakten an das LAG.

KLIEMT.Arbeitsrecht




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