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Zum Geschäftsführer „befördert“ und dennoch Arbeitnehmer – typische Formfehler

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Ein in der Praxis nicht selten anzutreffender Fall: Ein Geschäftsführer beruft sich nach erfolgter Kündigung auf ein „ruhendes Arbeitsverhältnis“ und beansprucht arbeitsrechtlichen Kündigungsschutz. Dieser Beitrag zeigt, wie sich die Bestellung eines Arbeitnehmers zum Geschäftsführer auf ein bestehendes Arbeitsverhältnis auswirkt und welche Formvorschriften gelten.

Die Aufhebung des bestehenden Arbeitsverhältnisses eines zum Geschäftsführer einer GmbH beförderten Arbeitnehmers beschäftigt Literatur und Arbeitsgerichte immer wieder – nur leider immer noch ohne klares Ergebnis. Unklar bleibt nach wie vor vor allem die Frage, welche Rolle das sonst so heilige Schriftformerfordernis nach § 623 BGB bei der Frage um die wirksame Aufhebung des Arbeitsverhältnisses spielt (siehe dazu schon unseren Blogbeitrag vom 19. November 2018 über mögliche Formfehler und deren Auswirkungen bei der „Beförderung“ eines Arbeitnehmers zum Geschäftsführer).

Rechtslage seit Einführung des Schriftformerfordernisses nach § 623 BGB

Mit Wirkung zum 1. Mai 2000 hat der Gesetzgeber mit § 623 BGB für Arbeitsverträge das Schriftformerfordernis nicht nur für Kündigungen, sondern auch für Aufhebungsverträge eingeführt. Das heißt, ein Arbeitsvertrag kann einvernehmlich nur dann beendet werden, wenn eine schriftliche Vereinbarung in der Form des § 126 BGB getroffen wird. Voraussetzung für einen wirksamen Aufhebungsvertrag ist in jedem Fall, dass ein schriftliches Dokument vorliegt.

BAG: Konkludente Aufhebung des bisherigen Arbeitsverhältnisses durch Geschäftsführervertrag?

Wird der Geschäftsführerdienstvertrag in einer § 126 BGB entsprechenden Form abgeschlossen, so sind die von den Parteien abgegebenen Erklärungen auslegbar. Es ist zu ermitteln, ob die Parteien bei Abschluss des Geschäftsführerdienstvertrags die Beendigung oder nur das Ruhen des bisherigen Arbeitsverhältnisses bezwecken wollten. Die Wahrung der gesetzlichen Schriftform und die Erfüllung der Voraussetzungen der Andeutungstheorie erfordern nicht, dass der Geschäftsführerdienstvertrag eine ausdrückliche Aufhebungsklausel enthält.

Nach Rechtsprechung des BAG (BAG vom 19. Juli 2007 – 6 AZR 774/06) liegt im schriftlichen Abschluss eines Geschäftsführervertrags durch einen Arbeitnehmer „im Zweifel“ die konkludente Aufhebung des Arbeitsverhältnisses. Die Vermutung gelte, soweit nicht klar und eindeutig etwas anderes vertraglich vereinbart worden ist. Durch den Abschluss des schriftlichen Geschäftsführervertrags werde auch das Schriftformerfordernis nach § 623 BGB gewahrt. Dem Arbeitnehmer müsse im Regelfall klar sein, dass er mit dem Abschluss eines Geschäftsführervertrages seinen Status als Arbeitnehmer aufgebe. Die vertraglichen Beziehungen würden auf eine neue Grundlage gestellt, die bisherige Grundlage verliere ihre Bedeutung. Ohne besondere, vom gekündigten Geschäftsführer darzulegende Umstände, sei bei verständiger Auslegung der rechtsgeschäftlichen Erklärungen kein Grund dafür ersichtlich, dass der alte Vertrag fortgelten soll.

Hat die richtige Person unterschrieben?

Das BAG stellte bislang pauschal fest: Der schriftliche Geschäftsführerdienstvertrag wahrt das Formerfordernis des § 623 BGB für die Aufhebung von Arbeitsverträgen. Nicht entschieden ist jedoch, wer den Vertrag auf Seiten der Gesellschaft unterschreiben muss. Zweifelhaft ist insbesondere, ob die Gesellschafter einer GmbH für den Abschluss des Aufhebungsvertrags mit einem zum Geschäftsführer beförderten Arbeitnehmer zuständig sein können. Das BAG hat sich hiermit bislang weder vertieft auseinandergesetzt, noch hat es sich hierzu abschließend eindeutig positioniert.

Grundsätzlich getrennte Zuständigkeiten für Dienstvertrag und Arbeitsvertrag

Für die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern einer GmbH sind deren Gesellschafter nach § 46 Nr. 5 GmbHG zuständig. Dies gilt entsprechend für den Abschluss und die Aufhebung des Dienstvertrages des Geschäftsführers. Die Rechtsprechung bejaht diese „Annexkompetenz“ wegen der besonderen Sachnähe zur Bestellungskompetenz und beruft sich auf eine analoge Anwendung des § 46 Nr. 5 GmbHG.

Hingegen ist für die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses die GmbH als Arbeitgeberin zuständig, wobei sie durch ihre Geschäftsführer als organschaftliche Vertreter nach § 35 Abs. 1 und 2 GmbHG vertreten wird.

Annexkompetenz auch für den Abschluss des Aufhebungsvertrags?

Zweifelhaft ist, ob die Gesellschafter kraft „Annexkompetenz“ und abweichend von § 35 Abs. 1 und 2 GmbHG auch für den Abschluss des Aufhebungsvertrags mit einem zum Geschäftsführer beförderten Arbeitnehmer zuständig sein können. Instanzgerichte halten eine Annexkompetenz der Gesellschafterversammlung in analoger Anwendung des § 46 Nr. 5 GmbHG für geboten. Als Begründung wird die Sachnähe und eine andernfalls bestehende Missbrauchsgefahr angeführt.

Diese Ansicht ist jedoch kritisch zu sehen und höchstrichterlich nicht entschieden. Die für eine Analogie erforderliche planwidrige Regelungslücke und die vergleichbare Interessenslage sind zu hinterfragen. Zum einen fehlt es bei der Aufhebung eines Arbeitsvertrags mit einem Arbeitnehmer an einem konnexen gesellschaftsrechtlichen Akt, wie es im Verhältnis Bestellung eines Organs und Begründung des korrespondierenden Dienstverhältnisses der Fall ist. Zum anderen betreffen die Begründung eines Dienstverhältnisses und die Aufhebung eines Arbeitsverhältnisses wesensverschiedene Vertragsverhältnisse, sodass eine funktionale Zusammengehörigkeit fehlt.

Zuständigkeit der Arbeitsgerichte bei Streitigkeiten über die Beendigung des bisherigen Arbeitsverhältnisses

In der Praxis zeigt sich die Problematik der Aufhebung des bisherigen Arbeitsverhältnisses im Rahmen der Bestellung zum Geschäftsführer häufig nach einer erfolgten Kündigung. Die Arbeitnehmer bzw. Geschäftsführer berufen sich dann häufig auf das bisherige ruhende Arbeitsverhältnis. Bei Streitigkeiten zwischen einem zum Geschäftsführer bestellten Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber über das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben. Nur für den zusätzlichen Vertrag, der regelmäßig ein Geschäftsführer–Dienstvertrag sein wird, nicht aber für das bisherige Arbeitsverhältnis, gilt die Fiktion des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG und die damit verbundene Rechtswegeröffnung zu den ordentlichen Gerichten. Sind in dem gelebten Geschäftsführer-Dienstvertrag tatsächlich auch Weisungen wie in einem Arbeitsverhältnis erfolgt, ist für beide Vertragsverhältnisse das Arbeitsgericht zuständig.

Was ist Arbeitgebern bei der Aufhebung des Arbeitsverhältnisses zu raten?

Arbeitgeber sind gut beraten, bei der Berufung von Arbeitnehmern zu Geschäftsführern den Regelungsgehalt des § 623 BGB im Auge zu behalten. Bei einer formunwirksamen Beendigung des Arbeitsvertrags besteht das vorherige Arbeitsverhältnis als „ruhendes Arbeitsverhältnis“ fort. Als dessen Folge könnten arbeitsvertragliche Rechten und Pflichten fortbestehen. Insbesondere würde aufgrund des noch bestehenden Arbeitsverhältnisses der Kündigungsschutz nach dem §§ 1 ff KSchG greifen, sodass eine Kündigung der sozialen Rechtfertigung bedarf. Wollen Arbeitgeber dieses Ergebnis vermeiden, sollten sie bei der Aufhebung des bestehenden Arbeitsverhältnisses folgendes beachten:

  • Arbeitgeber sollten entweder gesondert oder ausdrücklich im neuen Dienstvertrag die Aufhebung des Arbeitsvertrags vereinbaren.
  • Für die wirksame Aufhebung ist ein schriftliches Dokument erforderlich, welches von beiden Seiten unterschrieben wurde.
  • Insbesondere bei Drittanstellung oder der Übernahme von Geschäftsführerpositionen in verbundenen Unternehmen sollten Arbeitgeber besondere Vorsicht walten lassen. In diesen Fällen sollte mindestens ein dreiseitiger Vertrag mit dem Geschäftsführer, der alten Arbeitgeberin und der Gesellschaft, mit der das Geschäftsführeranstellungsverhältnis begründet werden soll, abgeschlossen werden.
  • Stets ist zu raten, dass zumindest zusätzlich die Geschäftsführer die Aufhebungsvereinbarung als organschaftliche Vertreter (mit-)unterschreiben.

Dieser Beitrag ist mit freundlicher Unterstützung von Julia Amann, Referendarin im Münchner Büro, entstanden.

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