Die angekündigte Reform des Arbeitszeitgesetzes lässt weiter auf sich warten. Doch schon nach aktueller Gesetzeslage drohen empfindliche Bußgelder, die auch gegen Unternehmensverantwortliche persönlich verhängt werden können. Wir geben einen Überblick zum aktuellen Stand und mit welchen Compliance-Maßnahmen Sie die Risiken in den Griff bekommen können.
Reformentwurf – Und still ruht der See
Zu dem im April 2023 bekannt gewordenen Vorhaben zur Reform des Arbeitszeitgesetzes gibt es nach wie vor nichts Neues. Dabei geht es vor allem um die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung.
Doch auch jenseits dieser Thematik kann schon die aktuelle Gesetzeslage für Ungemach sorgen. Dies insbesondere für Unternehmen, die bislang nicht vorgesorgt haben und kalt erwischt werden.
Haftungsfalle
Geschäftsführer, Vorstandsmitglieder und Manager in vergleichbarer Position haften in der Regel persönlich für die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes. Kommen bei einem Kontrollbesuch der Aufsichtsbehörde Verstöße ans Licht, kann das teuer und mitunter existenzgefährdend werden. Wohl dem, der in einer solchen Situation sauber dokumentierte Maßnahmen zur Arbeitszeit-Compliance vorweisen kann, um der Haftungsfalle zu entgehen.
Empfindliche Bußgelder
Arbeitszeitgesetz-Verstöße stellen regelmäßig Ordnungswidrigkeiten mit einen Bußgeldrahmen von bis zu 30.000 € pro Verstoß dar. Der Bußgeldbescheid kann sich gegen das Unternehmen oder gegen den Manager persönlich richten. Die konkrete Höhe liegt im Ermessen der nach Landesgesetz zuständigen Aufsichtsbehörde (Bezirksregierung, Gewerbeaufsicht etc.). Eine Orientierung bietet der vom Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik herausgegebene aktuelle Bußgeldkatalog.
Die Top 5 der wohl „beliebtesten“ Verstöße:
Verstoß | Bußgeld |
Überschreitung der Grenzen der täglichen Arbeitszeit („10-Stunden-Grenze“) | Bis zu 1 Stunde: 80 €
Je angefangene weitere halbe Stunde: 100 € |
Überschreitung der Grenzen der durchschnittlichen Arbeitszeit („8-Stunden-Grenze“) | Je angefangene Stunde: 600 € |
Nichtgewährung vorgeschriebener Pausen | Je nicht gewährter vorgeschriebener Pause: 400 € |
Unterschreitung der Mindestruhezeit (11 Stunden) | Je angefangene Stunde: 80 € |
Verstoß gegen Pflicht zur Aufzeichnung der Arbeitszeit | je Fall je Mitarbeiter: 1.600 € |
Was betragsmäßig im Einzelnen zunächst überschaubar wirkt, kann sich auch schon in kleineren Unternehmen schnell zu fünf- oder sechsstelligen Bußgeldern aufsummieren. Denn die Verjährung beträgt zwei Jahre, so dass die Aufsichtsbehörde die Arbeitszeitnachweise der letzten 24 Monate für alle Mitarbeiter überprüfen und sämtliche festgestellten Verstöße entsprechend ahnden kann.
Damit nicht genug: Beharrliche Wiederholung und vorsätzliche Verstöße mit Gesundheitsgefährdung eines Mitarbeiters sind strafbar und können mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe geahndet werden.
Ausweg Vertrauensarbeitszeit?
Wer meint, sich dieser Haftungsrisiken mit der Einführung von Vertrauensarbeitszeit entledigen zu können, unterliegt einem Trugschluss. Bei Vertrauensarbeitszeit können die Mitarbeiter je nach Arbeitsanfall eigenverantwortlich Lage und Dauer der Arbeitszeit festlegen. Was jedoch häufig übersehen wird: Das Arbeitszeitgesetz gilt auch bei Vertrauensarbeitszeit uneingeschränkt; der Arbeitgeber bleibt für dessen Einhaltung verantwortlich. Weil viele Unternehmen insoweit aber insbesondere die Aufzeichnungspflicht vernachlässigen und bei fehlender Teilnahme an der Zeiterfassung oftmals keine zuverlässigen Arbeitszeitnachweise vorliegen, schauen Aufsichtsbehörden bei Vertrauensarbeitszeit sogar noch strenger hin als sonst.
Maßnahmen zur Arbeitszeit-Compliance
Unternehmenslenker tragen die Verantwortung dafür, Organisationsstrukturen zu schaffen, welche die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes gewährleisten. Sie sind daher gut beraten, umfassend zu dokumentieren, welche Maßnahmen im Einzelnen ergriffen werden und wie deren Durchführung überwacht wird. Wer insoweit mit leeren Händen dasteht, kann von der Aufsichtsbehörde kein Nachsehen erwarten.
Dazu gehört insbesondere Folgendes:
- Ausarbeitung und Implementierung eines Delegationskonzepts, mit dem gezielt Führungskräfte (z.B. Bereichs- oder Abteilungsleiter) in die Verantwortung genommen werden
- Sicherstellung arbeitszeitgesetzkonformer Dokumentation von Arbeitszeiten (bei Vertrauensarbeitszeit: durch Delegation auf Mitarbeiter)
- Implementierung von Kontrollmechanismen: zumindest stichprobenartige Kontrollen und regelmäßige Reportings
- Standardisierte Prozesse und Eskalationsstufen bei festgestellten/drohenden Verstößen
- Berücksichtigung des Arbeitszeitgesetzes bei der Personaleinsatzplanung
- Bei Bedarf Anpassung betrieblicher Arbeitszeitregelungen
- Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen auch im Hinblick auf arbeitszeitspezifische Gefährdungen
- Regelmäßige Unterweisung und Schulung von Mitarbeitern zum Arbeitszeitgesetz
Wer hier seine Hausaufgaben macht und sauber dokumentiert, kann dem Kontrollbesuch der Aufsichtsbehörde gelassen entgegensehen. Darauf zu setzen, nicht kontrolliert zu werden, kommt hingegen einem Vabanquespiel gleich. Denn um ins Visier der Behörde zu geraten, reicht bereits das anonyme „Anschwärzen“ eines Hinweisgebers.
Bußgeldbewehrt sind im Übrigen auch die – in der Praxis oft stiefmütterlich behandelten – Regelungen des Jugendarbeitsschutzgesetzes sowie Arbeitszeitvorschriften für Schwangere und Stillende nach dem Mutterschutzgesetz.