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Individualarbeitsrecht Kündigung, allgemein Neueste Beiträge

Kündigung per Einwurfeinschreiben: Auf die „postübliche Einwurfzeit“ kommt es an

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Bei der Zustellung eines Kündigungsschreibens sind Fehler besonders ärgerlich – kommen jedoch häufig vor. Gerade bei längeren Kündigungsfristen, z.B. zum Quartalsende, kann eine fehlerhafte Zustellung zu (vermeidbaren) Mehrkosten für den Arbeitgeber führen. In einer aktuellen Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht den Zugangszeitpunkt bei Kündigungen durch Einwurfeinschreiben weiter präzisiert.

Zugang durch Einwurfeinschreiben

Der Zugang eines Kündigungsschreibens durch Einwurfeinschreiben tritt ein, wenn das Schreiben in den Machtbereich des Empfängers gelangt und unter gewöhnlichen Umständen mit ihrer Kenntnisnahme, wenn also üblicherweise mit der Leerung des Briefkastens zu rechnen ist. Bei einem Einwurfeinschreiben dokumentiert der Postzusteller die Zustellung des Schreibens mit genauer Angabe von Datum und Uhrzeit und bestätigt die Zustellung mit seiner Unterschrift. Den Inhalt des Schreibens dokumentiert der Postzusteller nicht, da ihm dieser nicht bekannt ist.

Der Zustellungszeitpunkt bestimmt sich allein danach, wann objektiv mit dem Zugang des Schreibens zu rechnen ist. Ob der Empfänger die zugestellte Kündigung tatsächlich zur Kenntnis genommen hat, ist unerheblich. Hat der Empfänger beispielsweise durch Urlaub, Krankheit oder andere Umstände (noch) keine Kenntnis vom Zugang und somit auch nicht vom Inhalt des Schreibens, steht dies dem Zugang grundsätzlich nicht entgegen. Denn es ist Sache des Empfängers, die erforderlichen Vorkehrungen für eine tatsächliche Kenntnisnahme zu treffen, z.B. durch einen Dritten, der den Briefkasten während der Abwesenheit regelmäßig leert.

Präzisierung der objektiven Kriterien durch das BAG

Wird ein Kündigungsschreiben in den Hausbriefkasten eingeworfen, geht die Rechtsprechung davon aus, dass in der Regel mit einer Leerung unmittelbar nach Abschluss der üblichen Postzustellzeiten zu rechnen ist. Diese können jedoch regional sehr unterschiedlich sein. In dem vom BAG (Urteil vom 20. Juni 2024 – 2 AZR 213/23) nun entschiedenen Fall, warf ein Mitarbeiter der Deutschen Post AG das Kündigungsschreiben am 30. September 2021 in den Briefkasten der Klägerin. Das war zwischen den Parteien unstreitig. Die Klägerin bestritt aber, dass das Kündigungsschreiben zu den üblichen Postzustellungszeiten in ihren Hausbriefkasten eingeworfen worden sei. Vielmehr sei an diesem Tag nicht mehr mit einer Zustellung in ihrem Briefkasten zu rechnen gewesen. Die Kündigung sei ihr daher erst am nächsten Tag, dem 1. Oktober 2021, zugegangen. Da die Parteien eine vierteljährliche Kündigungsfrist vereinbart hatten, endete das Arbeitsverhältnis aus Sicht der Klägerin – aufgrund des verspäteten Zugangs – erst zum 31.03.2022 und nicht bereits zum 31.12.2021.

Anscheinsbeweis bei Zustellung durch die Post

Das BAG stellte nun klar, dass der Einwurf des Kündigungsschreibens in den Hausbriefkasten durch einen Mitarbeiter der Deutschen Post AG den Beweis des ersten Anscheins dafür begründet, dass der Einwurf innerhalb der postüblichen Zustellzeiten und somit noch am 30.09.2021 erfolgt ist. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass die postüblichen Zustellzeiten im örtlichen Postbezirk stark variieren können. Entscheidend sei allein, dass sich die übliche Postzustellungszeit aus der Arbeitszeit der Postbediensteten ergibt und die Zustellung durch einen Postbediensteten noch am 30.09.2021 erfolgt ist.

Erschütterung des Anscheinsbeweis möglich

Der Klägerin wäre es allerdings möglich gewesen, den Anscheinsbeweis zu erschüttern, indem sie ungewöhnliche Umstände des Einzelfalls darlegt, die die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs nahelegen. Dazu hätte sie beispielsweise vortragen müssen, wann die Post üblicherweise zustellt und dass im konkreten Fall eine Zustellung innerhalb dieses Zeitraums nicht erfolgt ist. Dies war der Klägerin allerdings nicht möglich, so dass die wirksam Zustellung am 30. September 2021 und nicht erst am 1. Oktober 2021 erfolgt ist.

Zugang unter Anwesenden bietet die höchste Rechtssicherheit

Der rechtlich sicherste Weg, den Zugang einer Kündigung sicherzustellen, ist die persönliche Übergabe an den betroffenen Arbeitnehmer. Aus Gründen der besseren Beweisbarkeit empfiehlt es sich, bei der Übergabe einen Zeugen hinzuzuziehen und die Übergabe gegen Empfangsbekenntnis vorzunehmen, d.h. sich den Erhalt des Kündigungsschreibens vom betroffenen Arbeitnehmer unterschreiben zu lassen (weitere „Stolperfallen“ und Praxisempfehlungen hierzu lesen sie hier).

Handlungsempfehlungen und Praxistipps

Die Zustellung einer Kündigung per Einwurfeinschreiben ist nicht zu empfehlen. Daran ändert auch die – zu begrüßende – Entscheidung des BAG nichts. Denn der vom Postmitarbeiter ausgestellte Zustellungsbeleg beweist nur, dass ein Brief zugestellt wurde. Hinsichtlich des Inhalts des Schreibens entfaltet der Zustellungsbeleg gerade keine Beweiswirkung. Auch die Benennung des jeweiligen Postzustellers als Zeugen ist nicht zielführend, da dieser den Inhalt des Kündigungsscheibens nicht kennt.

Arbeitgeber sind gut beraten, stets auf eine lückenlose Dokumentation des gesamten Zustellprozesses zu achten. Sollte eine persönliche Übergabe des Kündigungsschreibens nicht möglich sein, empfiehlt es sich, das Kündigungsschreiben durch einen Boten zustellen zu lassen. Wichtig ist dabei, dass auch der Inhalt des Kündigungsschreibens von einem dazu berechtigten Mitarbeiter zur Kenntnis genommen wird. Aus datenschutzrechtlichen Gründen sollte das Kündigungsschreiben nicht vom Boten gelesen werden. Stattdessen sollte ein berechtigter Mitarbeiter das Kündigungsschreiben kuvertieren, den Umschlag mit einem Kürzel versehen und dies protokollieren. Der Bote kann dann später bestätigen, dass er einen Umschlag mit dem entsprechenden Kürzel eingeworfen hat. Im Prozess kann der Mitarbeiter dann als Zeuge über den Inhalt des Kündigungsschreibens aussagen. Der Empfänger wird dann mit der Behauptung entkräftet, ihm sei nur ein leeres Blatt Papier oder ein Schriftstück mit anderem Inhalt übergeben worden.

Bei der Zustellung in den Hausbriefkasten des Arbeitnehmers sollte der Bote ein Zustellprotokoll ausfüllen. Der Einwurf des Kündigungsschreibens sollte auch mit einem Foto dokumentiert werden. Zu guter Letzt ist auf die Uhrzeit zu achten. Wird das Kündigungsschreiben durch einen Boten zugestellt, greift die oben besprochene Rechtsprechung des BAG zur Zustellungsfiktion innerhalb der ortsüblichen Postzustellungszeiten nicht. Am sichersten ist es daher, das Kündigungsschreiben nicht am letzten Tag der Frist zuzustellen. Geschieht dies dennoch, so sollte die Zustellung auf jeden Fall so früh wie möglich gegen Morgen oder am frühen Vormittag erfolgen.

Leon Winkler

Rechtsanwalt

Associate
Leon Winkler berät und vertritt nationale und internationale Unternehmen in sämtlichen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Neben der Führung von Kündigungsrechtsstreitigkeiten berät er seine Mandanten im Bereich des Betriebsverfassungsrechts sowie in der Vertragsgestaltung.
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