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Auslandseinsatz von Mitarbeitern – wie gestalten und worauf achten?

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In vielen internationalen Unternehmen steht er immer wieder an: der Einsatz von Mitarbeitern im Ausland. Er dient häufig dem Austausch von Know-how und der Entwicklung von Führungskräften. Aus Sicht der Mitarbeiter tun sich hierbei Karrierechancen auf. Nicht selten kann man sich in einem ausländischen Konzernunternehmen beweisen, bevor man zu höheren Weihen zurück in die Zentrale kommt. Auch zeigt man die Bereitschaft, den eigenen Horizont zu erweitern. In der Praxis kommen schließlich auch Fälle vor, in denen Mitarbeiter aus privaten Gründen vorübergehend ins Ausland möchten und der Arbeitgeber sie im Unternehmen oder Konzern halten möchte. Aus Sicht von Arbeitgeber und Mitarbeiter stellt sich die Frage der richtigen Gestaltung – gerade, wenn eine Rückkehr fest eingeplant ist. 

Welche Modelle gibt es für einen Auslandseinsatz?

Arbeitsvertraglich unterscheidet man zwei Grundmodelle. Das sog. „Einvertragsmodell“ und das sog. „Zweivertragsmodell“.

Beim Einvertagsmodell bleibt der Mitarbeiter während des Auslandseinsatzes regulärer Arbeitnehmer seiner „Heimatgesellschaft“. Das bedeutet insbesondere, die Heimatgesellschaft zahlt weiterhin das Gehalt und übt weiterhin ihr Direktionsecht über den Mitarbeiter aus. Der Arbeitsvertrag wird für die Dauer des Auslandseinsatzes durch eine Entsendevereinbarung lediglich um benötigte Sonderaspekte ergänzt.

Beim Zweivertragsmodell wird das Arbeitsverhältnis mit der „Heimatgesellschaft“ ruhend gestellt. Die Beschäftigung bei der „Gastgesellschaft“ erfolgt auf Basis eines befristeten Arbeitsvertrages mit der „Gastgesellschaft“. Endet letzterer, lebt das Arbeitsverhältnis mit der „Heimatgesellschaft“ im Normalfall wieder auf. Das bedeutet, während des Auslandseinsatzes ist der Mitarbeiter regulärer Arbeitnehmer der „Gastgesellschaft“ und erhält auch von dieser sein Gehalt etc.

Wann eignet sich welches Modell?

Das Einvertagsmodell eignet sich dann, wenn der Mitarbeiter weiterhin ausschließlich in die deutsche Sozialversicherung einzahlen möchte und die Tätigkeit von Deutschland aus gut gesteuert werden kann. Letzteres meint, dass der Mitarbeiter nicht vollständig in den Betrieb der „Gastgesellschaft“ integriert ist, sondern seine Weisungen grundsätzlich weiterhin von der „Heimatgesellschaft“ erhält. Der Einsatz bei der „Gastgesellschaft“ ist – vereinfacht gesagt – etwa mit einem Einsatz beim Kunden vergleichbar. Daher wird das Einvertragsmodell in Konzernen häufig zur Unterstützung von Projekten verwendet. Damit der Mitarbeiter weiterhin in Deutschland sozialversichert sein kann, sollte der Auslandseinsatz im Vornhinein regelmäßig auf bis zu zwei Jahre begrenzt werden (mögliche Einsatzdauer im Einzelfall anhand des Ziellandes zu prüfen).

Das Zweivertragsmodell ist dann erste Wahl, wenn der Mitarbeiter während des Auslandseinsatzes vollständig in den Betrieb der „Gastgesellschaft“ eingegliedert werden soll, d.h. die „Gastgesellschaft“ dem Mitarbeiter wie eigenen Arbeitnehmern Weisungen erteilt oder der Mitarbeiter Arbeitnehmer der „Gastgesellschaft“ wie ein Vorgesetzter führt. Der Mitarbeiter ist bei diesem Modell im Zielland sozialversicherungspflichtig. Daher ist das Zweivertragsmodell regelmäßig auch dann opportun, wenn der Auslandseinsatz voraussichtlich länger als zwei Jahre dauert.

Worauf sollte beim jeweiligen Modell geachtet werden?

Für das Einvertagsmodell gilt insbesondere:

  • Es sollte die Art der erforderlichen Integration bei der „Gastgesellschaft“ arbeitsrechtlich geprüft werden, um den Einsatz von einer Arbeitnehmerüberlassung abzugrenzen. Hierbei ist nicht nur das deutsche AÜG zu beachten, sondern auch entsprechende Regelungen im Zielland. Aufgrund des räumlichen Bezugs zu beiden Ländern sind regelmäßig beide Regelungen anwendbar.
  • Beim Sozialversicherungsträger sollte vor der Entsendung beantragt werden, dass der Mitarbeiter während des Auslandseinsatzes weiterhin Mitglied der deutschen Sozialversicherung ist. Bei gesetzlich versicherten Mitarbeitern ist dies die Krankenkasse, bei privat versicherten Mitarbeitern üblicherweise die gesetzliche Rentenversicherung. Ist ein Einsatz in der EU, des EWR, der Schweiz oder des Vereinigten Königreiches geplant, kann dies standardisiert mittels einer sog. „A1-Bescheinigung“ erfolgen.
  • In der Entsendevereinbarung sollte insbesondere klargestellt werden, dass das Weisungsrecht bei der „Gastgesellschaft“ verbleibt, die Entsendung nur zeitlich begrenzt erfolgt und in welchen Fällen der Mitarbeiter vorzeitig aus dem Ausland zurückgeholt werden kann.

Für das Zweivertragsmodell gilt insbesondere:

  • Der befristete Arbeitsvertrag bei der „Gastgesellschaft“ sollte auf den Arbeitsvertrag mit der „Heimatgesellschaft“ und dessen vorrübergehende Ruhendstellung abgestimmt werden. Denn beide Vertragsverhältnisse stehen rechtlich unabhängig nebeneinander. Relevant sind daher zum Beispiel Regelungen dazu, was bei Kündigung eines der beiden Verträge passiert und wie der Mitarbeiter daran mitwirken muss, um eine vorzeitige Beendigung des befristeten Vertrages und die Rückkehr zur „Heimatgesellschaft“ zu ermöglichen. Bei Konzernsachverhalten sollte auch geregelt werden, was beim Ausscheiden der „Heimat- oder Gastgesellschaft“ aus dem Konzern passiert.
  • Wir empfehlen regelmäßig, den befristeten Arbeitsvertrag mit der „Gastgesellschaft“ nach dem Recht des Ziellandes zu gestalten. Theoretisch denkbar ist zwar eine Rechtswahl. Allerdings ist hierbei nie auszuschließen, dass für einzelne Vertragsbestimmungen nicht doch das Recht im Zielland gilt. Das heißt, der Arbeitsvertrag ist dann weder vollständig nach deutschem noch nach ausländischen Recht zu behandeln. Dies macht die Vertragsdurchführung und -abwicklung undurchsichtig.

Bei beiden Modellen gleichermaßen relevant ist schließlich die potentielle Einkommenssteuerpflicht des Mitarbeiters im Zielland. Aus Sicht des Mitarbeiters gilt es hier, eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. Aus Sicht des Arbeitgebers gilt es, etwaige Lohnsteuerpflichten einzuhalten. Kommt es im Zielland zu einer höheren Besteuerung, d.h. weniger Netto vom Brutto, kann sich auch die Frage stellen, ob und wie weit der Arbeitgeber diesen Nachteil ausgleicht.

Stets die Herausforderung einer Integration nach Rückkehr im Blick behalten

Bei langfristigen Auslandseinsätzen sollte stets überlegt werden, ob das Arbeitsverhältnis mit der „Heimatgesellschaft“ nicht vollständig aufgelöst wird. Insbesondere, wenn der Auslandseinsatz auf Wunsch des Mitarbeiters erfolgt und nicht Teil eines klaren Personalentwicklungsplanes ist. Denn in der Praxis stellt Unternehmen die Rückkehr eines Mitarbeiters nach Jahren des Auslandseinsatzes nicht selten vor Herausforderungen. Der Grund ist einfach: In der „Heimatgesellschaft“ dreht sich das Rad weiter. Die bislang vom entsandten Mitarbeiter ausgefüllte Stelle wird neu besetzt und mitunter auch die Organisation verändert, Teams und Abteilungen verkleinert oder mit anderen zusammengelegt usw. Kommt der entsandte Mitarbeiter zurück, fehlt es häufig an einer freien Stelle oder passenden Budgets, um eine Stelle zu schaffen.

Fazit: Wie bei der Gestaltung vorgehen?

Dreh- und Angelpunkt bei der Wahl des richtigen Modells sind das Maß der erforderlichen Integration bei der „Gastgesellschaft“ und die Dauer des Einsatzes. Ist eine vollständige Integration gefordert oder dauert der Einsatz voraussichtlich länger als zwei Jahre, ist regelmäßig das Zweivertragsmodell geeignet.

Sofern grundsätzlich beide Modelle in Betracht kommen, sollten Arbeitgeber das Gespräch mit dem Mitarbeiter suchen und eine Richtung festlegen. Denn die Möglichkeit eines Auslandseinsatzes ist für viele Mitarbeiter ein echtes Highlight, mit dem Arbeitgeber punkten können, wenn sie ihre Mitarbeiter abholen und strukturiert durch diesen Prozess begleiten.

Bei der genauen Ausgestaltung bietet der Umstand eine gute Richtschnur, ob der Auslandseinsatz auf Bestreben des Arbeitgebers oder des Mitarbeiters erfolgt. Dies gilt insbesondere bei der Frage, ob und in welchem Umfang der Arbeitgeber etwaige Mehrkosten (z.B. Umzugsaufwand, Reisekosten etc.) trägt und Zusatzleistungen erbringt (z.B. zusätzliche Krankenversicherung, zusätzliche Sozialversicherungsbeiträge etc.).

Benedict Seiwerth

Rechtsanwalt

Senior Associate
Benedict Seiwerth berät und vertritt nationale und internationale Unternehmen in sämtlichen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Neben Restrukturierungsprojekten berät er seine Mandanten zudem in Kündigungsrechtsstreitigkeiten, im Bereich des Betriebsverfassungsrechts sowie in der Vertragsgestaltung. Darüber hinaus besitzt er Erfahrung mit der Beratung und Koordination internationaler Projekte, wie etwa Unternehmenstransaktionen und grenzüberschreitender Arbeitnehmerüberlassung. Er ist Mitglied der Fokusgruppe „Digitalisierung und Mitbestimmung“.
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