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Konzerninterne Entsendung nach Deutschland: Sachgründe für die Befristung des Arbeitsvertrages

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In internationalen Konzernen stellt die Entsendung von Arbeitskräften ins Ausland ein häufiges Mittel zur Personalentwicklung dar. Der Auslandseinsatz erfolgt dazu in aller Regel befristet. Bei einer Entsendung aus dem Ausland nach Deutschland ist – oftmals übersehen – die Befristungsabrede für einen mit der deutschen Inlandsgesellschaft geschlossenen Arbeitsvertrag am Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) zu messen. Das LAG Berlin-Brandenburg hatte zuletzt über die Wirksamkeit einer solchen Befristung im Zusammenhang mit einer konzerninternen Entsendung nach Deutschland zu entscheiden (Urteil vom 25.07.2023 – 16 Sa 1087/22).

Worum ging es?

Der Kläger hatte einen unbefristeten Heimat-Arbeitsvertrag mit seinem im EU-Ausland ansässigen Arbeitgeber geschlossen und wurde von diesem nach Deutschland entsandt. Hierzu schloss der Kläger mit dem Heimatarbeitgeber eine Entsendevereinbarung sowie parallel mit der Beklagten, der deutschen Konzernmutter, einen befristeten Arbeitsvertrag über einen Zeitraum von drei Jahren ab.

Der Entsendevertrag regelte das Ruhen des Arbeitsverhältnisses mit dem Heimatarbeitgeber während der Zeit der Entsendung sowie dessen umfassende Weitergeltung nach Ablauf der Befristung.

Nach Ablauf des Befristungszeitraums des Arbeitsvertrages mit der Beklagten erhob der Kläger Befristungskontrollklage und begehrte die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht beendet sei und über den Befristungszeitraum fortbestehe.

Vorinstanz

Das Arbeitsgericht entschied zunächst, die Befristung des Arbeitsvertrages sei unwirksam gewesen. Es habe kein Sachgrund für eine Befristung des Arbeitsvertrages vorgelegen, mit der Folge, dass das Arbeitsverhältnis als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen gelte. Gegen dieses Urteil legte die Beklagte erfolgreich Berufung ein.

Die Entscheidung des LAG

Das LAG Berlin-Brandenburg änderte das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin ab und stellte fest, dass die Befristung des Arbeitsvertrages zwischen dem Kläger und der Beklagten aufgrund des Vorliegens gleich mehrerer Sachgründe iSd. TzBfG wirksam gewesen sei.

Nach den allgemeinen Grundsätzen des Befristungsrechts wäre zwar eine sachgrundlose Befristung des Arbeitsvertrags bis zu einer Dauer von zwei Jahren möglich gewesen, § 14 Abs. 2 TzBfG. Hier hatten die Vertragsparteien jedoch eine längere, dreijährige Befristungsdauer gewählt. Die Befristung bedurfte folglich eines sachlichen Grundes.

Das LAG hielt dazu zunächst in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BAG fest, dass der Katalog der sachlichen Gründe in § 14 Abs. 1 S. 2 TzBfG nicht abschließend sei. So sei auch der Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses zum bisherigen Arbeitgeber bei gesicherter Rückkehrmöglichkeit des Arbeitnehmers in dieses Arbeitsverhältnis als gesetzlich nicht ausdrücklich benannter, sachlicher Befristungsgrund von der Rechtsprechung anerkannt.

a) Sachgrund für die Befristung: Gesicherte Rückkehrmöglichkeit

Das LAG nahm im vorliegenden Fall – anders als die Vorinstanz – an, dass der Kläger eine gesicherte Rückkehrmöglichkeit in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis hatte, nämlich in das mit dem Heimatarbeitgeber. Hierzu verwies das LAG auf den zwischen dem Heimatarbeitgeber und dem Kläger geschlossenen Entsendevertrag, der die Fortgeltung des Heimat-Arbeitsvertrages nach Ende des Entsendezeitraums regelte.

Weitere Voraussetzung für die Annahme einer gesicherten Rückkehrmöglichkeit sei außerdem, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Heimatarbeitgeber einen „vergleichbaren sozialen Schutz“ wie das mit der deutschen Gesellschaft befristet begründete Arbeitsverhältnis biete. Dies bejahte das LAG im konkreten Fall. Da die Entsendung innerhalb eines Konzernes erfolge und der Heimatarbeitgeber sich zudem im EU-Ausland befinde, sei Vergleichbarkeit des sozialen Schutzes aufgrund der Anwendung der EU-Richtlinien über Arbeitsverhältnisse und Arbeitsschutz gegeben. Auch bezüglich des Urlaubsanspruchs, des Sozialversicherungsschutzes und des Kündigungsschutzes bestünde diese Vergleichbarkeit.

Ergänzender Hinweis: Das Heimatland war hier Großbritannien und der Entsendevertrag vor dem Brexit geschlossen worden, so dass hier das EU-Recht noch griff. Wenn es sich bei dem Heimatland hingegen um ein Nicht-EU-Staat gehandelt hätte, wäre die Feststellung „vergleichbaren sozialen Schutzes“ sicherlich eine immense Herausforderung für den – insofern darlegungs- und beweisbelasteten – deutschen Arbeitgeber geworden.

b) Sachgrund für die Befristung: In der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe, § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 TzBfG

Zudem war nach den Feststellungen des LAG auch der Sachgrund des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 TzBfG durch „in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe“ gegeben. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses hätten objektive Anhaltspunkte vorgelegen, aus denen ein Interesse des Arbeitnehmers gerade an der befristeten Beschäftigung folge. Solche objektiven Umstände können sich allgemein etwa aus familiären Verpflichtungen, aus noch nicht abgeschlossener Ausbildung im Heimatland oder einem sonst belegten Heimkehrwunsch eines ausländischen Arbeitnehmers ergeben. Entscheidend sei, ob der Arbeitnehmer auch bei einem Angebot auf Abschluss eines unbefristeten Vertrages nur ein befristetes Arbeitsverhältnis abgeschlossen hätte.

Die Beklagte des hier besprochenen Falls konnte durch entsprechende E-Mailverläufe nachweisen, dass der Kläger trotz des Angebots eines unbefristeten deutschen Arbeitsvertrages den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages gewünscht habe, und zwar zwecks Aufrechterhaltung seiner Heimat-Sozialversicherung.

Fazit

Auch bei konzerninternen Entsendungen nach Deutschland ist das TzBfG anwendbar. Dauert die Entsendung länger als zwei Jahre, so bedarf ein befristet abgeschlossener Arbeitsvertrag mit einem deutschen Unternehmen eines Sachgrundes. Die gesicherte Rückkehrmöglichkeit in das Heimatland dürfte dabei ein in der Praxis oftmals unterstellter, aber nicht ganz einfach nachzuweisender Sachgrund sein, leichter bei EU-Staaten, deutlich herausfordernder bei anderen Heimatländern. Die Feststellung der gesicherten Rückkehrmöglichkeit bei vergleichbarem sozialen Schutz im Heimatland ist eine besondere Hürde, die bislang in der Rechtsprechung noch nicht sehr differenziert beleuchtet wurde.

Praxistipp 1: Befristungen nach Deutschland sollten, wenn möglich, nur nach § 14 Abs. 2 TzBfG durchgeführt werden, also als Befristung ohne Sachgrund bei höchstens zweijähriger Dauer.

Praxistipp 2: Bei längerer Befristungsdauer ist daran zu denken, dass die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen der Befristungsabrede auch in Entsendekonstellationen beim (deutschen) Arbeitgeber liegt. Arbeitgeber sollten daher die möglichen Nachweise für etwaige spätere gerichtliche Auseinandersetzungen dokumentieren.

Ayse Gül Bozok


Rechtsanwältin
Associate
Ayse Gül Bozok berät und vertritt nationale und internationale Unternehmen in sämtlichen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Ihr Schwerpunkt liegt dabei im Betriebsverfassungsrecht, der Führung von Kündigungsrechtsstreitigkeiten sowie der Vertragsgestaltung. Ayse Gül Bozok berät und vertritt nationale und internationale Unternehmen in sämtlichen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Ihr Schwerpunkt liegt dabei im Betriebsverfassungsrecht, der Führung von Kündigungsrechtsstreitigkeiten sowie der Vertragsgestaltung.
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