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Arbeitsvertragliche Bezugnahme auf betriebliche Versorgungsregelungen

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BAG bestätigt seine Rechtsprechung zur Auslegung von Bezugnahmeklauseln im Kontext der betrieblichen Altersversorgung.

Die Ablösung von Versorgungsordnungen beschäftigt das BAG mit verlässlicher Regelmäßigkeit. So hatte sich der für die betriebliche Altersversorgung zuständige dritte Senat zuletzt mit einer Ablösekonstellation zu beschäftigen, in der die Versorgungsordnung über eine arbeitsvertragliche Bezugnahme Anwendung fand. Mit seiner Entscheidung vom 9. Mai 2023 (3 AZR 226/22) bestätigte das BAG dabei in erfreulicher Deutlichkeit seine bisherige Rechtsprechung zur Auslegung von Bezugnahmeklauseln im Versorgungskontext.

Worum ging es?

Die Klägerin war seit 1986 bei der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens beschäftigt. Im Rahmen einer Änderung des Arbeitsvertrages im Jahr 1993 vereinbarten die Parteien, dass die zusätzliche Altersversorgung der Klägerin „nach dem in der Evangelischen-Lutherischen Landeskirche Sachsens geltenden Recht“ gewährt werde. Bei dem Arbeitsvertrag handelte es sich um von der Arbeitgeberin vorformulierten Arbeitsvertragsbedingungen (AGB). Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses galt eine sogenannte Treuegeld-Verordnung. Diese Verordnung wurde im weiteren Verlauf des Arbeitsverhältnisses im Zuge einer Neuordnung der betrieblichen Altersversorgung für die Mitarbeiter der Landeskirche vollständig durch neue Versorgungsregelungen ersetzt. Zum Zeitpunkt der Ablösung hatte die Klägerin bereits auf Grundlage der arbeitsvertraglichen Zusage Anwartschaften aus der Treuegeld-Verordnung erworben. Die Klägerin schied 2019 aus dem Arbeitsverhältnis aus und bezog von der beklagten Landeskirche eine Betriebsrente nach Maßgabe der zum Ausscheidenszeitpunkt geltenden Versorgungsregelungen. Die monatliche Rente fiel dabei sogar höher aus als die Versorgungsleistungen, die sie bei Fortgeltung der Treugeld-Verordnung aus dieser erhalten hätte. Die Klägerin vertrat die Auffassung, ihr stehe dennoch ein zusätzliches monatliches Treuegeld zu, das sich aus den bis zum Ablösezeitpunkt auf Grundlage der Treuegeld-Verordnung erdienten Anwartschaften ergebe. Die Treuegeld-Verordnung sei nicht wirksam (vollständig) durch die späteren Versorgungsregelungen abgelöst worden. Denn die bis zum Ablösestichtag erdienten Anwartschaften seien nicht als gesonderte „Startgutschrift“ in die neue Versorgung überführt worden. Damit läge ein Eingriff in die erdienten Besitzstände vor, der insoweit zur Unwirksamkeit der Ablösung führe. Die Klägerin blieb sowohl vor dem ArbG Dresden als auch vor dem LAG Sachsen erfolglos.

Das BAG bestätigte die Auffassung der Vorinstanzen und ging damit ebenfalls von der Wirksamkeit der Ablösung aus.

Dynamische Bezugnahmeklausel als „Einfallstor“ für die Änderung

„Einfallstor“ für die Ablösung war dabei die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf das „nach dem in der Evangelischen-Lutherischen Landeskirche Sachsens geltende Recht“. Auch wenn die Regelung keinen ausdrücklichen Hinweis auf das „jeweils“ geltende Recht enthielt, war die Klausel nach Ansicht des BAG als dynamische Bezugnahme zu verstehen. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des dritten Senats des BAG. Dieser geht davon aus, dass eine arbeitsvertragliche Bezugnahme auf die beim Arbeitgeber geltenden Bestimmungen zur betrieblichen Altersversorgung grundsätzlich als dynamischer Verweis zu verstehen ist. Denn im Zweifel möchte der Arbeitgeber die betriebliche Altersversorgung nach einem einheitlichen System erbringen. Ein solches System darf nicht erstarren. Nur so wird eine einheitliche Anwendung der Versorgungsregelungen auf alle erfassten Arbeitnehmer gewährleistet. Von einer (statischen) Anwendung allein der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Versorgungsregelungen kann daher nach Auffassung des BAG nur dann ausgegangen werden, wenn sich ein solcher Parteiwille deutlich aus der Bezugnahmeklausel ergibt. Anhaltspukte für eine gewollte statische Bezugnahme waren vorliegend indes nicht ersichtlich.

Grenzenlose Änderungsmöglichkeiten? Natürlich nicht!

Führt die arbeitsvertragliche Jeweiligkeitsklausel nun dazu, dass der Arbeitnehmer jede Änderung der betrieblichen Versorgungsregelungen gegen sich gelten lassen muss, selbst wenn diese zu einer Verschlechterung seiner Versorgung führt? Nein. Denn nach ständiger Rechtsprechung des BAG muss sich jede inhaltliche Änderung von Versorgungsregelungen am Maßstab der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit messen lassen. Je schwerwiegender die Eingriffe in die Versorgung der Mitarbeiter ist, desto gewichtiger müssen die Gründe des Arbeitgebers für die vorgenommenen Änderungen sein.

Dem Wortlaut der Bezugnahmeklausel war im Streitfall allerdings (wie es bei den meisten Bezugnahmeklauseln in der Praxis der Fall sein dürfte) nicht zu entnehmen, ob und welchen Einschränkungen der Arbeitgeber bei zukünftigen Änderungen unterliegt. Da es sich um AGB handelte, hätte dies grundsätzlich im Hinblick auf § 308 Nr. 4 BGB problematisch sein können. Danach ist in AGB die Vereinbarung eines Änderungsvorbehalts zugunsten des Verwenders (hier also des Arbeitgebers) unwirksam, wenn die Änderung dem Vertragspartner (hier also dem Arbeitnehmer) unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders unzumutbar ist. Auch das BAG prüfte die Klausel am Maßstab des § 308 Nr. 4 BGB und verfuhr dabei nach der Devise „Es kann nicht sein, was nicht sein darf.“: Die Erfurter Richter gingen davon aus, dass eine dynamische Bezugnahme auf die beim Arbeitgeber geltenden Versorgungsregelungen grundsätzlich so auszulegen sei, dass davon nur solche Regelungen erfasst sein sollen, die den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Denn es sei davon auszugehen, dass der Arbeitgeber als Verwender der Klausel nur eine rechtlich zulässige Regelung vereinbaren möchte. Damit bestätigte der Senat eine frühere Entscheidung aus dem Jahr 2015 (vgl. BAG Urteil vom 14. Juli 2015 – 3 AZR 517/13).

Abgerechnet wird am Ende

Somit war die Bezugnahmeklausel wirksam und der Weg frei für die inhaltliche Prüfung der Ablösung. Diese war allerdings schnell erledigt. Denn entgegen der Ansicht der Klägerin hatte die Ablösung nicht zu einem Eingriff in ihre Versorgungsanwartschaften geführt. Das BAG stellte dabei nochmals klar, dass für die Beurteilung eines Eingriffs in die Anwartschaftshöhe allein entscheidend sei, ob die Neuregelung im konkreten Einzelfall bei Eintritt des Versorgungsfalls geringere Versorgungsleistungen als die Altversorgung gewährt. Ob zum Zeitpunkt der Ablösung im Hinblick auf die aus der Altversorgung erdienten Anwartschaften eine gesonderte Startgutschrift gebildet wurde, war daher völlig unerheblich. Denn da die Klägerin nach der neuen Versorgungsordnung bei Rentenbeginn sogar (deutlich) höhere Leistungen erhielt, als es bei Fortgeltung der Altversorgung der Fall gewesen wäre, schied ein Eingriff aus.

Alles bleibt beim Alten

Mit seiner Entscheidung hat das BAG seine Rechtsprechung zur Ablösbarkeit von vertraglichen Einheitsregelungen mit kollektivem Bezug konsequent fortgeführt und sorgt damit für Rechtssicherheit. Dabei zeigt das BAG mit seiner Auslegung der Bezugnahmeklausel Augenmaß für die Bedürfnisse und Lebenswirklichkeiten in der betriebsrentenrechtlichen Praxis – ein Ansatz, den man sich im Kontext der AGB-Kontrolle von der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung häufiger wünscht.

Christina Hartmann

Rechts­an­wäl­tin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Counsel
Christina Hartmann berät Unternehmen in sämtlichen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Neben der laufenden arbeitsrechtlichen Dauerberatung und der Vertretung in Kündigungsschutzstreitigkeiten unterstützt sie Unternehmen insbesondere bei Fragen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung. Sie ist Mitglied der Fokusgruppe "Betriebliche Altersversorgung".
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