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„Dann bin ich eben krank.“ – Außerordentliche Kündigung wegen Drohung mit Krankmeldung nach Arbeitgeberweisung

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Kann der Arbeitgeber kündigen, wenn der Arbeitnehmer als Reaktion auf eine Weisung des Arbeitgebers androht, sich krankzumelden?  Was, wenn der Arbeitnehmer dann tatsächlich erkrankt? Was, wenn die Weisung des Arbeitgebers rechtswidrig ist? Mit diesen Fragen hat sich das LAG Rheinland-Pfalz beschäftigt und klargestellt, dass der Arbeitgeber bei Androhung einer Krankmeldung auf eine Weisung des Arbeitgebers auch dann außerordentlich kündigen kann, wenn die Weisung rechtswidrig ist und der Arbeitnehmer tatsächlich nach der Androhung erkrankt.

Was war passiert?

In einem seit August 2018 bestehenden Arbeitsverhältnis kam es im Mai 2019 zu einem Streit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Der Streit eskalierte und der Arbeitgeber stellte den Arbeitnehmer an einem Freitag (10. Mai 2019) für den darauffolgenden Montag (13. Mai 2019) und Dienstag (14. Mai 2019) von der Arbeit frei. An dem Montag (13. Mai 2019) kam es zu einem Telefonat zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, in dem es auch um eine mögliche Vertragsaufhebung ging. Als es keine Einigung über die Vertragsaufhebung gab, forderte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf, an dem Dienstag (14. Mai 2019) doch am Arbeitsplatz „zu einem Abstimmungsgespräch“ zu erscheinen. Der Arbeitnehmer lehnte dies ab und erwiderte „er könne ja noch krank werden“. Für den Arbeitgeber war mit der Androhung der Krankmeldung eine Grenze überschritten. Er kündigte das Arbeitsverhältnis noch an dem Montag (13. Mai 2019) außerordentlich, höchst hilfsweise ordentlich. Der Arbeitnehmer war durch den Erhalt der Kündigung dann tatsächlich so gestresst, dass sein Arzt ihn vom 14. Mai bis 17. Mai 2019 krankschrieb. Die Kündigungsschutzklage hatte weder vor dem Arbeitsgericht Ludwigshafen noch vor dem LAG Rheinland-Pfalz Erfolg. Mangels Erfolg der Nichtzulassungsbeschwerde ist das Urteil inzwischen rechtskräftig.

Problemstellung

Im Mittelpunkt der Entscheidung (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Juli 2020 – 8 Sa 430/19) steht die Frage, ob die Androhung einer Krankmeldung als Reaktion auf eine Weisung eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann, wenn der Arbeitnehmer dann tatsächlich erkrankt und die Weisung rechtswidrig ist. Das BAG hat zum Thema „Androhung der Krankmeldung“ ausgeführt, dass die Androhung einer Krankmeldung bei Ablehnung der Verlängerung eines Urlaubs grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt (BAG, Urteil vom 17. Juni 2003 – 2 AZR 123/02). Das BAG hatte sich aber auch zur Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigungen geäußert, die wegen Androhung der Fortdauer einer Erkrankung ausgesprochen wurden und vertreten, dass die Androhung einer fortdauernden Erkrankung zwar auch zu einer außerordentlichen Kündigung führen kann, aber deutlich weniger schwer wiege, wenn der Arbeitnehmer bereits erkrankt war und im Zeitpunkt der Androhung davon ausgehen durfte auch noch länger krank zu sein (BAG, Urteil vom 12. März 2009 – 2 AZR 251/07).

Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz: Außerordentliche Kündigung ist gerechtfertigt

Das LAG Rheinland-Pfalz kommt zu dem Ergebnis, dass die Androhung einer Krankmeldung als Reaktion auf eine Weisung des Arbeitgebers auch dann den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung gemäß § 626 BGB rechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer dann tatsächlich erkrankt und die Weisung rechtswidrig ist. Im Rahmen seiner Prüfung, verweist das LAG Rheinland-Pfalz auf die Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 17. Juni 2003 – 2 AZR 123/02; Urteil vom 12. März 2009 – 2 AZR 251/07). Nach dem BAG liegt ein wichtiger Grund unter anderem vor, wenn der Arbeitnehmer seine Interessen im Arbeitsverhältnis durch die rechtswidrige Drohung mit einem empfindlichen Übel gegenüber dem Arbeitgeber durchzusetzen versucht und so Rücksichtnahmepflichten gemäß § 241 Abs. 2 BGB verletzt. Das ist nach dem BAG bereits durch die Ankündigung einer zukünftigen Erkrankung gegeben für den Fall, dass der Arbeitgeber einem Verlangen des Arbeitnehmers (z.B. auf Urlaubsgewährung) nicht entsprechen sollte.

Das LAG Rheinland-Pfalz erweitert die Rechtsprechung des BAG und kommt für den vorliegenden Fall zur Rechtsmäßigkeit der außerordentlichen Kündigung. Nach dem LAG Rheinland-Pfalz muss die Drohung mit der Krankmeldung nicht plump wörtlich vorgebracht werden. Es reicht, wenn beim Arbeitgeber der berechtigte Verdacht aufkommen kann, der Arbeitnehmer sei bereit, sich einen ihm nicht zustehenden Vorteil auf Kosten des Arbeitgebers zu verschaffen. Auf die Rechtmäßigkeit der Arbeitgeberweisung (hier: Widerruf der Freistellung) kommt es nicht an. Es kommt nämlich nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer sich einer (rechtmäßigen oder rechtswidrigen) Weisung widersetzt hat, sondern wie er das tat. Es hätte dem Kläger freigestanden, sich der rechtswidrigen Weisung auch ohne den Ausspruch von Drohungen zu widersetzen, also dem Arbeitsplatz schlicht fernzubleiben oder gegen die Weisung den Rechtsweg zu beschreiten. Die Nebenpflichtverletzung besteht in der Art und Weise seines Vorgehens. Dem Arbeitnehmer wird vom LAG Rheinland-Pfalz vorgeworfen, durch einen Missbrauch des Entgeltfortzahlungsgesetzes seine Ziele gegenüber dem Arbeitnehmer als seinem Vertragspartner durchzusetzen. Deshalb ist es auch unerheblich, ob der Arbeitnehmer nach seiner Drohung vom 13. Mai 2019 dann am 14. Mai 2019 krank wurde oder nicht.

Fazit:

Die Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz ist zu begrüßen und ergänzt die Rechtsprechung des BAG zutreffend. Allein durch die Androhung der unberechtigten Krankmeldung durch den Arbeitnehmer wird das Vertrauen zwischen den Arbeitsvertragspartnern in so großem Maße verletzt, dass es auf weitere Umstände nicht ankommen kann. Das gilt einerseits dann, wenn die Androhung als Reaktion auf eine Weisung des Arbeitgebers erfolgt und andererseits auch dann, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich überraschend erkrankt.

Levke Christine Jost

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Associate
Levke Christine Jost berät nationale und internationale Unternehmen in sämtlichen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Ihr Schwerpunkt liegt dabei im Betriebsverfassungsrecht, der Führung von Kündigungsrechtsstreitigkeiten sowie der Vertragsgestaltung. Sie ist Mitglied der Fokusgruppe "Unternehmensmitbestimmung".
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