Drei Fälle aus der Praxis: Der Vorstandsvorsitzende eines großen Handelsunternehmens befindet sich in einer längerfristigen Reha-Maßnahme. Die Vorständin eines Startup-Unternehmens erwartet ein Kind und legt ihr Vorstandsamt nieder, weil sie sechs Monate „Elternzeit“ verbringen möchte. Ein männliches Vorstandsmitglied benötigt eine Auszeit, um sich um seine kranken Eltern zu kümmern und legt daher sein Amt nieder.
Kein Arbeitnehmerschutzrecht für Vorstandsmitglieder
Für Vorstandsmitglieder gibt es – anders als für Arbeitnehmer/innen – keinen gesetzlichen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, auf Mutterschutz, Elternzeit, Pflegezeit. Anwendbar ist allenfalls § 616 BGB, wonach der Dienstverpflichtete, der für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit – in der Regel allenfalls für zehn Tage – unverschuldet an der Erbringung seiner Dienste gehindert ist, einen Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung hat. Diskutiert wird in Literatur und älterer Rechtsprechung auch die Möglichkeit einer vorübergehenden Suspendierung. Wesentlicher Anwendungsfall ist aber die einseitige, und nur sehr kurz bemessene, Suspendierung durch den Aufsichtsrat in Verdachtsfällen.
Das deutsche Recht unterscheidet: Wer als Organ einer Gesellschaft bestellt ist, nimmt Arbeitgeberfunktionen wahr und ist deshalb kein Arbeitnehmer, BAG v. 21.1.2019 – 9 AZB 23/18. Für Fremd-Geschäftsführer/innen der GmbH gibt es gewisse Auflockerungen dieses Grundsatzes. So findet seit dem 1.1.2018 das Mutterschutzgesetz auch auf sie Anwendung, wenn sie ihre Tätigkeit im Rahmen einer Beschäftigung i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB IV ausüben. Das wird bei Fremd-Geschäftsführer/innen ohne Sperrminorität in der Regel unterstellt, BSG v. 4.6.2009 – B12 KR 3/08 R.
Keine vertragliche Lösung möglich
Bislang werden Fälle wie die oben genannten in der Regel leise und intern gelöst, oft aber eben um den Preis einer Amtsniederlegung. Im Hinblick auf Krankheit enthalten die allermeisten Dienstverträge von Vorstandsmitgliedern einen vertraglichen Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung für einen gewissen Zeitraum. Zu den übrigen denkbaren Fallgestaltungen, Mutterschaft, Vaterschaft, dem Wunsch nach Pflegezeit, findet sich so gut wie nie eine im Voraus getroffene vertragliche Abrede.
Unabhängig davon kann aber eine vertragliche Abrede, sei es im Anstellungsvertrag oder später aus konkretem Anlass getroffen, keine Mandatspause und damit keine Begrenzung der Haftung ermöglichen. Vertragliche Vereinbarungen über eine zeitlich begrenzte Amtsniederlegung sind auf der Basis der jetzigen Rechtslage nicht möglich. Der Aufsichtsrat bestellt das Vorstandsmitglied auch am Ende eines solchen Amtsniederlegungszeitraums in freiem unternehmerischem Ermessen, OLG München v. 12.01.2017 – 23 U 3582/16. Eine rechtsgeschäftliche Abrede, die diese Entschließungsfreiheit des Aufsichtsrats einschränkt, ist nichtig.
Richtig ist, dass es Gestaltungsmöglichkeiten gibt, um die Haftungsrisiken eines AG-Vorstandsmitglieds einzugrenzen, so etwa den Abschluss einer D&O-Versicherung. Ein vollständiger Ausschluss der zivilrechtlichen und strafrechtlichen Haftung ist hierdurch jedoch nicht zu erreichen.
Gesetzliche Lösung?
Es gibt daher eine öffentliche Diskussion dazu, solche Situationen durch eine gesetzliche Neuregelung zu adressieren, etwa im Rahmen einer Ergänzung des Aktiengesetzes. Danach würden während einer gewissen Frist von beispielsweise bis zu 12 Monaten alle Rechte und Pflichten aus dem Mandat ruhen. Das Recht müsste auf wenige Fallgestaltungen beschränkt sein. Missbrauch muss verhindert werden und die Publizität muss gewahrt sein.
Vorteile für die Unternehmen?
Die Vorteile einer solchen Regelung für das Organ sind offensichtlich. Aber was wären die Vorteile aus Sicht der Unternehmen? Die Einführung einer Mandatspause als Ergänzung im Aktienrecht würde dazu beitragen, in Zeiten des Fachkräftemangels den Pool der denkbaren Kandidaten für ein Vorstandsamt zu verbreitern und das Amt auch für jüngere männliche, aber auch weibliche Mitglieder attraktiver zu machen. Gerade in der Startup-Szene ist die Aktiengesellschaft eine beliebte Gesellschaftsform. Die Vorstandsmitglieder, oft die Gründer, sind häufig deutlich jünger als etwa die DAX-Vorstände, deren Durchschnittsalter seit längerer Zeit bei etwa 53 Jahren liegt. Auch der Anteil an weiblichen Vorstandsmitgliedern liegt deutlich über den 14 % weiblicher Vorstandsmitglieder, die im DAX-Vorstandsreport aus 2019 genannt wurden.
Eine derartige Regelung könnte ferner dazu beitragen den Anteil weiblicher Vorstandsmitglieder auch ohne eine „harte“ gesetzliche Frauenquote zu erhöhen. Die gesetzliche Frauenquote wird von der Wirtschaft kritisch gesehen. Im Jahr 2015 war das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in Kraft getreten, welches auf interne Zielvorgaben und nicht auf eine feste Quote setzt. Der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD vom 12.03.2018 beschreibt, dass Frauen in Führungspositionen noch immer unterrepräsentiert sind (Rz. 943 ff.). Der in der vergangenen Legislaturperiode begonnene Weg müsse daher fortgesetzt werden. Es existieren bereits Hinweise auf einen inoffiziellen Gesetzesentwurf von Justiz- und Familienministerium zu einer Verschärfung der Frauenquote. Eine Gesetzesänderung, welche AG-Vorstandsmitgliedern unter bestimmten Umständen eine Mandatspause ermöglicht, könnte hierzu eine Alternative sein.