Der Wunsch nach möglichst großer Flexibilität bei der Ausgestaltung der Arbeitszeit ist in aller Munde. Eine Vollzeitstelle, bei der ein Arbeitnehmer vormittags einige Stunden im Büro verbringt und sein übriges Stundensoll für diesen Tag nachmittags in seinem Homeoffice ableistet, ist nur ein Beispiel für ein Modell, mit dem sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer in vielen Fällen gut leben könnten. Mit den geltenden „Spielregeln“ des Arbeitszeitgesetzes ist ein solches Maß an Flexibilität allerdings nicht immer in Einklang zu bringen. Doch auch bei klassischen Arbeitszeitmodellen gelingt die Handhabung in der betrieblichen Praxis keineswegs stets gesetzeskonform. Wenn dann die Aufsichtsbehörde vor der Tür steht, drohen empfindliche Geldbußen und Auflagen. Unternehmen sind daher gut beraten, ihre Arbeitszeitsysteme regelmäßig auf den Prüfstand zu stellen.
Die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes
Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) stellt im Wesentlichen Grundregeln für die Höchstdauer der täglichen Arbeitszeit, die einzuhaltenden Pausen sowie die zu beachtenden Ruhezeiten auf.
So sieht das Gesetz in § 3 ArbZG eine Höchstdauer der werktäglichen Arbeitszeit von acht Stunden vor. Eine Verlängerung ist nur dann zulässig, wenn innerhalb eines Zeitraumes von sechs Kalendermonaten bzw. 24 Kalenderwochen im Durchschnitt diese tägliche Grenze eingehalten wird. Der Verlängerung sind indes enge Grenzen gesetzt. Mehr als zehn Stunden darf werktäglich grundsätzlich nur in gesetzlich geregelten Ausnahmefällen oder bei Vorliegen einer entsprechenden Bewilligung der Aufsichtsbehörde gearbeitet werden. Die werktäglich über acht Stunden hinaus geleistete Arbeitszeit hat der Arbeitgeber zudem nach § 16 Abs. 2 ArbZG zu dokumentieren.
Verstöße gegen diese Regelungen stellen eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße von bis zu 15.000,00 € pro Verstoß geahndet werden kann. Die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben sollte Unternehmen daher auch im eigenen Interesse ein besonderes Anliegen sein. Dies gilt umso mehr, als die zuständigen Aufsichtsbehörden ihren Auftrag ernst nehmen. Gerade in jüngster Zeit häufen sich die behördlichen Kontrollen.
Die richtige Dokumentation
Als Reizthema erweist sich dabei zunehmend die betriebliche Handhabung der gesetzlich geforderten Dokumentation von Arbeitszeiten. Die Aufsichtsbehörden stellen anlässlich ihrer Kontrollen insbesondere die in den Unternehmen etablierten Zeiterfassungssysteme auf den Prüfstand. Dies ist nicht verwunderlich. Die Zeitnachweise aus dem jeweiligen Zeiterfassungssystem bilden oftmals die einzige Dokumentation über die Arbeitszeit der Mitarbeiter im Unternehmen und damit die wesentliche Grundlage für die Prüfung der Aufsichtsbehörden.
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser…
Problematisch sind dabei naturgemäß die Fälle, in denen für Mitarbeiter, die dem Anwendungsbereich des Arbeitszeitgesetzes unterfallen, überhaupt keine Arbeitszeiten dokumentiert werden. Zu dieser Situation kommt es häufig, wenn im Unternehmen Vertrauensarbeitszeit praktiziert wird. Dieses Arbeitszeitmodell zeichnet sich gerade dadurch aus, dass der Arbeitgeber nicht kontrolliert, ob die Mitarbeiter ihre Arbeitsleistung in dem vertraglich vereinbarten zeitlichen Umfang erbringen. Typischerweise nehmen die betroffenen Mitarbeiter auch nicht an der Zeiterfassung teil. In der Praxis wird dabei häufig übersehen, dass Vertrauensarbeitszeit den Arbeitgeber nicht von seiner gesetzlichen Dokumentationspflicht entbindet.
Pflicht und Kür
Doch auch wenn Arbeitszeitnachweise geführt werden, stellt sich die Frage, in welchem Umfang die Dokumentation zu erfolgen hat. Aufzuzeichnen sind jedenfalls die Arbeitszeiten, die an einem Werktag die Acht-Stunden-Grenze überschreiten und (unabhängig von ihrer Dauer) an Sonn- und Feiertagen abgeleistet werden. Ob Arbeitgeber darüber hinaus auch verpflichtet sind, Nachweise über den gesetzlich vorgeschriebenen Zeitausgleich zu führen, der im Falle der Überschreitung der werktäglichen Arbeitszeit von acht Stunden innerhalb der einschlägigen Ausgleichszeiträume zu erfolgen hat, ist umstritten.
Manche Aufsichtsbehörden gehen sogar von einer noch weitreichenderen gesetzlichen Dokumentationspflicht aus. Sie verlangen mitunter – ohne dass dies vom Gesetzeswortlaut gedeckt wäre – Nachweise über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie die Lage der Pausen. Entsprechende Beanstandungen des eigenen Systems müssen Unternehmen wohl oder übel ernst nehmen. Denn bestehen Anhaltspunkte für Arbeitszeitverstöße im Unternehmen und vermag der Arbeitgeber diese nicht durch entsprechende Arbeitszeitnachweise zu widerlegen, kann die Behörde dem Unternehmen durch Verwaltungsakt aufgeben, für eine gewisse Zeit eine derart umfangreiche Dokumentation der Arbeitszeit zu führen.
Morgens, halb zehn in Deutschland…
Dem um eine ordnungsgemäße Dokumentation bemühten Arbeitgeber stellt sich früher oder später die Frage, was eigentlich alles zur Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes zählt. Auf den ersten Blick beantwortet das Gesetz diese Frage selbst. Gemäß § 2 Abs. 1 ArbZG ist Arbeitszeit die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen. Was in der Theorie so einfach klingt, lässt sich in der Praxis vielfach schwieriger beurteilen. Bei der Erfassung der Arbeitszeit erweist sich gerade der Umgang mit Pausen häufig als problematisch.
Oftmals gilt in Unternehmen die pauschale Vorgabe, dass etwa Raucherpausen oder sonstige kurzzeitige Arbeitsunterbrechungen nicht als Arbeitszeit zu berücksichtigen sind. Existiert ein elektronisches Zeiterfassungssystem im Betrieb, wird in der Regel von den Mitarbeitern verlangt, sich für diese Zeiten „auszustempeln“. Als Pause, die von der Arbeitszeit abzuziehen ist, gilt nach dem Arbeitszeitgesetz allerdings nur eine Arbeitsunterbrechung von mindestens 15 Minuten. Eine Zusammenrechnung von mehreren kürzeren „Pausen“ ist insoweit nicht zulässig. Lässt der Arbeitgeber daher bei der Ermittlung der Arbeitszeit Raucherpausen oder sonstige kurzzeitige Arbeitsunterbrechungen unabhängig von der konkreten Dauer unberücksichtigt, setzt er sich dem Risiko aus, die Arbeitszeit nicht korrekt zu erfassen.
„Nur noch kurz die Mails checken…“
Die korrekte Erfassung der Arbeitszeit kann überdies gerade in Zeiten des Arbeitsrechts 4.0 zur Herausforderung werden. Wer beispielsweise nach Feierabend doch noch einmal auf das Diensthandy schaut und seine Mails prüft, arbeitet streng genommen. Diese Zeiten wären daher möglicherweise nicht nur bei der Gesamtdauer der Arbeitszeit am betreffenden Tag zu berücksichtigen, sondern könnten auch zu einer Unterbrechung der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeiten führen. Denn nach § 5 Abs. 1 ArbZG muss gewährleistet sein, dass die Arbeitnehmer grundsätzlich nach Arbeitsende eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden einhalten, bevor sie die Arbeit wieder aufnehmen
Es wird indes trefflich darüber gestritten, ob der flüchtige Blick auf das Diensthandy oder ähnliche Tätigkeiten von kaum nennenswerter Dauer tatsächlich Arbeitszeit und eine rechtlich relevante Unterbrechung der Ruhezeit darstellen. Eine Klärung dieses Streits durch die Gerichte steht indes noch aus. Um das Risiko von Arbeitszeitverstößen zu reduzieren, sind Unternehmen daher gut beraten, ihre Mitarbeiter für diese Problematik zu sensibilisieren.
Fazit
Unternehmen sollten die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter im Blick behalten, um Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz zu vermeiden. Dabei lohnt es sich, die eigene betriebliche Handhabung regelmäßig auf den Prüfstand zu stellen. Neben der Schulung von Mitarbeitern zum Thema Arbeitszeit sollte auch die ordnungsgemäße Dokumentation der Arbeitszeit gewährleistet sein. Dann kann dem nächsten Besuch der Aufsichtsbehörde entspannt entgegen gesehen werden.
Lesen Sie ergänzend hierzu auch den Beitrag von Wiesenecker: „Nach „Tyco“: Wegezeiten als Arbeitszeit?“, bereits veröffentlicht auf diesem Blog.