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Wenn Arbeitnehmer zu Straftätern werden – Die Kündigung wegen der Begehung einer Straftat

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In Zeiten, in denen der klassische „Tatort“-Krimi weitgehend durch True-Crime-Podcasts und Serienkiller-Dokus abgelöst wurde, dürfte jedem klar sein: Straftaten sind (leider) Teil unserer Gesellschaft. Täter finden sich in allen gesellschaftlichen Gruppen und Milieus und damit praktisch zwangsläufig auch unter Arbeitnehmern. Eine Straftat, begangen durch einen Arbeitnehmer, wird das Arbeitsverhältnis meist überschatten und nachhaltig stören. Nicht nur das Verhältnis zu Vorgesetzten und Kollegen kann darunter leiden. Auch die Außendarstellung des Arbeitgebers ist unter Umständen gefährdet. Besonders in diesen Fällen führt für Arbeitgeber regelmäßig kein Weg an einer Kündigung vorbei. Der folgende Beitrag soll einen Überblick über die Besonderheiten der Kündigung wegen der Verwirklichung eines Straftatbestandes geben und für damit verbundene Problemfelder sensibilisieren.

Wann können Arbeitgeber zur Kündigung greifen?

Nicht jedes strafbare Verhalten eines Arbeitnehmers rechtfertigt den Ausspruch einer Kündigung. Entscheidend ist vor allem, ob die jeweilige Tat einen Bezug zum Arbeitsverhältnis aufweist. Zu unterscheiden ist zudem zwischen der verhaltensbedingten und der personenbedingten Kündigung, wobei der Schwerpunkt in der Praxis eindeutig auf ersterer liegt.

Das strafbare Verhalten

Die Begehung einer Straftat kann eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen. Die strafrechtliche Bewertung ist dabei nicht maßgebend. Der wichtige Grund für die Kündigung liegt nicht in der Straftat selbst, sondern vielmehr in der Störung des Vertrauensverhältnisses.
Wenig überraschend ist in ständiger Rechtsprechung des BAG anerkannt, dass Vermögens- und Eigentumsdelikte zulasten des Arbeitgebers auch ohne vorherige Abmahnung regelmäßig eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Dasselbe gilt für Vermögensdelikte, die gegenüber Kunden des Arbeitgebers oder Arbeitskollegen verwirklicht werden.

Auch der Konsum illegaler Drogen während der Arbeitszeit und der damit verbundene Verstoß gegen die Strafvorschriften des Betäubungsmittelgesetzes kann eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, wie das LAG Niedersachsen jüngst feststellte (LAG Niedersachsen 4 Sa 446/23). Der Kläger stand unter dem dringenden Verdacht, während der Arbeitszeit und in den Räumlichkeiten seines Arbeitgebers Kokain konsumiert zu haben.

Die vorbenannten Taten haben gemeinsam, dass sie während der Arbeitszeit oder in einem direkten Bezug zur Arbeit begangen wurden. Schwierig wird es dann, wenn die Straftat außerbetrieblich und fernab der Arbeitszeit verwirklicht wird. Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis finden hier nur wenig bis gar keinen Raum. Dennoch ist der Arbeitnehmer auch in seiner Freizeit zur Rücksichtnahme auf die Rechte und Interessen seines Arbeitgebers verpflichtet. Bei außerdienstlichem Verhalten ist deshalb stets im Einzelfall zu prüfen, ob mit der Verwirklichung der Straftat auch eine konkrete Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses einhergeht. Davon ist auszugehen, wenn das Verhalten einen Bezug zum Arbeitsverhältnis und dessen Vertrauensgrundlage aufweist oder negative Auswirkungen auf den Betrieb hat.

So sind Tätlichkeiten gegenüber Arbeitskollegen, die außerhalb des Betriebs und außerhalb der Arbeitszeit erfolgen, an sich geeignet, eine Kündigung des Arbeitnehmers zu rechtfertigen. Eine innerbetriebliche Auswirkung wird bei einer solchen Auseinandersetzung stets gegeben sein.

Ein Zusammenhang zum Arbeitsverhältnis ist auch dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer die Straftat zwar außerbetrieblich, aber unter Nutzung von betrieblichen Einrichtungen oder betriebsinternen Informationen begangen hat. Beispielsweise der angestellte Steuerberater, der ihm bekannt gewordene Geschäftsgeheimnisse nutzt, um auf dem Aktienmarkt mit Insiderwissen zu „spekulieren“.

Welche Begründungsschwierigkeiten die Kündigung wegen außerdienstlichem Verhalten des Arbeitnehmers mit sich bringt, zeigte sich jüngst rund um das äußerst medienpräsente „Sylt-Video“. Auch hier stellte sich die Frage, ob der erforderliche Bezug zum Arbeitsverhältnis hergestellt werden kann. Die Meinungen gingen weit auseinander. Dass einige gute Argumente für eine kündigungsrelevante Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses sprechen, haben wir in unserem Blogbeitrag vom 27.5.2024 beleuchtet.

Die Person des Straftäters

In einigen Fällen kann die Begehung einer Straftat auch zu einer personenbedingten Kündigung führen. Das ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer in Folge der Verwirklichung der Straftat die persönliche Eignung oder Fähigkeit verliert, die er zur Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung benötigt. Ein gängiges Beispiel ist der Kraftfahrer, dem aufgrund eines Straßenverkehrsdeliktes der Führerschein entzogen wird.

Auch Sicherheitsbedenken in Folge strafbaren Verhaltens können eine Kündigung rechtfertigen. Etwa, wenn der Arbeitnehmer in einem sicherheitsrelevanten Bereich arbeitet und die erforderliche Sicherheitsprüfung aufgrund des gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens negativ ausfällt.

Denkbar wäre auch, dass der Arbeitnehmer aufgrund einer verhängten Freiheitsstrafe oder Untersuchungshaft schlicht nicht mehr zur Arbeit erscheinen kann. Ob dies eine personenbedingte Kündigung rechtfertigt, ist wie immer im Einzelfall zu prüfen. Zu berücksichtigen sind hierbei vor allem die Dauer der Haft und das Ausmaß der betrieblichen Auswirkungen.

Die Tat

Aber auch wenn ein Bezug zum Arbeitsverhältnis besteht, rechtfertigt nicht jede Straftat den Ausspruch einer (außerordentlichen) Kündigung. Zu berücksichtigen sind stets die Schwere der Tat und ihre Auswirkungen.

So dürfte die sogenannte „Emmely-Entscheidung“ (Bundesarbeitsgericht 2 AZR 541/09 ) vielen ein Begriff sein. Der Fall betraf eine Kassiererin, die einen ihr nicht gehörenden Pfandbon (Wert 1,30 €) zum eigenen Vorteil eingelöst hat und daraufhin außerordentlich gekündigt wurde. Das BAG stellte zunächst klar, dass rechtswidrige und vorsätzliche Handlungen des Arbeitnehmers, die sich unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers richten, auch dann einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen können, wenn die Straftat nur Sachen von nur geringem Wert betrifft oder nur zu einem geringfügigen, möglicherweise gar keinem Schaden geführt hat. Dennoch gelangte das BAG im Rahmen der Interessenabwägung letztlich zur Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung. Der Arbeitgeber hätte zuvor eine Abmahnung aussprechen müssen. Begründet wurde dies neben dem geringen Wert des Pfandbons mit der über 31 Jahre andauernden beanstandungsfreien Beschäftigung der Kassiererin.

Der Verdacht

Eine (außerordentliche) Kündigung kann auch schon bei bloßem Verdacht der Begehung einer Straftat gerechtfertigt sein.

Bei der Verdachtskündigung stützt sich der Arbeitgeber nicht auf die Tat selbst, sondern allein auf den Vertrauensverlust, der bereits mit dem Verdacht einhergehen kann. Erforderlich ist, dass der Verdacht objektiv auf bestimmten Tatsachen beruht. Außerdem muss der Verdacht dringend sein, sodass Indizien für eine große Wahrscheinlichkeit sprechen, dass der Arbeitnehmer die Straftat tatsächlich begangen hat. Im Falle der Verdachtskündigung ist der Arbeitnehmer stets vorher zu den Vorwürfen (in der Regel innerhalb einer Woche) anzuhören. In der Praxis ist es üblich, eine Tat- und hilfsweise zusätzlich eine Verdachtskündigung auszusprechen. Für den Fall, dass sich die Tat nicht beweisen lässt, kann dann auf den Verdacht zurückgegriffen werden.

Wann muss gehandelt werden?

In den meisten Fällen wird die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses das geeignete Mittel darstellen. Wie bei jeder außerordentlichen Kündigung ist auch hier die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB zu berücksichtigen. Demzufolge kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen nach dem Zeitpunkt ausgesprochen werden, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Wann „die Kenntnis“ vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls und regelmäßig Gegenstand rechtlicher Auseinandersetzungen.

Bei strafbaren Handlungen des Arbeitnehmers gilt zudem folgende Besonderheit: Verbleiben Unsicherheiten, kann der Arbeitgeber den Aus- oder Fortgang des Ermittlungs- oder Strafverfahrens abwarten und in dessen Verlauf zu einem nicht willkürlich gewählten Zeitpunkt kündigen. Nicht willkürlich ist der Zeitpunkt etwa dann, wenn neue Tatsachen bekannt oder neue Beweismittel eingebracht werden, die den Verdacht der Tatbegehung verstärken. Wartet der Arbeitgeber das Ergebnis des Strafverfahrens ab, so wird die Ausschlussfrist jedenfalls dann gewahrt, wenn der Arbeitgeber die außerordentliche Kündigung binnen zwei Wochen seit Kenntniserlangung von der Tatsache der Verurteilung ausspricht. Eine bereits ausgesprochene (Verdachts-)Kündigung hindert den Arbeitgeber nicht daran, aufgrund der neuen Umstände eine erneute (Tat-)Kündigung auszusprechen.

Ruhe bewahren

Oft werden Arbeitgeber von dem Impuls getrieben, das Arbeitsverhältnis unbedingt schnell und in der Regel außerordentlich zu beenden. Besonders die drohende Ausschlussfrist verstärkt häufig diesen Wunsch. Dennoch sollte nicht überstürzt gehandelt werden. Denn ist die Kündigung einmal in der Welt, lässt sich vieles nicht mehr „geraderücken“. Deshalb gilt es, Ruhe zu bewahren, den Sachverhalt gründlich zu ermitteln, Beweismittel zu sichern und erst dann eine fundierte Entscheidung zu treffen.

Fabio Aru

Rechtsanwalt

Associate
Fabio Aru berät und vertritt nationale und internationale Unternehmen in sämtlichen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Neben der Führung von Kündigungsrechtsstreitigkeiten berät er seine Mandanten im Bereich des Betriebsverfassungsrechts sowie in der Vertragsgestaltung.
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