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„Vertretung“ als Sachgrund für eine wirksame Befristung auch dann, wenn die Vertretung selbst ausfällt?

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Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist laut Gesetz u.a. dann zulässig, wenn sie zur „Vertretung eines anderen Arbeitnehmers“ erfolgt. Insoweit ist durch die Rechtsprechung bereits in zahlreichen Urteilen konkretisiert worden, welche Voraussetzungen für die Annahme dieses Sachgrundes erfüllt sein müssen. Mit Urteil vom 12. Juni 2024 (Az.: 7 AZR 188/23) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) dazu Stellung genommen, wie es sich auf die Befristung auswirkt, wenn die für die Vertretung vorgesehene Arbeitskraft selbst während des gesamten Vertretungszeitraums krankheitsbedingt ausfällt.

Der Fall

Der Kläger war bei der Beklagten auf Grundlage eines bis zum 30. April 2022 befristeten Arbeitsvertrages als Paketzusteller beschäftigt. Kurz vor Ablauf dieser Befristung, am 23. April 2022, informierte der Kläger seinen Ansprechpartner bei der Beklagten darüber, dass er aufgrund eines Nabelbruchs im Krankenhaus sei, operiert werden müsse und daher zunächst ausfalle. Laut seiner Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung war der Kläger voraussichtlich bis einschließlich den 8. Mai 2022 arbeitsunfähig. Die Beklagte ließ dem Kläger daraufhin einen unter dem 27. April 2022 unterzeichneten Arbeitsvertrag zukommen, der vom 1. Mai 2022 bis zum 28. Mai 2022 befristet war. Als Befristungsgrund war die „Vertretung wegen vorübergehender Abwesenheit“ vier anderer Paketzusteller der Beklagten angegeben, welche in dem Befristungszeitraum nacheinander Urlaub hatten. Der Kläger fiel letztlich während des gesamten Zeitraums seines bis zum 28. Mai 2022 befristeten Arbeitsverhältnisses aus. Zwischen den Parteien blieb streitig, inwieweit der Kläger die Beklagte vor dem Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages über die Details seiner Erkrankung und deren voraussichtliche Dauer in Kenntnis gesetzt hatte.

Der Kläger war der Ansicht, der Befristungsgrund „Vertretung“ sei nur vorgeschoben gewesen. Die Beklagte habe von Anfang an gewusst, dass er für die ganze Dauer des befristeten Vertrags krankheitsbedingt ausfallen werde und daher als Vertretung nicht in Frage komme. Die Befristung sei daher unwirksam gewesen und das Arbeitsverhältnis habe nicht aufgrund der Befristung geendet. Die Beklagte argumentierte hingegen, bei Abschluss des Arbeitsvertrages Ende April habe nicht festgestanden, dass der Kläger während der gesamten Dauer der Befristung krankheitsbedingt abwesend sein würde. Die Befristung sei daher wirksam.

Das BAG gab im Ergebnis der Beklagten Recht. Der Sachgrund der „Vertretung“ sei in dem konkreten Fall nicht vorgeschoben gewesen und die Befristung daher wirksam.

Voraussetzungen für eine wirksame Befristung aufgrund „Vertretung“

Der Befristung eines Arbeitsvertrages muss in der Regel ein Sachgrund zugrunde liegen. Sachgrundlose Befristung ist nur sehr eingeschränkt möglich. Das Gesetz gibt in § 14 Teilzeitbefristungsgesetz (TzBfG) (wenn auch nicht abschließend) mögliche Sachgründe vor.

Gem. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG liegt ein Sachgrund für eine Befristung insbesondere dann vor, wenn „der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird“. Nach dem BAG liegt der Grund für die Befristung in diesen Fällen darin, dass der/die Arbeitgeber/in bereits zu einer vorübergehend ausfallenden Person in einem Rechtsverhältnis steht und mit der Rückkehr dieser Person rechnet. Für den Einsatz der Vertretungskraft, die die Aufgaben der ausfallenden Person übernehmen soll, besteht in diesen Fällen daher von vornherein nur ein zeitlich begrenztes Bedürfnis.

Aus diesem Grund setzt der Befristungsgrund der Vertretung nach ständiger Rechtsprechung des BAG voraus, dass ein Kausalzusammenhang zwischen dem zeitweiligen Ausfall der vertretenen Person und der Einstellung der Vertretungskraft vorliegt. Das bedeutet, es muss sichergestellt sein, dass die Vertretungskraft gerade wegen des nur vorübergehenden Beschäftigungsbedarfs eingestellt worden ist; der Bedarf für die Beschäftigung der Vertretung muss also auf die Abwesenheit der ausfallenden Person zurückzuführen sein.

Mit diesen strengen Anforderungen will das BAG vermeiden, dass Arbeitgeber/innen den Sachgrund der Befristung nur vorschieben, um Arbeitskräfte ohne einen tatsächlich vorliegenden Befristungsgrund dennoch befristet einstellen zu können.

In Fällen, in denen die Vertretungsperson selbst ebenfalls ausfällt und somit gar nicht den vorübergehenden Beschäftigungsbedarf erfüllen kann, wird dieser Kausalzusammenhang daher genau geprüft. Das BAG hat in seinem Urteil vom 12. Juni 2024 ausgeführt, dass insoweit zwei Dinge entscheidend sind:

(1) Stand bei Vertragsschluss bereits fest, dass die Vertretungskraft während des gesamten Zeitraums der Vertretung die Arbeitsleistung nicht wird erbringen können, und (2) ist dies dem/der Arbeitgeber/in bei Vertragsschluss auch bekannt?

Wenn beides bejaht werden muss, kann der Sachgrund der Vertretung laut BAG vorgeschoben sein.

In dem am 12. Juni 2024 entschiedenen Fall ging das BAG jedoch davon aus, dass die Beklagte zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses – Ende April 2022 – keine Kenntnis von dem letztlich für den gesamten Vertretungszeitraum anhaltenden Ausfall des Klägers hatte. Denn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses lag bloß eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis einschließlich 8. Mai 2022 vor. Aus Sicht der Beklagten war darum nicht ausgeschlossen, dass der Kläger danach arbeiten könnte. Der Kläger hatte in der Folge zwar weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen eingereicht, aus denen hervorging, dass er auch für den weiteren Verlauf des Mai 2022 ausfallen würde; zudem hatte er seinen Ansprechpartner bei der Beklagten wohl auch ansatzweise über seinen Gesundheitszustand informiert. Entscheidend war aber nach Ansicht des BAG, dass die Beklagte im Zeitpunkt des Vertragsschlusses aufgrund der nur bis Anfang Mai 2022 reichenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht wusste, dass der Kläger für einen längeren Zeitraum ausfallen würde. Insoweit durfte sie nach Ansicht des BAG auch auf die in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung geäußerte ärztliche Prognose vertrauen und musste nicht aufgrund der zusätzlich vom Kläger übermittelten Informationen zu seinem Gesundheitszustand den Schluss ziehen, dass er auf jeden Fall den gesamten Monat Mai ausfallen werde.

Fazit

Wer eine Person befristet einstellen und sich dabei auf den Sachgrund der „Vertretung eines anderen Arbeitnehmers“ nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG berufen will, sollte bei Vertragsabschluss genau prüfen, ob der Vertretung Umstände wie bspw. eine längere krankheitsbedingte Abwesenheit der Vertretungsperson entgegenstehen. Relevant ist die sorgfältige Prüfung insbesondere deswegen, weil ein nur vorgeschobener „Vertretungs“-Sachgrund zur Unwirksamkeit der Befristung und damit letztlich zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis führen kann.

Auch darüber hinaus gilt es bei der Befristung von Arbeitsverhältnissen, sehr sorgfältig vorzugehen. Weshalb Arbeitgeber/innen insbesondere mit Blick auf die vom Gesetz geforderten Formvorschriften Vorsicht walten lassen müssen, lässt sich in unserem Blogbeitrag vom 6. Februar 2024 nachlesen.

Annika Hennewig

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Associate
Annika Hennewig berät und vertritt nationale und internationale Unternehmen in sämtlichen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Neben Restrukturierungsprojekten berät sie ihre Mandanten zudem in Kündigungsrechtsstreitigkeiten, im Bereich des Betriebsverfassungsrechts sowie in der Vertragsgestaltung.
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