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Nachvertragliche Wettbewerbsverbote in der Leiharbeit (Teil 1)

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Leiharbeit dient schon längst nicht mehr nur dem Ausgleich von Saisonspitzen. Viele Unternehmen nutzen die Arbeitnehmerüberlassung, um einen vorübergehenden Bedarf an hoch spezialisierten Fachkräften abzudecken – oder im Falle ausländischer Arbeitgeber ohne inländische Präsenz, um mittels eines „Employer of Record“ geeignete Ressourcen einzustellen und einzusetzen. In all diesen Fällen stellt sich die Frage, wie der Entleiher nach Abschluss der Überlassung verhindern kann, dass der Leiharbeitnehmer das erworbene Know-how zugunsten eines Konkurrenten einsetzt.

Vereinbarung zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer

Eine Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots im Sinne der §§ 74 ff. HGB in dem Arbeitsvertrag zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer ist eher unüblich. Wird es dennoch vereinbart, sollten folgende rechtliche Hürden beachtet werden:

Vereinbaren Verleiher und Leiharbeitnehmer, dass letzterer nach seinem Einsatz bei dem Entleiher für einen bestimmten Zeitraum nicht für Konkurrenten des Entleihers tätig werden darf, fehlt es regelmäßig an dem für die Verbindlichkeit des Wettbewerbsverbots erforderlichen berechtigten geschäftlichen Interesse nach 74a Abs. 1 S. 1 HGB: Ein derartiges vereinbartes nachvertragliches Wettbewerbsverbot dient weder dem Schutz vor der Weitergabe von Betriebsgeheimnissen noch vor der Nutzung des Lieferanten- und Kundenstamms des Verleihers zu Wettbewerbszwecken. In der Folge ist das Wettbewerbsverbot für den Leiharbeitnehmer unverbindlich.
9 Abs. 1 Nr. 4 AÜG führt zur Unwirksamkeit von Vereinbarungen, die dem Leiharbeitnehmer untersagen, zu dem Entleiher zu einem Zeitpunkt, in dem das Arbeitsverhältnis zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer nicht mehr besteht, ein Arbeitsverhältnis einzugehen. Mit dieser Norm will der Gesetzgeber den sog. Klebeeffekt schützen, also ermöglichen, dass sich die Leihe zu einem Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher weiterentwickelt. Diese Unwirksamkeitsfolge kann auch nicht durch Zahlung einer Karenzentschädigung nach § 74 Abs. 2 HGB gelöst werden.

Praxistipp: Die Klausel zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot muss eine Rückausnahme i.S.d. 9 Abs. 1 Nr. 4 AÜG enthalten, also den Klebeeffekt schützen. Anderenfalls droht das ganze nachvertragliche Wettbewerbsverbot mindestens unverbindlich, wenn nicht sogar unwirksam zu werden.

Zudem schützt ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot den Verleiher vor Konkurrenz des Leiharbeitnehmers. Der Leiharbeitnehmer darf also nach Ende seines Arbeitsverhältnisses mit dem Verleiher nicht für andere Verleiharbeitgeber tätig werden. Inwiefern das einer Tätigkeit für Konkurrenten des Entleihers entgegensteht, sollte im Einzelfall geprüft werden. Regelmäßig dürfte vom nachvertraglichen Wettbewerbsverbot nur die Tätigkeit für andere Verleiharbeitgeber umfasst sein, nicht auch für Konkurrenten des Entleihers.

Praxistipp: Bewegt sich der Verleiharbeitgeber in einer ähnlichen Branche, wie die Entleiher, können über den Anwendungsbereich des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots auch Entleiher in den Schutzbereich des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots aufgenommen werden. Das gilt besonders, wenn das Leiharbeitsverhältnis zu einem Unternehmen besteht, das nicht ausschließlich als Verleiher am Markt auftritt.

Zuletzt besteht in dieser Konstellation für den Entleiher als derjenigen Partei, die das größte Interesse an dem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot hat, das Risiko, dass sich der Leiharbeitnehmer durch schriftliche Erklärung von dem mit dem Verleiher vereinbarten Wettbewerbsverbot lossagt. Diese Möglichkeit besteht immer dann, wenn für den Leiharbeitnehmer ein außerordentlicher Kündigungsgrund wegen vertragswidrigen Verhalten des Verleihers vorliegt und der Leiharbeitnehmer in der Folge das Arbeitsverhältnis zumindest ordentlich kündigt. Auf das Verhalten des Verleihers hat der Entleiher jedoch keinen Einfluss, sodass eine solche Konstellation für den Entleiher mit erheblichen Unsicherheiten verbunden ist.

Für den Verleiher besteht für die Aufnahme einer entsprechenden Klausel selten ein wirtschaftlicher Anreiz, insbesondere wegen der Pflicht zur Karenzentschädigung im Sinne des 74 Abs. 2 HGB. Zudem verringern nachvertragliche Wettbewerbsverbote die Attraktivität des Leiharbeitsverhältnisses. Entscheiden sich spezialisierte Fachkräfte für eine Tätigkeit als Leiharbeitnehmer, steht dahinter häufig der Wunsch nach besonders hoher Mobilität am Arbeitsmarkt. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote schränken die Mobilität am Arbeitsmarkt bewusst ein.

Praxistipp: Eine Erhöhung der Karenzentschädigung über den gesetzlichen Regelbetrag von 50 % der zuletzt bezogenen Einkünfte kann das nachvertragliche Wettbewerbsverbot attraktiver machen. Auch ein Verzicht auf die – ohnehin kompliziert durchsetzbare – Anrechnung anderweitigen Verdienstes auf die Karenzentschädigung ( 74c HGB) erhöht die Akzeptanz des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots.

Vereinbarung zwischen Entleiher und Verleiher

Grundsätzlich könnten Entleiher und Verleiher zwar in einem Rahmenvertrag vereinbaren, dass die dem Entleiher überlassenen Leiharbeitnehmer nach Beendigung der Überlassung für einen bestimmten Zeitraum nicht an einen Konkurrenten verliehen werden dürfen. Die Praxistauglichkeit einer derartigen Vereinbarung ist allerdings zu bezweifeln.

Für den Verleiher ist eine solche wirtschaftlich nicht attraktiv, da sie die nachfolgenden Einsatzmöglichkeiten des Leiharbeitnehmers beschränkt. Damit verbunden ist das wirtschaftliche Risiko des Verleihers, der dem Leiharbeitnehmer auch dann die vertraglich geschuldete Vergütung zahlen muss, wenn er keine geeignete Einsatzmöglichkeit für den Leiharbeitnehmer bei einem Entleiher findet.

Praxistipp: Entleiher und Verleiher müssen daher eine solche Vereinbarung im Einzelfall aushandeln. Die Attraktivität für den Verleiher kann dabei gesteigert werden, indem die Parteien eine Gegenleistung, etwa in Form einer Kompensationszahlung oder einer erhöhten Vergütung für das Entleihen, vereinbaren.

Weiterhin kann der Leiharbeitnehmer nach Beendigung der Überlassung das Leiharbeitsverhältnis mit dem Verleiher kündigen mit der Folge, dass er nach Ablauf der Kündigungsfrist mangels für ihn geltender Wettbewerbsvereinbarung frei seine nachfolgende Tätigkeit wählen kann.

Praxistipp: Diesem Risiko kann durch eine lange Kündigungsfrist kombiniert mit einer Vertragsstrafe begegnet werden. Dabei ist wiederum zu berücksichtigen, dass die Kündigungsfrist für den Leiharbeitnehmer nicht länger sein darf als für den Verleiher (§ 622 Abs. 6 BGB) und zudem die Grenzen der möglichen Verlängerung von Kündigungsfristen im Blick behalten werden müssen. Eine Verlängerung der Kündigungsfrist ist allerdings für den Leiharbeitnehmer im Hinblick auf seinen Wunsch nach Mobilität nur eingeschränkt attraktiv.

Selbiges gilt auch für den Fall, dass der Verleiher das Leiharbeitsverhältnis zu dem Leiharbeitnehmer kündigt.

Praxistipp: Verleiher und Entleiher können sich insoweit zwar auf ein Kündigungsverbot des Verleihers für einen bestimmten Zeitraum verständigen. Aufgrund der nur sehr bedingten Attraktivität für den Verleiher wird dies in aller Regel jedoch nur in besonderen Einzelfällen in Betracht kommen. Ist dies ausnahmsweise der Fall, ist § 9 Abs. 1 Nr. 3 AÜG Rechnung zu tragen, wonach die Einstellung des Leiharbeitnehmers wesentlich untersagende Vereinbarungen in Bezug auf den Entleiher zur Unwirksamkeit derselben führen. Dementsprechend muss die Verlängerungsklausel eine entsprechende Rückausnahme beinhalten, um den Klebeeffekt zu schützen.

Clara Luise Hadji

Rechtsanwältin

Associate
Clara Luise Hadji berät und vertritt nationale und internationale Unternehmen sowie Führungskräfte in sämtlichen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Neben Restrukturierungsprojekten berät sie ihre Mandanten zudem in Kündigungsrechtsstreitigkeiten, im Bereich des Betriebsverfassungsrechts sowie in der Vertragsgestaltung.
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