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Neues zum Fachkräfte­einwanderungs­gesetz

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Die am 16.08.2023 beschlossenen Änderungen des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes treten seit dem 18.11.2023 stufenweise in Kraft („Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung“). Durch das Gesetz sollen die Fachkräftegewinnung in Deutschland erleichtert und bürokratische Hürden abgebaut werden. Es beinhaltet u.a. Änderungen im Aufenthaltsgesetz (AufenthG) und in der Beschäftigungsverordnung (BeschV). Wir geben einen Überblick über bereits Ende 2023 in Kraft getretene Neuerungen und einen Ausblick auf weitere Gesetzesänderungen zum 01.06.2024.

Gesetzesänderungen seit dem 18.11.2023 – Welche Neuerungen gelten bereits?
1. Blaue Karte EU – § 18g AufenthG

Die Blaue Karte EU hat in § 18g AufenthG eine neue eigenständige Regelung erhalten, wir berichteten bereits vor Inkrafttreten hier. Unter anderem wurde die Gehaltsschwelle für die Erteilung gesenkt – künftig muss das Bruttogehalt nur noch 50 % (vorher mindestens: 2/3) der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung betragen (die 2024 bei 90.600 EUR liegt). Auch muss bei einem Arbeitsplatzwechsel nicht mehr die Erlaubnis der Ausländerbehörde eingeholt werden.

2. Mobilitätserleichterung für Inhaber der Blauen Karte EU eines anderen EU-Mitgliedstaats

Die Mobilität innerhalb der EU wurde für Inhaber einer Blauen Karte EU eines anderen EU-Mitgliedstaats durch die neue Regelung in § 18h Abs. 1 AufenthG erleichtert. Für Aufenthalte zum Zweck der Ausübung geschäftlicher Tätigkeiten und Aufenthalte, die im direkten Zusammenhang mit den Pflichten aus dem Arbeitsvertrag stehen, welcher Grundlage für die Erteilung der Blauen Karte EU war, ist kein Aufenthaltstitel bzw. keine Arbeitserlaubnis der Bundesagentur für Arbeit erforderlich, wenn die Aufenthaltsdauer 90 Tage innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen nicht überschreitet.

Daneben wurde auch die langfristige Mobilitätsregelung im neuen § 18i Abs. 1 AufenthG aufgenommen. Wenn sich der Inhaber einer Blauen Karte EU – ausgestellt in einem anderen EU-Mitgliedstaat – mindestens zwölf Monate rechtmäßig in diesem Mitgliedstaat der EU aufgehalten hat, kann, bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen, eine Blaue Karte EU nach § 18g AufenthG erteilt werden.

3. Herabsenkung der Schwellen zur Erlangung einer Niederlassungserlaubnis als dauerhaften Aufenthaltstitel

Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis als Fachkraft können nun statt nach vier Jahre schon nach drei Jahren nach deren Erlangung eine Niederlassungserlaubnis erhalten, § 18c Abs. 1 AufenthG. Die sonstigen Erteilungsvoraussetzungen müssen jedoch weiterhin erfüllt werden, wie z.B. ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache. Inhaber einer Blauen Karte EU erhalten unter den Voraussetzungen des § 18c Abs. 2 AufenthG schon nach 27 Monaten der Beschäftigung eine Niederlassungserlaubnis; bei ausreichenden Deutschkenntnissen sind es 21 Monate.

4. Einreise mit berufspraktischer Erfahrung und anerkanntem Abschluss

Personen aus Drittstaaten können bereits dann in Deutschland arbeiten, wenn sie mindestens zwei Jahre Berufserfahrung und einen im Herkunftsland staatlich anerkannten Berufs- oder Hochschulabschluss haben, § 19c Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 6 BeschV. Der Berufsabschluss muss nicht mehr in Deutschland anerkannt sein. Das vom Arbeitgeber zu zahlende Mindestgehalt muss 45% der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung betragen. Ist der Arbeitgeber tarifgebunden und vergütet er die ausländische Arbeitskraft nach Tarif, gilt die Mindestgehaltsgrenze nicht.

5. Anerkennung ausländischer Berufsqualifikation und Anerkennungspartnerschaft

Bei Berufen, bei denen die Berufsqualifikation weiterhin in Deutschland anerkannt werden muss – wie etwa in vielen Gesundheits- oder Pflegeberufen –, kann das Anerkennungsverfahren nun auch erst nach Einreise des Arbeitnehmers nach Deutschland begonnen werden, wenn die Fachkraft und der Arbeitgeber eine sog. Anerkennungspartnerschaft abschließen, § 16d Abs. 3 Nr. 3 AufenthG i.V.m. § 2a BeschV. Damit verpflichten sie sich, das Anerkennungsverfahren zeitnah nach Einreise anzustoßen. Bisher musste es vor der Einreise im Ausland beantragt und durchlaufen werden.

6. Saisonkräfte – kurzzeitige kontingentierte Beschäftigung

In § 15d BeschV wurde die kurzzeitige kontingentierte Beschäftigung geregelt – interessant für (tarifgebundene) Arbeitgeber, die Bedarf für Saisonkräfte haben. Hierdurch können Drittstaatsangehörige unabhängig von ihrer Qualifikation beschäftigt werden. Im Rahmen eines durch die Bundesagentur für Arbeit festgelegten Kontingents können Arbeitgeber eine Arbeitserlaubnis oder eine Zustimmung zu einem Aufenthaltstitel für Arbeitskräfte aus dem Ausland beantragen. Diese wird erteilt, wenn

  • der Arbeitgeber tarifgebunden ist und die Arbeitskräfte nach den geltenden tariflichen Arbeitsbedingungen beschäftigt sind,
  • der Arbeitgeber sich dazu verpflichtet, die erforderlichen Reisekosten vollständig zu übernehmen,
  • die geplante Beschäftigung acht Monate innerhalb von 12 Monaten nicht überschreitet und
  • die wöchentliche Arbeitszeit mindestens 30 Stunden beträgt – das heißt, geringfügige Beschäftigungen sind nicht zulässig.

Die Bundesagentur für Arbeit hat aktuell ein jährliches bedarfsorientiertes Kontingent von 25.000 Zustimmungen festgesetzt. Ausgeschlossen sind Saisonbeschäftigungen, für die in der jeweils geltenden Umsetzung des § 15a BeschV ein Arbeitsmarktzugang eröffnet ist, also aktuell Erntehelfer in der Landwirtschaft. Diese Festlegung kann die Bundesagentur für Arbeit entsprechend dem arbeitsmarktlichen Bedarf jederzeit anpassen.

7. Gründerstipendien

Eine Aufenthaltserlaubnis für einen Aufenthalt zur Gründung eines Unternehmens kann nach der neuen Regelung des § 21 Abs. 2b AufenthG erteilt werden. Voraussetzung ist, dass

  • der Ausländer eine Fachkraft ist und
  • ihm zur Vorbereitung der Gründung eines Unternehmens ein den Lebensunterhalt sicherndes Stipendium einer deutschen Wirtschaftsorganisation oder einer deutschen öffentlichen Stelle aus öffentlichen Mitteln gewährt wird.

Die Aufenthaltserlaubnis wird für die Dauer des gewährten Stipendiums erteilt, höchstens jedoch für 18 Monate.

8. Beschäftigung von Studierenden

Studierende, die eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Vollzeitstudiums an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule oder einer vergleichbaren Bildungseinrichtung besitzen, können künftig eine Nebenbeschäftigung statt an 120 vollen oder 240 halben nunmehr an 140 vollen oder 280 halben Arbeitstagen ausüben, § 16b Abs. 3 AufenthG. Die neu formulierte Regelung des § 17 Abs. 3 AufenthG ermöglicht es außerdem nunmehr auch Studienplatzbewerbern, eine Beschäftigung von bis zu 20 Stunden pro Woche auszuüben und Probebeschäftigungen von bis zu insgesamt zwei Wochen zu absolvieren. Bisher war dies nicht erlaubt.

Gesetzliche Neuerungen ab dem 01.06.2024

Die nächste Stufe des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes tritt zum 01.06.2024 in Kraft. Neu ist eine Chancenkarte zur Arbeitssuche (§§ 20a, 20b AufenthG n.F.). Dabei handelt es sich um eine Aufenthaltserlaubnis zur Suche nach einer Erwerbstätigkeit oder Maßnahmen zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen. Mit der Chancenkarte können also Personen aus Nicht-EU-Staaten nach Deutschland einreisen, um sich eine geeignete Arbeitsstelle zu suchen. Sie müssen dafür keinen festen Arbeitsvertrag vorweisen.

Wer kann eine Chancenkarte erhalten?

Die Erteilung der Chancenkarte steht im Ermessen der Behörde. Sie kann erteilt werden

  • an Personen mit Eigenschaft als Fachkraft i. S. d. 18 Abs. 3 AufenthG (Fachkräfte-Chancenkarte) oder
  • bei Erfüllung einer bestimmten Punktezahl nach Maßgabe von 20b Abs. 1 AufenthG n. F. (Punkte-Chancenkarte).

Erforderlich ist stets, dass der Lebensunterhalt gesichert ist.

Die Punkte-Chancenkarte kann nach § 20a Abs. 4 S. 3 AufenthG nur erteilt werden, wenn der Ausländer über einen im Ausland erworbenen Berufsabschluss oder einen ausländischen Hochschulabschluss verfügt und mindestens einfache deutsche Sprachkenntnisse oder englische Sprachkenntnisse auf dem Niveau B2 nachweist. Die Punktvergabe für die Punkte-Chancenkarte erfolgt anhand von 12 Merkmalen, die in § 20b Abs. 1 AufenthG n. F. niedergelegt sind. Zu den Auswahlkriterien gehören Qualifikation, Deutsch- oder Englischkenntnisse, Berufserfahrung in bestimmten Berufsgruppen, Deutschlandbezug, Alter und mitziehende Lebens- oder Ehepartner.

Die Bewertung der Punkte selbst bemisst sich anhand einer in der Anlage des Gesetzes enthaltenen Tabelle (vgl. BGBl. I 2023 Nr. 217, S. 20). Bewerber müssen mindestens 6 Punkte erzielen, um sich für die Chancenkarte zu qualifizieren. Maximalpunktzahl sind 15 Punkte.

Die Erteilung erfolgt zunächst für einen Zeitraum von bis zu einem Jahr (Such-Chancenkarte). Eine Verlängerung ist um bis zu zwei Jahre möglich, wenn der Ausländer einen Arbeitsvertrag oder ein verbindliches Arbeitsplatzangebot für eine inländische qualifizierte Beschäftigung hat und die Bundesagentur für Arbeit zustimmt (Folge-Chancenkarte).

Ayse Gül Bozok


Rechtsanwältin
Associate
Ayse Gül Bozok berät und vertritt nationale und internationale Unternehmen in sämtlichen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Ihr Schwerpunkt liegt dabei im Betriebsverfassungsrecht, der Führung von Kündigungsrechtsstreitigkeiten sowie der Vertragsgestaltung. Ayse Gül Bozok berät und vertritt nationale und internationale Unternehmen in sämtlichen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Ihr Schwerpunkt liegt dabei im Betriebsverfassungsrecht, der Führung von Kündigungsrechtsstreitigkeiten sowie der Vertragsgestaltung.
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