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Kleidung im Arbeitsverhältnis: (Auch) die Farbe macht´s!

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Kleiderordnungen sind in vielen Arbeitsverhältnissen üblich. Manche Arbeitgeber schreiben ihren Beschäftigten positiv vor, in welcher Kleidung sie ihre Arbeitsleistung zu erbringen haben. Andere untersagen wiederum das Tragen bestimmter Kleidungsstücke. Aber auf welcher Grundlage beruhen solche Kleiderordnungen? Worauf sollten Arbeitgeber bei deren Aufstellung achten? Wie weit dürfen die Kleidungsvorgaben gehen und wovon hängt das zulässige Ausmaß ab? Und wie können Arbeitgeber reagieren, wenn sich Arbeitnehmer nicht an die Vorgaben halten? Dies soll im Folgenden skizziert werden:

Verschiedene mögliche Rechtsgrundlagen

Auch außerhalb bestimmter gefahrgeneigter Bereiche, in denen Arbeitnehmer ohnehin verpflichtet sind, eine bestimmte Schutzkleidung zu tragen (z.B. nach § 13 Abs. 3 S. 2 GefStoffV), können Arbeitgeber Kleiderordnungen aufstellen. Diese können sie gemeinsam mit dem Betriebsrat in einer Betriebsvereinbarung festlegen oder im Arbeitsvertrag mit dem Arbeitnehmer ausdrücklich vereinbaren. Fehlt es an einer expliziten Regelung, kann der Arbeitgeber Kleiderordnungen grundsätzlich auch einseitig aufstellen, indem er seinen Beschäftigten durch Ausübung seines Direktionsrechts vorschreibt, in welcher Kleidung sie ihre Arbeitsleistung (nicht) zu erbringen haben. Eine solche Weisung konkretisiert dabei regelmäßig die Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung selbst, zumindest aber die arbeitsvertraglichen Nebenpflichten.

Welche Anforderungen sind an die Wirksamkeit der Kleidungsvorgaben zu stellen?

Je nach Rechtsgrundlage der Kleidungsvorgabe gelten für die gerichtliche Überprüfung zwar verschiedene Kontrollmaßstäbe (z.B. § 75 Abs. 2 BetrVG, § 307 Abs. 1 BGB, § 106 S. 2 GewO, § 315 Abs. 1, 3 BGB). Im Kern kommt es jedoch stets auf eine umfassende Abwägung der jeweils wechselseitig betroffenen rechtlich geschützten Positionen an. Besondere Bedeutung haben dabei grundrechtliche Wertungen: Das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers gewährleistet auch während der Arbeitszeit die freie Gestaltung seines Äußeren etwa bei der Wahl seiner Bekleidung. Dem steht die von Art. 12 GG geschützte unternehmerische Betätigungsfreiheit des Arbeitsgebers gegenüber. Dieses Spannungsverhältnis ist unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aufzulösen. Jede Kleidungsvorgabe muss geeignet, erforderlich und angemessen sein, um den erstrebten legitimen Zweck zu erreichen. Dabei sind die Anforderungen an die Rechtfertigung umso strenger, je stärker die Kleidungsvorgabe den Arbeitnehmer in seiner Privatsphäre oder gar seiner Intimsphäre betrifft.

Worauf kommt es nun an? – Praxisbeispiele

Entscheidend kommt es stets auf eine umfassende Abwägung der konkreten Umstände des Einzelfalls an. Dabei spielt unter anderem die Art der Tätigkeit eine entscheidende Rolle: Hat der Arbeitnehmer Kundenkontakt? Übt er eine gefahrgeneigte Tätigkeit aus? Erfordert die Tätigkeit die Einhaltung eines besonderen Hygienestandards?

Jüngst hat etwa das LAG Düsseldorf (vom 21. Mai 2024 – 3 SLa 224/24) – wie der Pressemitteilung zu entnehmen ist – entschieden, dass ein Industriebetrieb gegenüber seinen in der Produktion tätigen Arbeitnehmern das Tragen rotfarbiger Arbeitsschutzhosen wirksam anordnen kann. Die Vorgabe einer bestimmten, während der Arbeitszeit zu tragenden Hosenfarbe berührt den Arbeitnehmer nur in der Sozialsphäre seines Persönlichkeitsrechts. Dieser Eingriff ist aus Gründen der Arbeitssicherheit gerechtfertigt, da die Signalfarbe Rot im gefahrenträchtigen Produktionsbereich die Sichtbarkeit der Arbeitnehmer erhöht. Außerdem hat der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an der Wahrung der Corporate Identity in den Werkshallen, hinter dem das ästhetische Empfinden des Arbeitnehmers betreffend seiner Hosenfarbe zurücktreten muss.

Bedenken bestehen hingegen, wenn Arbeitgeber ihren Beschäftigten beispielsweise vorschreiben, hautfarbene Unterwäsche zu tragen (siehe dazu bereits unseren Blog). Denn die Intimsphäre ist der Regelungsmacht des Arbeitgebers grundsätzlich entzogen. Außerdem dürfen Kleidungsvorgaben selbstverständlich nicht diskriminierend sein: So hat etwa das BAG (vom 30. September 2014 – 1 AZR 1083/12) die Betriebsvereinbarung einer Fluggesellschaft beanstandet, die nur männliche Flugzeugführer zum Tragen einer Cockpit-Mütze verpflichtete.

Was ist darüber hinaus noch zu beachten?

Besteht im Betrieb ein Betriebsrat, ist bei der Aufstellung einer Kleiderordnung insbesondere an Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zu denken. Nach der Rechtsprechung ist die Einführung einer Kleiderordnung etwa mitbestimmungspflichtig, wenn sie nicht primär der Konkretisierung der Arbeitspflicht dient, sondern die Anordnung einer einheitlichen Arbeitskleidung das äußere Erscheinungsbild und Image des Unternehmens fördern soll (BAG vom 13. Februar 2007 – 1 ABR 18/06). Im Übrigen hat der Arbeitgeber selbstverständlich auch den Gleichbehandlungsgrundsatz einzuhalten.

Wie kann ein Arbeitgeber auf die Nichteinhaltung der Kleidungsvorgaben reagieren? 

Sofern die Kleidungsvorgaben die skizzierten Grenzen einhalten, begründen beziehungsweise konkretisieren sie arbeitsvertragliche Pflichten. Weigert sich der Arbeitnehmer beharrlich, die vorgegebene Kleiderordnung einzuhalten, begeht er eine erhebliche Pflichtverletzung und riskiert unter Umständen den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses. Denn die Missachtung wirksamer Kleidungsvorgaben kann nach der Rechtsprechung durchaus – nach einer erfolglosen Abmahnung – eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen.

Bedeutung für die Praxis

Insgesamt zeigt sich, dass Arbeitgeber ihren Beschäftigten während der Dauer der Erbringung der Arbeitsleistung grundsätzlich die Einhaltung einer bestimmten Kleiderordnung vorschreiben können. Die Zulässigkeit der konkreten Ausgestaltung der Kleidungsvorgaben hängt dabei von den Umständen des Einzelfalls (z.B. Art der geschuldeten Arbeitsleistung) ab: So ist die Anordnung roter Arbeitskleidung bei gefahrgeneigten Tätigkeiten als Signalfarbe eher zu rechtfertigen als beispielsweise bei Bürotätigkeiten ohne Kundenkontakt. Dennoch lässt sich generalisierend sagen, dass die berechtigten Interessen des Arbeitgebers in der Regel überwiegen, solange die Kleidungsvorgabe den Arbeitnehmer nur in der Sozialsphäre seines Persönlichkeitsrechts betrifft und sich im üblichen Rahmen der unternehmerischen Betätigung bewegt. Nicht nur mit Blick auf die Akzeptanz in der Belegschaft sind Arbeitgeber gut beraten, ihre Kleidungsvorgaben an den aufgezeigten Maßstäben auszurichten.

Niklas Matschiner

Rechtsanwalt

Associate
Niklas Matschiner berät und vertritt nationale und internationale Unternehmen in sämtlichen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Neben der Führung von Kündigungsrechtsstreitigkeiten berät er seine Mandanten im Bereich des Betriebsverfassungsrechts sowie in der Vertragsgestaltung.
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