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Die interne Meldestelle nach dem Hinweisgeberschutzgesetz – welche Rechte hat der Betriebsrat?

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Das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) verpflichtet Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten zur Einrichtung einer Meldestelle. Bereits beleuchtet haben wir die wichtigsten FAQ zum HinSchG (Teil 1 und Teil 2) und die Reichweite des Schutzes für Hinweisgeber.

Heute geben wir Tipps zum Umgang mit dem Betriebsrat bei der Einrichtung der internen Meldestelle: In welchen Angelegenheiten ist der Betriebsrat einzubeziehen und was dürfen Arbeitgeber frei entscheiden? Kann ein Betriebsratsmitglieder Teil der Meldestelle sein? Mit diesen und weiteren Fragestellungen gilt es sich spätestens seit Dezember 2023 auseinanderzusetzen.

1. Pflicht zur Einrichtung einer internen Meldestelle

Nach § 12 HinSchG besteht die Pflicht zur Einrichtung einer Meldestelle für Unternehmen ab 50 Beschäftigten. Diese Regelung trifft ab dem 17. Dezember 2023 auch Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten (§ 42 Abs. 1 HinSchG).

Bei Verstößen gegen diese Pflicht drohen Bußgelder bis zu 20.000 Euro.

2. Betriebsratsbeteiligung bei Einrichtung der Meldestelle

Über das „Ob“ der Einrichtung, also über die Frage, ob überhaupt eine Meldestelle eingerichtet werden muss, besteht kein Mitbestimmungsrecht. Weil der Arbeitgeber hierzu bereits gesetzlich verpflichtet ist, könnte ein Initiativrecht des Betriebsrats ohnehin keine Veränderung herbeiführen. Aus diesem Grund gibt es keinen Anlass für ein solches Mitbestimmungsrecht.

Spannender gestaltet sich die Frage, inwieweit Betriebsräte bei der konkreten Umsetzung mitbestimmen dürfen:

Dies wäre der Fall, wenn die Einrichtung einer Meldestelle unter § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG fällt, es also um Fragen der „Ordnung des Betriebs“ oder des „Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb“ geht. Dieses Mitbestimmungsrecht ist einschlägig bei Regelungsgegenständen, die das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer regeln sollen. Davon abzugrenzen sind Regelungen und Weisungen, die die Arbeitspflicht unmittelbar konkretisieren (sog. Arbeitsverhalten). Diese wären nicht mitbestimmungspflichtig.

Ein Großteil der bei der Meldestelle eingehenden Meldungen dürfte sich wohl im weitesten Sinne auf das Arbeitsverhalten beziehen. Dass diese Tatsache jedoch zur Folge hätte, dass Aufbau und Organisation der Meldestelle an sich nicht mitbestimmungspflichtig sind, ist keinesfalls zwingend – und könnte alsbald auch die ersten Arbeitsgerichte beschäftigen.

Arbeitgeber sind gut beraten, den sicheren Weg zu gehen und den zuständigen Betriebsrat in die Ausgestaltung der Meldestelle einzubeziehen.

Abgesehen davon, dass auf diesem Weg die Akzeptanz in der Belegschaft erhöht werden kann und der juristisch sichere Weg gewählt wird, dürften die Regelungsinhalte ohnehin überschaubar sein. Schließlich macht das HinSchG bereits recht detaillierte Vorgaben zur konkreten Einrichtung der Meldestelle, z.B. wann eine Meldestellen einzurichten, was die Aufgaben der Meldestelle sind und wie Verfahren bei internen Meldungen zu verlaufen haben.

3. Personelle Besetzung der Meldestelle

Bei der Besetzung der internen Meldestellen steht es dem Arbeitgeber frei, welche Personen er mit der Aufgabe betraut. Einzige Voraussetzung ist gemäß § 15 Absatz 2 Satz 1 HinSchG die notwendige Fachkunde des gewählten Personals.

Hier besteht kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, so dass Arbeitgeber lediglich die üblichen Rechte – z.B. im Falle einer Versetzung – bei Individualentscheidungen berücksichtigen müssen.

Nicht ratsam ist es, ein Betriebsratsmitglied mit Aufgaben der internen Meldestelle zu betrauen oder gar den Betriebsrat selbst als interne Meldestelle fungieren zu lassen. Dies wäre nach der Konzeption des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) auch unzulässig, weil der Betriebsrat sonst in einen Interessenkonflikt geraten würde. Der Blick auf § 84 und § 85 BetrVG verdeutlicht diese Feststellung:

Nach § 84 Absatz 1 Satz 1 BetrVG haben Arbeitnehmer ein Recht auf Beschwerde bei den zuständigen Stellen. Eine solche Stelle könnte auch die interne Meldestelle sein. Nach § 84 Absatz 1 Satz 2 BetrVG dürfen Arbeitnehmer hierbei ein Mitglied des Betriebsrats zur Unterstützung hinzuziehen. Wäre nun der Betriebsrat selbst Teil der Meldestelle, wäre die Unterstützung durch den Betriebsrat nicht mehr möglich. Hinzu kommt, dass auch der Betriebsrat potenziell als Beschuldigter der Meldestelle in Betracht kommt. Damit wäre der Betriebsrat bereits nicht unabhängig iSd § 15 Absatz 1 Satz 1 HinSchG. Auch die sehr weite Ausprägung des HinSchG spielt hier eine Rolle: Das HinSchG umfasst nicht nur Rechte von Arbeitnehmern, sondern u.a. auch leitenden Angestellte, die mitunter teilweise Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen. Diese stehen typischerweise nicht im Lager des Betriebsrats.

Diese Grundsätze sind sowohl auf den Betriebsrat als Organ als auch auf einzelne Betriebsratsmitglieder anwendbar, so dass weder der Betriebsrat an sich als auch einzelne Betriebsratsmitglieder in der Meldestelle eingesetzt werden sollten.

4. Zusammenfassung

Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten müssen eine interne Meldestelle einrichten.

Bei der Frage der Gestaltung dieser Meldestelle sind die Vorgaben des HinSchG recht strikt. Dennoch sollte bei Detailfragen der Betriebsrat mit einbezogen werden. Dieser hat allerdings weder ein Initiativrecht bezüglich der Einrichtung einer Meldestelle noch besteht ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der personellen Besetzung. Ein Betriebsratsmitglied sollte nicht Teil der Meldestelle sein, schon gar nicht kann der Betriebsrat als Meldestelle fungieren.

Tobias Vößing

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Senior Associate
Tobias Vößing berät deutsche wie internationale Unternehmen und Führungskräfte in allen Fragen des Arbeitsrechts. Schwerpunkte bilden Arbeitsgerichtsprozesse und Vertragsgestaltungen sowie Fragen des Arbeitnehmerdatenschutzes. Außerdem unterstützt er seine Mandantschaft bei Kündigungsschutzverfahren, Umstrukturierungen und Outsourcing-Projekten.
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