Ein Mitglied des Betriebsrates, das mit einem grob betriebsverfassungswidrigen Verhalten „lediglich“ einen im Vorfeld gefassten Beschluss des Betriebsrats umsetzt, kann aus dem Betriebsrat ausgeschlossen werden. Der Arbeitgeber ist in diesem Fall nicht gehalten, die Auflösung des gesamten Gremiums des Betriebsrats beim Arbeitsgericht zu beantragen. Dies hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf in einem aktuellen Beschluss (LAG Düsseldorf v. 02.08.2023 – 4 TaBVGa 2/23) entschieden.
Die Sanktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers bei groben Pflichtverletzungen des Betriebsrats sind in § 23 Abs. 1 BetrVG geregelt. Der Arbeitgeber kann den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat oder die Auflösung des Betriebsrats beim Arbeitsgericht beantragen. Wie ist jedoch das Verhältnis zwischen diesen Sanktionsmöglichkeiten zu bewerten, wenn das Handeln des Betriebsratsmitglieds „lediglich“ der Umsetzung eines Beschlusses des Betriebsrats dient und die hiermit verbundene Pflichtverletzung gleichsam vom gesamten Gremium gebilligt wird? Kommt in diesem Fall lediglich eine Auflösung des gesamten Betriebsrats in Betracht, weil die Pflichtverletzung dem einzelnen Mitglied nicht zurechenbar ist? Oder darf der Arbeitgeber sich auf den Antrag auf Ausschluss einzelner Betriebsratsmitglieder beschränken, in der Hoffnung einer Verbesserung der künftigen Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat ohne das handelnde Betriebsratsmitglied? Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat – entgegen dem erstinstanzlichen Beschluss des Arbeitsgerichts – entschieden, dass dem einzelnen Betriebsratsmitglied eine grobe Pflichtverletzung auch dann zurechenbar sein kann, wenn der Betriebsrat zuvor einen Beschluss gefasst hat, auf dessen Grundlage sich das einzelne Betriebsratsmitglied betriebsverfassungswidrig verhalten hat. Eine Pflicht des Arbeitgebers, in diesem Fall primär gegen das gesamte Gremium vorzugehen, bestehe nicht.
Die Entscheidung des Arbeitsgerichts
Der 15-köpfige Betriebsrat hatte den einstimmigen Beschluss gefasst, nicht weiter mit dem Geschäftsführer der Arbeitgeberin zusammenzuarbeiten. Der Vorsitzende des Betriebsrats setzte diesen Beschluss im Außenverhältnis eifrig um, indem er den Geschäftsführer – seinen vorgesehenen Ansprechpartner – aus jeglicher Korrespondenz ausschloss und weitere Gespräche und Abstimmungen mit ihm verweigerte. Die Arbeitgeberin beantragte daraufhin beim Arbeitsgericht Düsseldorf im Verfahren der einstweiligen Verfügung, dem Betriebsratsvorsitzenden die weitere Amtsausübung zu untersagen. Das Arbeitsgericht wies den Antrag jedoch zurück. Zur Begründung führte es an, der Vorsitzende sei an den Beschluss des Betriebsrats gebunden und müsse diesen ausführen. Die Rechtswidrigkeit eines Beschlusses des Betriebsrates könne ihm nicht persönlich angelastet werden. Es liege daher allenfalls eine grobe Pflichtverletzung des Betriebsrats als Gremium, nicht jedoch eine solche des Vorsitzenden vor.
Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hob diese Entscheidung auf und änderte sie ab. Es untersagte dem Betriebsratsvorsitzenden die weitere Amtsausübung. Hierbei berief es sich zunächst auf die bisherige Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts, wonach die Verweigerung der Zusammenarbeit mit Vertretern des Arbeitgebers eine grobe Pflichtverletzung darstelle (vgl. LAG Düsseldorf v. 23.06.2020 – 14 TaBV 75/19). Zudem vertrat es die Auffassung, dass diese grobe Pflichtverletzung auch und gerade dem Vorsitzenden des Betriebsrats zuzurechnen sei. So habe der Vorsitzende den Beschluss des Betriebsrats bei der Abstimmung mitgetragen und diesen sogar selbst maßgeblich initiiert. Die Billigung des gesetzeswidrigen Verhaltens seines Vorsitzenden in der Form eines Beschlusses des Betriebsrates stehe einem individuellen Pflichtenverstoß nicht entgegen. Das Betriebsverfassungsgesetz sehe keinen Vorrang einer Auflösung des Betriebsrats vor dem Ausschluss einzelner Mitglieder vor. Dementsprechend könne im Fall grober Verstöße des Betriebsrats als Organ entweder dessen Auflösung oder die Amtsenthebung – auch einzelner – seiner Mitglieder beantragt werden. Entscheide sich die Arbeitgeberin zwecks Vermeidung einer durch die Auflösung des Betriebsrats bewirkten betriebsratslosen Zeit und in der Hoffnung auf eine anschließende Verbesserung der Zusammenarbeit mit dem Gremium für das mildere Mittel, sei dies zulässig. Es sei nicht ersichtlich, weshalb sie mit dieser Maßnahme gegen das individuelle Mitglied des Betriebsrats scheitern solle, weil auch eine schwerer wiegende Maßnahme gegen das Gremium möglich gewesen wäre.
Fazit
Die Sanktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers bei groben Pflichtverletzungen des Betriebsrats nach § 23 Abs. 1 BetrVG sehen kein Stufenverhältnis vor, wenn sowohl der Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat als auch die Auflösung des Betriebsrats in Betracht kommen. Begehen vor diesem Hintergrund einzelne oder gar sämtliche Betriebsratsmitglieder parallele Pflichtverletzungen und beruhen diese auf einem gemeinsamen Beschluss des Gremiums, hat der Arbeitgeber die Wahl, ob er gegen das Gremium insgesamt vorgeht, oder einzelne in ihrem rechtswidrigen Verhalten besonders hervorstechende Betriebsratsmitglieder in der Hoffnung herausgreift, dass deren Ausschluss zu einer künftigen Besserung der Zusammenarbeit mit dem (sodann mit einzelnen Ersatzmitgliedern besetzten) Gremium führt.