Betriebliche Mitbestimmungsrechte bei Unternehmensauftritten in den sozialen Medien waren bereits mehrfach Gegenstand arbeitsgerichtlicher Entscheidungen. Im Fokus stand dabei häufig die sog. Kommentarfunktion, bei der Besucher der entsprechenden Seiten Kommentare hinterlassen können. In seiner Facebook-Entscheidung aus dem Jahr 2016 hatte das BAG ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in diesen Konstellationen grundsätzlich bejaht. Demgegenüber scheint das BVerwG in einer neuen Entscheidung (Beschl. v. 4.5.2023 – 5 P 16.21), die einen öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber betrifft, etwas mehr zu differenzieren…
Inzwischen gehört es schon zum „guten Ton“, auch als Unternehmen eigene Seiten in den sozialen Medien zu betreiben. Gerade die jüngere Generation erreicht man einfacher über Kanäle in den sozialen Medien. Über die Seiten können auch Mitarbeiterdaten gesammelt werden, so dass es vor diesem Hintergrund kaum überrascht, dass auch die Mitarbeitervertretungen gerne ein Wort mitreden wollen. Jüngst hat sich das BVerwG mit der Frage befasst, ob die von der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV-Bund), einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, betriebenen Seiten in den sozialen Medien der Mitbestimmung unterliegen. Das BVerwG bejaht grundsätzlich die Mitbestimmungspflicht für die Kommentarfunktion, macht sie jedoch von weiteren Voraussetzungen abhängig.
Sachverhalt
Die DRV-Bund betreibt Seiten in unterschiedlichen sozialen Medien zum Zwecke der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und zur Nachwuchsgewinnung. Beiträge können nur durch die Dienststelle erstellt, aber auch von nicht der Dienststelle angehörenden Nutzern kommentiert werden. Die Kommentarfunktion kann nicht deaktiviert werden. Der Hauptpersonalrat vertrat die Auffassung, er habe bezüglich der Kommentarfunktion ein Mitbestimmungsrecht und leitete ein Beschlussverfahren vor dem zuständigen VG ein. Das VG bejahte in der 1. Instanz das Mitbestimmungsrecht des Personalrats nach § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG unter Verweis auf die Rechtsprechung des BAG zu dem nahezu identischen § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Auf die Beschwerde der DRV-Bund verneinte das OVG hingegen das Mitbestimmungsrecht. Für den Mitbestimmungstatbestand nach § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG sei erforderlich, dass die Überwachung gerade mithilfe der technischen Einrichtung erfolge und deren selbstständige Leistung in der Erhebung von Daten oder deren Auswertung bestehe.
Entscheidung
Das BVerwG hat diese Entscheidung aufgehoben und die Sache an das OVG zurückverwiesen. Allein die Speicherung von Kommentaren über Verhalten und Leistung der Beschäftigten reiche als selbstständige Leistung der technischen Einrichtung aus. Ob die Daten manuell und durch Dritte eingegeben würden, sei unerheblich. Dieses Verständnis sei mit Blick auf den Schutzzweck von § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG erforderlich, die Beschäftigten vor einem Überwachungsdruck zu schützen.
Da jedoch ungewiss sei, ob und wie häufig Dritte Kommentare mit verhaltens- und leistungsbezogenen Daten erstellen würden, hänge das Bestehen des Mitbestimmungsrechts von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Dabei seien insbesondere die Konstruktion und Verwendungsweise der sozialen Medien zu berücksichtigen. Seien bspw. die Seiten objektiv nicht darauf ausgelegt, verhaltens- und leistungsbezogene Kommentare abzugeben, und daher mit entsprechenden Kommentaren nicht zu rechnen, bestehe kein Mitbestimmungsrecht. Die Einschätzung könne sich allerdings im Laufe der Zeit ändern, wenn die Erfahrung zeige, dass entsprechende Kommentare häufig angebracht werden. Zudem sei zu berücksichtigen, ob die Kommentare ohne Auswertung gelöscht würden.
Einordnung der Entscheidung
Das BVerwG schließt sich mit seiner Entscheidung zunächst weitestgehend dem BAG an. Dieses hat in seiner Facebook-Entscheidung postuliert, allein die Möglichkeit, Beiträge in sozialen Medien zu kommentieren, reiche aus, um ein Mitbestimmungsrecht zu begründen (Beschl. v. 13.12.2016 – 1 ABR 7/15). Die Beschäftigten seien einem permanenten Überwachungsdruck ausgesetzt, da sie ständig mit Kommentaren über sich rechnen müssten. In der Folge schlossen sich Instanzgerichte der Arbeits- und Verwaltungsgerichtsbarkeit der Rechtsprechung des BAG an (vgl. Blogbeitrag vom 27.2.2020 zu einem Beschluss des LAG Hamburg sowie Blogbeitrag vom 26.1.2021 zu einem Beschluss des VG Berlin).
Allerdings verlangt das BVerwG überdies, dass zumindest damit zu rechnen ist, dass Daten über Verhalten und Leistung im Laufe der Zeit anfallen und verfolgt somit einen differenzierteren Ansatz als das BAG. Dem BAG ist jedoch zuzugestehen, dass es eine klare und eindeutige Aussage trifft, was die Umsetzung vereinfacht. Denn das Mitbestimmungsrecht kann eindeutig bejaht werden, wenn eine Kommentarfunktion besteht, wohingegen die Anwendung der Rechtsprechung des BVerwG stets eine Einzelfallprüfung erfordert. Insgesamt spiegelt aber auch dieser Beschluss die allgemeine Tendenz wider, die Mitbestimmungsrechte hinsichtlich technischer Einrichtungen viel zu weit auszulegen.
Fazit
Die Entscheidung des BVerwG löst gemischte Gefühle aus: Einerseits ist bedauerlich, dass das BVerwG nicht die Möglichkeit genutzt hat, sich der restriktiveren Rechtsprechung einiger OVGs – einschließlich der Vorinstanz zu diesem Urteil – anzuschließen. Andererseits hat das BVerwG eine differenziertere Betrachtungsweise angestellt, welche möglicherweise für das BAG Anlass ist, zu einer restriktiveren Auslegung des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zu gelangen.