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Aufstieg auf Zeit: Wie die flexible Befristung einzelner Arbeitsbedingungen gelingt

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Nicht alle Arbeitgeber können oder wollen es sich leisten, ihren Mitarbeitern gleich dauerhaft bessere Arbeitsbedingungen – mehr Geld, einen Dienstwagen oder eine höherwertige Stelle – anzubieten. Die dahinterstehenden Gründe können vielfältig sein: Die wirtschaftliche Lage des Unternehmens, Unsicherheit über die Eignung des Mitarbeiters für die bessere Position oder der Wunsch, dem Mitarbeiter nur für bestimmten Zeitraum mehr Geld als Belohnung aus einem konkreten Anlass heraus zu gewähren. Hierauf sollten Arbeitgeber achten, wenn sie Mitarbeitern einzelne, veränderte Rahmenbedingungen zunächst nur „auf Probe“ anbieten wollen.

Angesichts von Inflation und ungewissen Aussichten gerade kein geeigneter Zeitpunkt, dem Mitarbeiter gleich zeitlich unbeschränkt eine Leistungszulage oder einen Dienstwagen zu versprechen? Gleichzeitig aber nimmt der Ruf nach Gehaltserhöhungen, Benefits und beruflicher Verbesserung gerade wegen der allgemeinen Teuerung zu? Ein flexibles Instrument, dass Arbeitgeber bei der Vertragsanpassung einzelner Arbeitsbedingungen im Blick haben sollten, ist die Befristungsabrede. Bei passgenauem Einsatz kann diese dazu dienen, Mitarbeiter zu halten, ohne sich als Unternehmen zugleich „für immer“ an bestimmte Begünstigungen zu binden. So wissen Arbeitnehmer und Arbeitgeber von Anfang an, für wie lange sich die jeweilige Arbeitsbedingung (Entgelt, Arbeitszeit etc.) ändert.

Zwingendes Schriftformerfordernis nach TzBfG?

Die gute Nachricht: Die strengen formellen und materiellen Anforderungen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes an Befristungsabreden sind weder direkt noch analog anwendbar. Das bedeutet insbesondere, dass Befristungsgründe nicht zwingend schriftlich dokumentiert werden müssen. Eine schriftliche Dokumentation der vorübergehend veränderten Arbeitsbedingungen aber macht jedoch schon aus Nachweisgründen unbedingt Sinn. Inzwischen dürfte aber das Nachweisgesetz ohnehin in den meisten Fällen zu einer Dokumentation zwingen.

Kontrollmaßstab in AGB: Transparenz und Angemessenheit

Ursprünglich hat das Bundesarbeitsgericht die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen am Maßstab geprüft, ob durch die Befristung der kündigungsrechtliche Änderungsschutz (§ 2 KSchG) umgangen wird. Immer dann, wenn der „Kernbereich“ des Arbeitsverhältnisses betroffen war, bedurfte die Befristung eines sachlichen Grundes. Hierzu hat sich eine Kasuistik zu den einzelnen Bedingungen (Arbeitszeit, Entgeltbestandteile etc.) entwickelt, die auch noch für den nun veränderten Maßstab in der neuen Rechtsprechung zur Anwendung kommt: Die AGB-Klauselkontrolle nach den §§ 307 ff. BGB.

Dabei wird es sich bei einer Anpassung von Arbeitsbedingungen in aller Regel um AGB handeln, da häufig bereits die einmalige Verwendung für die Annahme von AGB genügt (§ 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB). Im Übrigen können Arbeitnehmer in der Regel nicht ernsthaft auf die Formulierung Einfluss nehmen. Liegen AGB vor, muss die Klausel transparent sein und einer Inhaltskontrolle durch die Gerichte standhalten.

Auf eindeutige und unmissverständliche Vereinbarungen achten

Transparent sind Klauseln dann, wenn sie klar und verständlich sind. Daher ist es wichtig, die Befristungsdauer in der Klausel eindeutig zu formulieren und auch die Art der befristet veränderten Bedingungen genau zu umschreiben. Es muss für den Arbeitnehmer deutlich werden, welche Arbeitsbedingung(en) sich konkret für welchen Zeitraum ändern. Der Befristungsgrund muss zwar nicht angegeben werden. Denn nach dem Bundesarbeitsgericht können an die Befristung einzelner Bedingungen nicht dieselben Anforderungen wie an die Befristung des gesamten Arbeitsvertrags nach dem TzBfG gestellt werden. Gleichwohl bietet sich dessen Fixierung je nach Sachlage aber dennoch im Einzelfall an.

Achtung bei Eingriff in die arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten

Eine Klausel ist insbesondere auch dann unwirksam, wenn sie den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB) bzw. die Änderung für den Arbeitnehmer unzumutbar ist (§ 308 Nr. 4 BGB). Hier nehmen die Arbeitsgerichte eine umfassende Abwägung der beiderseitigen Interessen vor. Entscheidend für die Intensität der Prüfung bzw. die Rechtfertigungsschwelle ist hier insbesondere, ob nur Zusatzleistungen entfallen oder ein Eingriff in den echten „Kernbereich“ des Austauschverhältnisses erfolgt. In letzterem Fall dürfte dabei regelmäßig besondere Umstände erforderlich sein, die eine solche Befristung rechtfertigen. Liegt ein Sachgrund im Sinne des § 14 TzBfG vor, dann ist die Angemessenheit der Klausel aber regelmäßig indiziert. Über diesen „Umweg“ der Inhaltskontrolle fließen die Wertentscheidungen des TzBfG so doch wieder in die Prüfung ein.

Einzelheiten bei der Befristung von Entgelt- und Arbeitszeiterhöhung

Beliebte Arbeitsbedingungen, die befristet geändert werden sollen, sind (1) einzelne Entgeltbestandteile, wie etwa eine Zulage, eine Provisionsvereinbarung, ein Dienstwagen etc., und (2) die vorübergehende Übertragung höherwertiger Tätigkeiten.

Mit Letzteren hat sich die Rechtsprechung bereits häufiger beschäftigt. Wichtig hierbei ist, dass die Befristung der Vertragslaufzeit für die höherwertige Stelle im Vergleich zum Erprobungszweck nicht außer Verhältnis stehen darf. In den „Kernbereich“ des Austauschverhältnisses wird dabei insbesondere eingegriffen, wenn sich das Arbeitszeitvolumen infolge der Übertragung erheblich erhöht. Dies ist in der Regel bei einer Arbeitszeiterhöhung von 25 % einer entsprechenden Vollzeitstelle (es kommt nicht auf die individuelle Arbeitszeiterhöhung an!) der Fall. Dann sollte kritisch geprüft werden, ob eine der in § 14 TzBfG genannten Befristungsgründe gegeben sind.

Noch nicht entschieden ist, ob und ab welcher Erhöhung eines Entgeltbestandteils in den Kernbereich des Austauschverhältnisses eingegriffen wird. Mit Blick auf die Rechtsprechung zu Widerrufsklauseln wird teilweise angenommen, dies sei ab einem Richtwert von 25 % der Gesamtvergütung der Fall. Hier wird es aber bis auf Weiteres auf den Einzelfall, also die Art und Umstände der Entgelterhöhung ankommen. Schematische Betrachtungen verbieten sich. Besondere Vorsicht sollten Arbeitgeber in jedem Fall aber bei Kettenbefristungen walten lassen.

Fazit: Flexible Benefits und Erprobungen sind mit vertretbarem Aufwand möglich

Gegenüber Widerrufsklauseln haben Befristungsabreden den Vorteil, dass das Auslaufen für die Arbeitnehmer von Anfang an absehbar ist und – anders als bei der u.U. überraschenden Ausübung eines Widerrufsrechts – Enttäuschungen und Diskussionen auf Arbeitnehmerseite vermieden werden können. Bei Zweifeln über die Zulässigkeit einzelner Befristungsabreden sollte vor der Vereinbarung aber unbedingt arbeitsrechtlicher Rat eingeholt werden. Denn unwirksame Befristungsabreden führen dazu, dass die veränderten Arbeitsbedingungen auf unbestimmte Zeit gelten. Bei Beachtung der Vorgaben aus der Rechtsprechung können Benefits mit dem Instrument der Befristungsabrede jedoch flexibel gehandhabt und Erprobungen rechtssicher durchgeführt werden. So müssen Arbeitgeber nicht auf eine probeweise Verbesserung von Arbeitsbedingungen verzichten.

Lukas Forte


Rechtsanwalt
Associate
Lukas Forte berät und vertritt nationale und internationale Unternehmen in sämtlichen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Neben Restrukturierungsprojekten berät er seine Mandanten zudem in Kündigungsrechtsstreitigkeiten, im Bereich des Betriebsverfassungsrechts sowie in der Vertragsgestaltung. Er ist Mitglied der Fokusgruppe "Arbeitszeit und Arbeitszeiterfassung".
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