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Menschenrechte in der Lieferkette – was Personaler jetzt wissen müssen

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Menschenrechts- und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in Bezug auf Zulieferer nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) betreffen nicht nur internationale Großkonzerne, sondern Unternehmen jeder Größe innerhalb der Lieferkette. Die Mehrheit der geschützten Menschenrechtspositionen weist unmittelbaren Bezug zum Arbeitsleben auf. Personalabteilungen sollten sich daher mit den Regelungen vertraut machen.

Am 1. Januar 2023 tritt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) in Kraft. Bei unzureichender Einhaltung von menschenrechtlichen und umweltbezogenen Standards nicht nur im eigenen Geschäftsbereich, sondern auch bei unmittelbaren und mittelbaren Zulieferern drohen künftig nicht mehr nur negative Presse, sondern auch empfindliche rechtliche Sanktionen – z. B. Bußgelder in Höhe von bis zu 2 % des weltweiten Jahresumsatzes oder der zeitweise Ausschluss von öffentlichen Aufträgen. Entsprechend vergrößern sich die Haftungsrisiken von Geschäftsleitern gegenüber ihren Unternehmen. Warum die Pflichten unter dem LkSG Unternehmen jeglicher Größe betreffen können und welche Berührungspunkte Personalabteilungen mit dem LkSG haben werden, erläutert dieser Beitrag.

Status quo: Von Reputationsrisiken zu Klima- und Menschenrechtsklagen

Das LkSG reflektiert die gesteigerte Sensibilität in Bezug auf den Schutz der Umwelt und die Beachtung von Menschenrechten im Wirtschaftsleben. Die Nichtbeachtung von menschenrechts- und umweltbezogenen Standards führt bereits seit längerem zu negativer Presse, Reputations- und Umsatzverlust. In jüngerer Zeit ist jedoch auch ein Anstieg der Rechtsrisiken zu verzeichnen: Mehrere Energiekonzerne sind bereits von Klimaklagen gegen Emissionen überzogen worden und zahlreiche Banken werden von Opfern des Apartheidssystems wegen vergangener Geschäfte in Südafrika verklagt. Auch unter dem LkSG soll die Nichtbeachtung von Mindeststandards rechtlich sanktioniert werden können.

Warum nicht nur Großkonzerne vom LkSG betroffen sind

Unmittelbare Adressaten des LkSG sind ab 1. Januar 2023 Unternehmen mit mindestens 3.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern (Headcount) im Inland, ab 1. Januar 2024 solche mit mindestens 1.000 Arbeitnehmern. Die unmittelbar vom LkSG erfassten Unternehmen sind jedoch angehalten, nicht nur in ihrem eigenen Geschäftsbereich menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken zu reduzieren oder ganz abzuschalten, sondern auch bei ihren Zulieferern. Mittelbar sind von den Sorgfaltspflichten des LkSG deshalb auch Unternehmen betroffen, die deutlich weniger Mitarbeiter beschäftigen, deren Dienstleistungen oder Produkte aber Bestandteil der Lieferkette sind.

Arbeitsrechtlich geprägte Schutzgüter des LkSG

Eine Vielzahl nach dem LkSG geschützter Rechtspositionen bezieht sich unmittelbar auf das Arbeitsleben und bestimmt sich im Detail nach arbeitsrechtlichen Normen: das Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit und jeglichen Formen von Sklaverei, die Beachtung des Arbeitsschutzes, die Koalitionsfreiheit, der Schutz vor Diskriminierung und die Zahlung eines angemessenen Lohns. Teilweise legen internationale Abkommen, z. B. die Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organisation, ILO), die einzuhaltenden Standards fest; teilweise verweist das LkSG auf nationale Regeln, z. B. die Arbeitsschutznormen des jeweiligen Beschäftigungsortes. Global vernetzte Unternehmen sind in diesen Fällen gut beraten, in internationalen Teams zusammenzuarbeiten, um die einzuhaltenden Regeln zu identifizieren (vgl. zur Feststellung des angemessenen Arbeitslohns bereits unseren Blog-Beitrag vom 28. September 2022).

Sorgfaltspflichten nach dem LkSG und arbeitsrechtliche Bezüge

Unmittelbar vom LkSG adressierte Unternehmen sind zur Einrichtung eines angemessenen und wirksamen Risikomanagements verpflichtet. Dies beinhaltet insbesondere die Bestimmung einer oder mehrerer Personen, welche für die Überwachung der Einhaltung menschenrechts- und umweltbezogener Standards in allen maßgeblichen Geschäftsabläufen des Unternehmens – einschließlich des Einkaufs – zuständig sind (vgl. zur möglichen Bestimmung eines Menschenrechtsbeauftragen unseren Blog-Beitrag vom 29. November 2022). Über die Arbeit der zuständigen Personen hat sich die Geschäftsleitung des Unternehmens mindestens einmal jährlich zu informieren. Damit die zuständigen Personen ihrer Aufgabe überhaupt wirksam gerecht werden können, sind sie arbeits- oder dienstvertraglich mit klaren Befugnissen und Kapazitäten (nötigenfalls auch Fortbildungen) auszustatten, welche nicht durch gegenteilige Weisungen oder Maßregelungen eingeschränkt werden können.

Herzstück des LkSG ist die Verpflichtung von Unternehmen, menschenrechts- und umweltbezogene Risiken im eigenen Geschäftsbereich und bei Zulieferern zu analysieren. Die Anforderungen an diese Risikoanalyse sind umso höher, je stärker risikobelastet ein Unternehmen ist. Die Gesetzesbegründung enthält bereits eine Kategorisierung von Unternehmen unter Berücksichtigung internationaler Verflechtungen und Branchenzugehörigkeit. Auch Unternehmen außerhalb des unmittelbaren Anwendungsbereichs des LkSG werden sich im Rahmen der Risikoanalyse von Unternehmen als Bestandteil der Lieferkette zu Risiken und Vorkehrungen erklären müssen.

Identifizieren Unternehmen Risiken bei unmittelbaren Zulieferern oder im eigenen Geschäftsbereich, müssen sie unverzüglich Präventionsmaßnahmen ergreifen. Bei Risiken im eigenen Geschäftsbereich ist eine Grundsatzerklärung über die Menschenrechtsstrategie abzugeben, welche das Verfahren zur Einhaltung der Sorgfaltspflichten, die menschenrechts- und umweltbezogenen Erwartungen des Unternehmens an seine Beschäftigten und an Zulieferer sowie prioritär anzugehende Risiken zum Gegenstand hat. Mögliche weitere Präventionsmaßnahmen sind die Anpassung von Beschaffungsstrategien, Mitarbeiterschulungen und Kontrollen. An die Beschäftigten formulierte Erwartungen und geplante Mitarbeiterschulungen sind daraufhin zu überprüfen, ob und wie sie rechtlich wirksam umgesetzt werden können und ob Beteiligungsrechte von Betriebsräten bestehen (z. B. gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1, § 98 BetrVG). Zusätzlich müssen Unternehmen künftig den Wirtschaftsausschuss zu Fragen der unternehmerischen Sorgfaltspflichten in der Lieferketten hinzuziehen (§ 106 Abs. 3 Nr. 5b. BetrVG). Risiken bei Zulieferern sind bei der Auswahl von Vertragspartnern zu berücksichtigen. Darüber hinaus sind entsprechende vertragliche Zusicherungen entlang der Lieferkette einzuholen und nötigenfalls auch Kontrollmöglichkeiten vertraglich abzusichern. Von Abhilfemaßnahmen können wiederum Unternehmen jeglicher Größe betroffen sein, nicht nur die unmittelbaren Adressaten des LkSG.

Bei eingetretenen oder unmittelbar bevorstehenden Verletzungen von Menschenrechts- und Umweltstandards müssen unmittelbar vom LkSG adressierte Unternehmen unverzüglich angemessene Abhilfemaßnahmen treffen. Präventions- oder Abhilfemaßnahmen gegen Arbeitsunfälle und sonstige Gesundheitsrisiken im eigenen Geschäftsbereich können – je nach Gestaltungsspielraum – wiederum mitbestimmungspflichtig sein (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG). Abhilfemaßnahmen bei Zulieferern können in gemeinsamen Konzepten mit konkreten Zeitplänen, Brancheninitiativen für erhöhten Druck auf Zulieferer und der Aussetzung von Lieferbeziehungen bestehen – wiederum unabhängig von der Größe der betroffenen Zulieferer.

Alle Unternehmen im Anwendungsbereich des LkSG müssen ab dem 1. Januar 2023 – d.h. bereits vor Inkrafttreten des Hinweisgeberschutzgesetzes – ein eigenes Beschwerdeverfahren aufsetzen oder an einem externen Beschwerdeverfahren teilnehmen, welches es nicht nur der eigenen Belegschaft, sondern auch Dritten ermöglicht, auf bestehende Risiken oder gar Verletzungen entlang der Lieferkette – ggf. auch weltweit – hinzuweisen. Bei der Einrichtung des Beschwerdeverfahrens sind wiederum Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu beachten, z. B. dann, wenn das Ordnungsverhalten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durch spezifische Verfahrensregeln berührt wird (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG) oder technische Einrichtungen genutzt werden sollen (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG).

Die Erfüllung der Sorgfaltspflichten nach dem LkSG ist schließlich zu dokumentieren und in einem für die Dauer von sieben Jahren auf der Unternehmens-Website zu veröffentlichen jährlichen Bericht zu veröffentlichen. Ob von Unternehmen getroffene menschenrechts- und umweltbezogenen Maßnahmen die Sorgfaltspflichten nach dem LkSG angemessen und wirksam erfüllen, unterliegt damit der öffentlichen Kontrolle.

Zusammenfassung und Ausblick

Die Schutzgüter nach dem LkSG haben mehrheitlich Bezug zum Arbeitsleben. Die hierauf bezogenen Sorgfaltspflichten können in vielfältiger Weise die Ausgestaltung von Arbeitsverhältnissen und Beteiligungsrechte von Arbeitnehmervertretungen berühren. Betroffen sind nicht nur unmittelbar vom LkSG adressierte Unternehmen, sondern alle Unternehmen, deren Produkte oder Dienstleistungen Gegenstand der Lieferkette nach dem LkSG sind. Damit wird Menschenrechts- und Umwelt-Compliance für Unternehmen jeglicher Größe zum Wettbewerbsvorteil, unzureichende Beachtung zum Wettbewerbsnachteil. Die Geschäftsleitung von Unternehmen jeder Größe ist daher in der Pflicht, unternehmerische Entscheidungen zum Wohl des Unternehmens auch an den Menschenrechten von Betroffenen außerhalb des eigenen Unternehmens auszurichten. Den genauen Umfang dieser Pflichten werden staatliche Gerichte in den nächsten Jahren bestimmen. Eine geplante EU-Richtlinie wird den Kreis der unmittelbaren Adressaten von Sorgfaltspflichten voraussichtlich erheblich erweitern – der aktuelle Richtlinienvorschlag knüpft an umsatz- und branchenabhängige Schwellenwerte von über 250 bzw. 500 Mitarbeitern an. Auch die geplante erweiterte zivilrechtliche Haftung dürfte weiteren Handlungsdruck bei Unternehmen aufbauen.

Dr. Anne-Kathrin Bertke


Rechtsanwältin
Principal Counsel
Anne-Kathrin Bertke berät zu allen Fragen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Schwerpunkte ihrer Tätigkeit bilden die Beratung bei komplexen Umstrukturierungen und Unternehmenstransaktionen, auch in der Insolvenz, bei inländischen und grenzüberschreitenden Umwandlungen, auf dem Gebiet der Unternehmensmitbestimmung und bei SE-Gründungen. Darüber hinaus berät sie Unternehmen und Führungskräfte bei Vorstands- und Geschäftsführerangelegenheiten, auch im Zusammenhang mit Börsengängen sowie im Bankensektor, und vertritt Mandanten in Gerichtsverfahren vor Zivil- und Arbeitsgerichten. Anne-Kathrin Bertke verfügt darüber hinaus über besondere Expertise bei der kommunikativen Begleitung von Mandaten. Sie ist Mitglied der Fokusgruppen "Aufsichtsratsberatung" und "Private Equity/M&A".
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