Whistleblowing ist das Compliance-Thema des Jahres 2022 – das Hinweisgeberschutzgesetz steht vor der Tür. Einen Überblick über die relevantesten Aspekte und Challenges für Unternehmen gewinnen Sie in unserem Videobeitrag vom 03.02.2022. In diesem Beitrag möchten wir Ihr Augenmerk auf die Rolle der Geschäftsführung lenken, wenn über ein Hinweisgebersystem Vorwürfe gegen sie erhoben werden.
Whistleblowing-Systeme werden mittlerweile häufiger genutzt. Gerade in mittelständischen Unternehmen betreffen Meldungen regelmäßig (vermeintliches) Fehlverhalten der Geschäftsführung. Solche Konstellationen sind für die Geschäftsführung besonders herausfordernd, weil sie einerseits dafür (mit-)verantwortlich ist, dass die Meldungen im Einklang mit den Compliance-Prozessen bearbeitet werden. Andererseits darf sie sich nicht dem Vorwurf aussetzen, die Bearbeitung einer solchen Meldung zu ihren Gunsten beeinflusst zu haben. Wie geht man damit um?
Prävention: Whistleblowing-System sauber konfigurieren
Es beginnt bereits bei der Einrichtung des Hinweisgebersystems. Dieses sollte so konfiguriert sein, dass gar nicht erst der Anschein der Einflussnahme durch die Geschäftsführung entstehen kann. Das umfasst:
- Nicht nur innerbetriebliche, sondern auch externe Meldewege anbieten, über die dann eine unabhängige Bearbeitung erfolgen könnte;
- Bei Nutzung von webbasierten Meldeplattformen: Abfragemechanismus so gestalten, dass bereits anhand der Antworten erkennbar ist, ob der Vorwurf ein Verhalten der Geschäftsführung betreffen könnte mit Weiterleitung an nicht betroffene Personen;
- Vertraulichkeit der gemeldeten Informationen durch ein engmaschiges Zugangs- und Berechtigungskonzept sicherstellen, so dass schon keine Möglichkeit der Kenntnisnahme durch betroffene Personen besteht.
Bei Kenntnis der Vorwürfe: Externe einschalten
Wenn die Geschäftsführung dennoch Kenntnis von den Vorwürfen bekommt, empfehlen wir die Weitergabe des Sachverhalts in externe Hände zwecks Aufklärung und Bewertung. Das gilt auch dann, wenn die Vorwürfe aus Sicht der Geschäftsführung haltlos sind. Hierbei ist Folgendes zu beachten, um eine unabhängige und insofern belastbare Bewertung der Vorwürfe zu erhalten:
- Keine zu enge Beschreibung des Gegenstands der Untersuchung;
- Untersuchungsauftrag so gestalten, dass den externen Bearbeitern eine freie Entscheidung über etwaige Untersuchungsmaßnahmen (z. B. Mitarbeiterinterviews) möglich ist;
- Empfehlungen für Folgemaßnahmen bereits als Teil des Auftrags aufnehmen.
Aufklärungsmaßnahmen vorantreiben
Im Rahmen der Untersuchung gilt: Die Geschäftsführung sollte an der Untersuchung aktiv mitwirken und diese gezielt fördern. Das gehört zu ihrem Pflichtenkreis. Das bedeutet konkret:
- Bereitwillige Erteilung von Auskünften (soweit nicht die Schwelle eigenen strafbaren Verhaltens erreicht wird);
- Zeitnahe Übermittlung der zur Auswertung benötigten Unterlagen und Bereitstellung angefragter interner Ressourcen;
- Drängen auf eine zügige Bearbeitung.
Umsichtige Entscheidung über Folgemaßnahmen
Selbst wenn die Vorwürfe zunächst extern aufgearbeitet werden, trifft letztlich das Unternehmen die Entscheidung über den weiteren Umgang mit den Vorwürfen sowie über die Folgemaßnahmen. Auch hier sind Vorkehrungen zu treffen:
- Personen einbinden, die keine Nähe zu den involvierten Personen aufweisen; je nach Einzelfall können aber durchaus andere Mitglieder der Geschäftsführung mitwirken;
- Interne und externe Kommunikation gut durchdenken, damit keine Beschädigung des Unternehmensimages erfolgt;
- Bei haltlosen Vorwürfen Schadensersatzforderungen gegen den Hinweisgeber im Unternehmensinteresse prüfen.
Der Beitrag ist eine Zusammenfassung des Artikels „Whistleblowing: Umgang mit Vorwürfen gegen die Geschäftsführung“ im EUROFORUM E-Book „GmbH-Geschäftsführung 2022“, S. 110. Das E-Book ist unter diesem Link abrufbar.