Die Rechtsprechung des dritten Senates des BAG stand im Jahr 2018 ganz im Zeichen der Beurteilung von Altersabstandsklauseln in der Hinterbliebenenversorgung. Gleich drei Entscheidungen zur Zulässigkeit solcher Klauseln in Versorgungszusagen sind im vergangenen Jahr ergangen. Kern aller Entscheidungen war die Frage, ob Arbeitnehmer mit deutlich jüngeren Ehepartnern durch den Ausschluss oder die Kürzung von Hinterbliebenenleistungen aus Gründen des Alters diskriminiert werden. Den aktuellen Stand der Rechtsprechung zu Altersabstandsklauseln soll dieser Beitrag beleuchten.
Der Auftakt: Die Entscheidung des BAG vom 20.2.2018
Den Auftakt machte das BAG im Februar 2018. In jenem Urteil, über welches wir bereits berichteten, bejahten die Erfurter Richter erstmals seit Geltung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) die grundsätzliche Zulässigkeit von Altersabstandsklauseln. Dies galt im entschiedenen Fall für eine Regelung, nach der Ehegatten, die mehr als 15 Jahre jünger als der Arbeitnehmer sind, von der Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung gänzlich ausgeschlossen werden. Eine unzulässige Benachteiligung wegen des Alters nach §§ 1, 3 AGG konnte das BAG nicht erkennen.
Die Entscheidungen aus dem letzten Quartal 2018
Ende 2018 hatte der Betriebsrentensenat dann erneut in zwei Fällen über die Wirksamkeit von Altersabstandsklauseln zu entscheiden.
Anders als im Februar beschäftigte sich das BAG nicht mit Klauseln, die den vollständigen Ausschluss des deutlich jüngeren Ehegatten von der Hinterbliebenenversorgung vorsahen, sondern mit solchen, die eine prozentuale Leistungskürzung anordneten. Die der Entscheidung vom 16. Oktober 2018 zugrunde liegende Versorgungsordnung bestimmte, dass sich die Witwenrente einer über 15 Jahre jüngeren Ehefrau für jedes Jahr, um welches der Altersunterschied 15 Jahre übersteigt, um 5 % vermindert.
Der Entscheidung vom 11.Dezember 2018 lag ebenfalls eine fünfprozentige Kürzung der Hinterbliebenenrente pro Lebensjahr zugrunde. Die Kürzung sollte allerdings schon für jedes Jahr eintreten, um das die Altersdifferenz zwischen den Ehegatten mehr als zehn Jahre beträgt.
Auch diese Altersabstandsklauseln hat das BAG für wirksam befunden. Zumindest in erstem Fall musste die Entscheidung zwangsläufig so ergehen. Denn wenn schon der völlige Ausschluss von der Hinterbliebenenrente bei mehr als 15 Jahren Altersabstand zwischen dem Arbeitnehmer und dessen Ehepartner möglich ist, muss dies erst Recht für eine partielle Kürzung gelten. Insoweit ist die Entscheidung vom 16. Oktober die konsequente Fortsetzung des Urteils vom 20. Februar 2018.
Wie begründete das BAG seine Entscheidungen?
Die Begründungen aller drei Entscheidungen sind teils identisch.
Nach Ansicht des BAG stellt der Ausschluss von bzw. die prozentuale Kürzung der Versorgungsleistung in Anknüpfung an die Altersdifferenz jedenfalls in den entschiedenen Fällen keine unzulässige Benachteiligung wegen des Alters nach §§ 1, 3 AGG dar. Die entsprechenden Bestimmungen waren damit nicht nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Zwar sahen die Richter in den streitgegenständlichen Altersabstandsklauseln sogar eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters im Sinne des § 3 Abs. 1 AGG und damit einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG.
In allen drei Fällen erkannte der Senat aber in Anknüpfung an die Rechtsprechung vor In-Kraft-Treten des AGG hinreichende sachliche Gründe zur Rechtfertigung der Benachteiligung gem. § 10 S. 1 und S. 2 AGG.
So verfolge der Arbeitgeber bei der Verwendung von Altersabstandsklauseln legitime Ziele i.S.v. § 10 S. 1 AGG. Legitime Ziele seien alle sozialpolitischen Ziele, wozu auch die Förderung der Verbreitung betrieblicher Altersversorgung zähle. Eine begrenz- und kalkulierbare unternehmerische Belastung schaffe verlässliche sowie überschaubare Kalkulationsgrundlagen und begünstige daher Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung. Der Arbeitgeber habe gerade bei der Hinterbliebenenversorgung ein anerkennenswertes Interesse an einer Begrenzung der finanziellen Risiken, da ein derartiges Leistungsversprechen mit zusätzlichen Unwägbarkeiten und Risiken hinsichtlich der Dauer der Leistungserbringung verbunden sei.
BAG zieht demographische Kriterien heran
Nach Ansicht der Erfurter Richter waren die streitgegenständlichen Altersabstandsklauseln auch angemessen und erforderlich i.S.v. § 10 S. 2 AGG. Das Interesse der Arbeitnehmer an einer umfangreichen Versorgung der Hinterbliebenen überwiege nicht. Denn bei hohen Altersabständen sei der Lebenszuschnitt typischerweise darauf angelegt, dass der Hinterbliebene einen Teil seines Lebens ohne den Versorgungsberechtigten und die an dessen Einkommen gekoppelten Versorgungsmöglichkeiten verbringe. Bei mehr als 80 % aller Ehepaare betrage der Altersabstand weniger als sieben Jahre. Dies rechtfertige die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern, deren Altersabstand zum Ehegatten mehr als 15 Jahre betrage. In der Entscheidung vom 11. Dezember 2018 stellt das BAG ergänzend darauf ab, dass nur 5,9 % aller Ehepaare einen Altersabstand von mehr als zehn Jahren aufweisen. Nach Auffassung des BAG lag daher in den drei entschiedenen Fällen aufgrund des großen Altersabstandes jeweils ein tragender Unterschied zum typischen Normalfall vor. Demnach sei es bei einem Altersabstand von mehr als 15 Jahren angemessen, wenn der Arbeitgeber das Risiko des Hinterbliebenen, ohne die Versorgungsmöglichkeiten des Ehepartners zu leben, nicht oder nicht vollständig übernehme. Jedenfalls bei einem Altersabstand von über zehn Jahren sei die Kürzung der Hinterbliebenenversorgung angemessen. Dies gelte erst recht im Falle einer maßvollen, schrittweisen Kürzung.
Hat das Jahr 2018 für Klarheit im Umgang mit Altersabstandsklauseln gesorgt?
Jein. Das befürchtete „nichts geht mehr“ in Bezug auf Altersabstandsklauseln ist ausgeblieben. Aus Sicht der Arbeitgeber hat das BAG erfreulicherweise die Notwendigkeit erkannt, das Versorgungsrisiko durch Altersabstandsklauseln zu begrenzen. Welche Klauseln aber tatsächlich noch angemessen sind, bleibt auch nach den Entscheidungen des Vorjahres eine Frage des Einzelfalles. Ungeklärt bleibt, ob auch bei einem Altersabstand von weniger als 15 Jahren ein vollständiger Ausschluss von der Hinterbliebenenversorgung zulässig ist. Ebenso unklar bleibt im Einzelnen, ab welcher Altersdifferenz in welchem Umfang eine stufenweise Herabsetzung der Versorgungsleistungen erfolgen darf. Die Begründung des BAG lässt offen, ob bereits ein Altersabstand von weniger als zehn Jahren angemessen sein kann. Die postulierte Anknüpfung an demographische Kriterien hilft in der Praxis nicht weiter, weil unklar bleibt, wo die Grenzen des Zulässigen liegen. Als gesichert kann derzeit somit bloß Folgendes gelten:
- Die maßvolle, schrittweise Kürzung der Hinterbliebenenversorgung bei einem Altersabstand von mehr als zehn Jahren ist zulässig.
- Der vollständige Ausschluss von der Hinterbliebenenversorgung ist bei einem Altersabstand von mehr als 15 Jahren ist grundsätzlich möglich.
Die Entscheidungen des dritten Senats geben somit zumindest einen Orientierungsrahmen vor, in dessen Grenzen sich Arbeitgeber bei der Verwendung von Altersabstandsklauseln in Versorgungsordnungen bewegen können. Ebenso lässt sich bei bestehenden Versorgungssystemen anhand dieser Kriterien zumindest eine grobe Risikobewertung vornehmen.