Nach einer brandneuen Entscheidung des BAG vom 20.2.2018 (3 AZR 43/17) sind Altersabstandsklauseln bei der Gestaltung der Hinterbliebenenversorgung weiterhin grundsätzlich zulässig. Den Arbeitgebern wird damit ein wichtiges Instrument zur Reduzierung von Risiken bei der Hinterbliebenenversorgung belassen. Dies ist umso erfreulicher, als die Rechtsprechung des BAG aus jüngerer und jüngster Zeit eigentlich in eine andere Richtung gedeutet hatte.
Die Entscheidung des BAG vom 20.2.2018
Das BAG hatte über den Fall einer Klägerin zu entscheiden, die Ansprüche auf Witwenrente aus einer von der Beklagten gegenüber ihrem verstorbenen Ehemann erteilten Versorgungszusage geltend machte.
Die zugrundeliegende Versorgungsordnung berechtigte zwar grundsätzlich auch die Klägerin, enthielt aber eine wichtige Einschränkung: Ein Anspruch auf die Ehegattenrente sollte nur bestehen, wenn der hinterbliebene Ehepartner nicht mehr als 15 Jahre jünger war als der durch die Versorgungszusage ursprünglich berechtigte Arbeitnehmer. Diese Voraussetzung erfüllte die Klägerin nicht, war sie doch etwa 18 Jahre jünger als ihr verstorbener Ehemann. Die Beklagte verweigerte daher die Zahlung der Witwenrente.
Mit der klageweisen Durchsetzung ihres Anspruchs hatte die Klägerin zunächst keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht Köln wies die Klage ab. Auf ihre Berufung hin änderte das LAG Köln diese Entscheidung ab und sprach der Klägerin die begehrte Witwenrente zu (LAG Köln v. 31.8.2016 – 11 Sa 81/16). Zur Begründung führte das LAG Köln im Wesentlichen aus, dass die in der Versorgungszusage vorgesehene Altersabstandsklausel gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG verstoße und nicht sachlich gerechtfertigt sei.
Die hiergegen von der Beklagten eingelegte Revision hatte Erfolg. Das BAG hob die Entscheidung des LAG auf. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine Witwenrente, denn die unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters sei sachlich gerechtfertigt.
Der Sinn von Altersabstandsklauseln
Altersabstandsklauseln (oder auch Altersdifferenzklauseln) sind ein seit langem übliches Instrument der Gestaltung von Regelungen zur Hinterbliebenenversorgung in Versorgungszusagen.
Der Sache nach steht hinter derartigen Gestaltungen der Wunsch des die Altersversorgung zusagenden Arbeitgebers, die Kosten der Altersversorgung kalkulierbar(er) zu machen. Es sollen nur solche Ehepartner von einer Hinterbliebenenversorgung profitieren, bei denen eine ähnliche und überschaubare Bezugsdauer der Versorgungsleistungen wie bei dem ursprünglich begünstigten Arbeitnehmer zu erwarten ist. Dies sind regelmäßig Ehepartner ähnlichen Lebensalters.
Die Altersabstandsklauseln sind daher hinsichtlich ihrer Zielrichtung der Risikominimierung verwandt mit den sog. Späteheklauseln. Diese dienen der Verhinderung sog. „Versorgungsehen“ und sehen im Wesentlichen vor, dass Ehepartner von der Hinterbliebenenversorgung ausgeschlossen sind, wenn deren Ehe mit dem verstorbenen Arbeitnehmer erst nach einem bestimmten Lebensalter des Verstorben geschlossen wurde und nicht für eine bestimmte Mindestdauer bestanden hat.
Die bisherige Rechtsprechung des BAG
Die Zulässigkeit von Altersabstandsklauseln war lange Zeit grundsätzlich anerkannt. Zuletzt hatte das BAG in einer Entscheidung aus dem Jahr 2006 eine Klausel für wirksam erachtet, nach der ein hinterbliebener Ehepartner keine Versorgung erhält, wenn er mehr als 15 Jahre jünger ist als der aus Versorgungszusage berechtigte Arbeitnehmer. Das BAG maß diese Regelung am allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und sah in den „einleuchtenden Risikoerwägungen“ des Arbeitgebers und dessen Wunsch, das Leistungsrisiko zu begrenzen, einen sachlichen Differenzierungsgrund (BAG v. 27.6.2006 – 3 AZR 352/05). Der vom BAG angerufene EuGH bejahte die Vereinbarkeit dieser Rechtsprechung mit europarechtlichen Vorgaben (EuGH v. 23.9.2008 – C-427/06).
Aktuelle Entwicklungen im Lichte des AGG
Unklar war bislang, ob und inwieweit diese bisherige Rechtsprechung des BAG auch nach Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 Geltung beanspruchen konnte. Die h.M. in der Literatur ging jedenfalls davon aus, dass Altersabstandsklauseln auch im Lichte des AGG grundsätzlich weitgehend unproblematisch seien.
Neue Dynamik erhielt die Diskussion in jüngster Zeit vor dem Hintergrund der geänderten Rechtsprechung des BAG zu Späteheklauseln, deren Verwendung durch das BAG massiv eingeschränkt wurde sowie durch die Rechtsprechung des BAG zur unangemessen benachteiligenden Beschränkung einer Hinterbliebenenversorgung auf die „jetzige“ Ehefrau.
So berief sich denn auch das LAG Köln in seiner Entscheidung vom 31.8.2016 auf die Rechtsprechung des BAG zu Späteheklauseln (namentlich die Entscheidung BAG v. 4.8.2015 – 3 AZR 137/13) und bezeichnete diese auch hinsichtlich der Rechtfertigung von Altersabstandsklauseln im Lichte des AGG als „offen“.
Ähnliche Zweifel meldete jüngst auch das LAG München an. In einer Entscheidung betreffend eine Klausel zur schrittweisen Kürzung der Witwenrente bei einem Altersunterschied zwischen den Ehegatten von mehr als zehn Jahren bejahte das Gericht eine unzulässige Altersdiskriminierung (LAG München v. 24.2.2017 – 7 Sa 444/16).
Auswirkungen der jüngsten Entscheidung des BAG
Vor dem Hintergrund der jüngsten Entscheidung des BAG dürfte sich die Aufregung um Altersabstandsklauseln indes wieder etwas legen. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Beitrags liegen die Entscheidungsgründe zwar noch nicht vor. Unklar ist insbesondere, ob und inwieweit das BAG Hinweise zu den Grenzen der Gestaltungsfreiheit bei Altersabstandsklauseln gegeben hat. Jedenfalls hinsichtlich der „klassischen“ Gestaltung eines Altersabstands von 15 Jahren knüpft das BAG aber anscheinend nahtlos an seine bisherige Rechtsprechung an. Das ist erfreulich, verbleibt damit den Arbeitgebern aller Voraussicht nach immerhin eines der ehemals üblichen Gestaltungsmittel, um Risiken der Hinterbliebenenversorgung zu minimieren. Jedenfalls insoweit kann also endlich einmal „Entwarnung“ gegeben werden.