Dass Juristen nicht immer einer Meinung sind, ist schon sprichwörtlich. Dies haben zwei aktuelle LAG-Entscheidungen – erneut – eindrucksvoll bewiesen. Gegenstand der beiden Entscheidungen war die Beurteilung der Wirksamkeit zweier Versetzungsklauseln. Trotz inhaltsgleicher Regelungen der zu beurteilenden Klauseln kamen das LAG Baden-Württemberg und das LAG Hamm zu unterschiedlichen Ergebnissen. Für die Praxis besteht daher eine erhebliche Rechtsunsicherheit. Wir geben einen Überblick über den aktuellen Stand.
Versetzungsklauseln als „Minenfeld“
Versetzungsklauseln finden sich in den allermeisten Arbeitsverträgen. Sie dienen der Flexibilität des Arbeitsverhältnisses, da sich Arbeitgeber hierdurch eine Änderung der Tätigkeiten oder des Arbeitsorts vorbehalten.
Höchstrichterlich ist geklärt, dass Arbeitgeber den Arbeitnehmern keine geringwertigeren Tätigkeiten zuweisen dürfen. Unklar ist jedoch, ob die Versetzungsklausel ausdrücklich klarstellen muss, dass nur gleichwertige Tätigkeiten zugewiesen werden dürfen.
Insbesondere ältere Versetzungsklauseln, wonach sich der Arbeitgeber vorbehält, dem Arbeitnehmer „andere seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechende Aufgaben“ zuzuweisen, enthalten einen solchen klarstellenden Hinweis regelmäßig nicht.
Ist die Klausel dann unwirksam? Oder kann sie auch dahingehend verstanden werden, dass die Zuweisung nur gleichwertige Tätigkeiten umfasst? Diese Fragen werden in der Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet.
Höchstrichterliche Rechtsunsicherheit?
Die Rechtsprechung schon des BAG zum Thema kommt zu unterschiedlichen Ergebnissen:
Nach einer Entscheidung des BAG aus dem Jahr 2006 (Urteil vom 11.04.2006 – 9 AZR 557/05) sei eine Versetzungsklausel unwirksam, wenn sie nicht ausdrücklich festhalte, dass nur gleichwertige Aufgaben zugewiesen werden können. Ohne einer solchen Klarstellung benachteilige die Klausel die Arbeitnehmer unangemessen i.S.v. § 307 BGB, da nicht gewährleistet sei, dass die Zuweisung eine mindestens gleichwertige Tätigkeit zum Gegenstand haben müsse.
Demgegenüber hielt das BAG in seiner Entscheidung vom 13.03.2007 (9 AZR 433/06) eine Versetzungsklausel für wirksam, wonach der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin „entsprechend ihren Leistungen und Fähigkeiten mit einer anderen im Interesse der Lufthansa liegenden Aufgabe betrauen“ Die Klausel sei nach Ansicht des BAG weder gemäß § 308 Nr. 4 BGB unwirksam noch benachteilige sie den Arbeitnehmer im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unangemessen.
Auch verstoße sie nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Da die Zuweisung nur entsprechend den „Leistungen und Fähigkeiten“ erfolgen dürfe, werden die Arbeitnehmerinteressen hinreichend berücksichtigt.
In seinem Urteil vom 21.07.2009 (9 AZR 279/08) ließ das BAG schließlich ausdrücklich offen, ob eine Versetzungsklausel das Gleichwertigkeitskriterium enthalten müsse. Die zu prüfende Versetzungsklausel hatte folgenden Inhalt: „T behält sich vor, den Mitarbeiter jederzeit entsprechend seinen Fähigkeiten und Kenntnissen mit anderen Aufgaben zu betrauen und/oder in einer anderen Abteilung zu beschäftigen, sofern betriebliche Gründe dies geboten erscheinen lassen und die neue Tätigkeit dem Mitarbeiter zumutbar ist.“
Nach Ansicht des BAG sei eine solche Versetzungsklausel in ihrer konkreten Ausgestaltung noch nicht vom Bundesarbeitsgericht ausgelegt und auf ihre Angemessenheit nach 307 Abs. 1 S. 1 BGB hin überprüft worden. Ob die von der Regelung verlangte Zumutbarkeit der Tätigkeit eine gleichwertige Funktion voraussetzt, sei daher nicht geklärt.
… und was die LAG’e daraus machen
Vor dem Hintergrund der nicht einheitlichen BAG-Rechtsprechung verwundert es nicht, dass das LAG Baden-Württemberg und das LAG Hamm die Wirksamkeit zweier inhaltsgleicher Versetzungsklauseln unterschiedlich beurteilten.
Das LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 24.02.2016 – 2 Sa 51/15) hielt eine Versetzungsklausel, wonach sich der Arbeitnehmer verpflichtete, „auch andere zumutbare Arbeiten auszuführen – auch an einem anderen Ort –, die seinen Vorkenntnissen und Fähigkeiten entspricht“, für unwirksam.
Aus der Klausel gehe nicht klar hervor, ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auch geringwertigere Tätigkeiten zuweisen könne. Die Klausel sei daher unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1 BGB. Die fehlende Gleichwertigkeit könne auch nicht in das vereinbarte Zumutbarkeitskriterium hineingelesen werden, da zumutbar nicht gleichbedeutend mit gleichwertig sei.
Anders entschied hingegen das LAG Hamm in seinem Urteil vom 17.03.2016 (17 Sa 1660/15). Das LAG Hamm hielt eine vergleichbare Versetzungsklausel (Zuweisung einer „anderen, seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechenden Tätigkeit“) für wirksam.
Durch die Beschränkung auf Tätigkeiten, die den Kenntnissen und Fähigkeiten des Arbeitnehmers entsprechen, werde sichergestellt, dass nur gleichwertige Aufgaben zugewiesen werden können. Für einen objektiven Empfänger sei klar, dass keine Tätigkeiten übertragen werden dürfen, die auch mit geringere Qualifikation ausgeübt werden könnten.
Praxishinweise
Aufgrund der sich widersprechenden Entscheidungen besteht eine erhebliche Rechtsunsicherheit. Es bleibt zu hoffen, dass das BAG alsbald Rechtsklarheit schafft. Gelegenheit bietet sich, da gegen die Entscheidung des LAG Hamm Revision eingelegt wurde. Bis zu einer klärenden Stellungnahme muss die Praxis aber mit der Ungewissheit leben.
Es ist daher zu empfehlen, dass neu abzuschließende Arbeitsverträge den klarstellenden Hinweis enthalten, dass nur gleichwertige Tätigkeiten zugewiesen werden können.
Arbeitgeber sollten aber sorgfältig abwägen, ob die Aufnahme einer Versetzungsklausel tatsächlich sinnvoll ist, da Versetzungsklauseln den Kreis der Sozialauswahl erweitern. Arbeitnehmer erhalten damit im Gegenzug für die von ihnen abverlangte Flexibilität eine stärkere Sicherung ihrer Arbeitsverhältnisse im Falle betriebsbedingter Kündigungen.