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Zusammenarbeit mit Handelsvertretern: Worauf Unternehmen achten sollten (Teil 2)

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Handelsvertreter sind ein zentraler Bestandteil der Vertriebsstrategie vieler Unternehmen. Ihre Beauftragung bringt zahlreiche Vorteile, aber auch Risiken mit sich. Bevor jedoch Handelsvertreter engagiert werden, sollten Unternehmen einige wesentliche Aspekte beachten. Während Teil 1 der Serie in unserem Blogbeitrag vom 2. Juli 2024 die rechtliche Gestaltung und den Inhalt des Handelsvertretervertrags zum Inhalt hatte, soll in Teil 2 der Ausgleichsanspruch und der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs näher beleuchtet werden.

Der Handelsvertreter genießt durch gesetzliche Regelungen einen umfassenden Schutz. Ein zentrales Element hiervon ist der Ausgleichsanspruch, den der Handelsvertreter bei Beendigung des Vertrags gegenüber dem Unternehmer geltend machen kann.

Ausgleichsanspruch

Die Berechnung des Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB ist oft komplex und erfolgt in mehreren Schritten. Da der Ausgleichsanspruch häufig zu rechtlichen Auseinandersetzungen führt und nicht vorab ausgeschlossen oder beschränkt werden kann, ist es wichtig, die rechtlichen Grundsätze und die
Berechnungsweise zu verstehen.

Voraussetzungen für den Ausgleichsanspruch

Voraussetzung für den Ausgleichsanspruch ist, dass das Handelsvertreterverhältnis beendet ist. Der Anspruch muss innerhalb eines Jahres nach Vertragsende geltend gemacht werden. Kein Ausgleichsanspruch entsteht, wenn der Handelsvertreter selbst kündigt, es sei denn, die Kündigung ist durch das Verhalten des Unternehmers begründet (z.B. bei vertragswidriger Nichtzahlung der Provision) oder der Handelsvertreter kündigt wegen Krankheit oder Alter.

Ein Ausgleichsanspruch ist ferner ausgeschlossen, wenn eine außerordentliche Kündigung durch den Unternehmer bei schwerer Pflichtverletzung (z.B. Verletzung des Wettbewerbsverbots, Nichtabführung vereinnahmter Zahlungen oder falsche (Reisekosten-) Abrechnung) des Handelsvertreters aus wichtigem Grund erfolgt. Wenn eine solche schwere Pflichtverletzung des Handelsvertreters vorliegt, sollte der Unternehmer daher unbedingt darauf achten, den Vertrag außerordentlich und nicht nur ordentlich zu kündigen, da der Handelsvertreter ansonsten dennoch einen Ausgleichsanspruch geltend machen kann.
Ein Ausgleichsanspruch besteht nur, wenn die vom Handelsvertreter geschaffenen Kundenbeziehungen dem Unternehmer auch nach Vertragsende erhebliche Vorteile bringen, indem sie zu weiteren Geschäften führen. Dies entfällt bspw., wenn der Unternehmer seinen Betrieb schließt.

Höhe des Ausgleichsanspruchs

Die Höhe des Ausgleichsanspruchs wird in einem zweistufigen Verfahren ermittelt: Zunächst wird der Rohausgleich berechnet und sodann die Ausgleichshöchstgrenze ermittelt und geprüft, ob der Rohausgleich diese übersteigt.

Schritt 1: Berechnung des Rohausgleichs

Zuerst werden die Unternehmervorteile prognostiziert, die sich aus den Folgegeschäften mit den vom Handelsvertreter gewonnenen oder intensivierten Kunden ergeben. Diese Unternehmervorteile entsprechen den Provisionsverlusten des Handelsvertreters durch das Vertragsende. Dabei werden sowohl neu gewonnene Stammkunden als auch Altkunden berücksichtigt, deren Umsätze der Handelsvertreter wesentlich erhöht hat. Als Grundlage für die Berechnung der Provisionsverluste dienen die Provisionen, die der Handelsvertreter in den letzten zwölf Monaten vor Vertragsende aus diesen berücksichtigungsfähigen Kunden erzielt hat.
Anschließend muss ein Prognosezeitraum festgelegt werden, abhängig davon, wie lange der Handelsvertreter noch Einnahmen aus seinen vermittelten Geschäften erwarten kann. Dieser Zeitraum variiert je nach Branche und Produkten und liegt typischerweise zwischen zwei und fünf Jahren.

Zudem kann eine Abwanderungsquote berücksichtigt werden, da erfahrungsgemäß jedes Jahr Kunden abwandern. Diese Quote wird berechnet, indem der Gesamtumsatz mit den neu gewonnenen oder intensivierten Stammkunden zu Jahresbeginn ins Verhältnis zu dem durch die Abwanderung verringerten Jahresumsatz zum Jahresende gesetzt wird. Die jährliche Abwanderungsquote beträgt in der Regel etwa 10-25%, variiert jedoch je nach Branche und Produkten. Wenn der Unternehmer darlegen kann, dass ein erhöhter Verlust von Stammkunden zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigung absehbar war, kann eine höhere Abwanderungsquote zugrunde gelegt werden. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn der Handelsvertreter bereits vor Vertragsende ein eigenes Konkurrenzunternehmen gegründet und Kunden abgeworben hat.
Zuletzt ist eine Abzinsung vorzunehmen, da der Provisionsverlust des Handelsvertreters erst in der Zukunft eintritt, er die Zahlung aber bereits im Voraus erhält.

Schritt 2: Berechnung und Prüfung der Höchstgrenze

Nach Feststellung des angemessenen Rohausgleichs wird die Ausgleichshöchstgrenze ermittelt und geprüft, ob der Rohausgleich diese übersteigt. Der Ausgleichsanspruch darf eine Jahresprovision nicht überschreiten. Unternehmer sollten daher stets prüfen, ob der Höchstbetrag den Rohausgleich und damit den Ausgleichanspruch begrenzt.

Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs

Ebenso wie der Ausgleichsanspruch ist auch der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs oft Anlass für Streitigkeiten in Handelsvertreterverhältnissen. Jeder Handelsvertreter kann nach Erhalt der Provisionsabrechnung ohne Begründung einen Buchauszug über alle provisionsrelevanten Geschäfte verlangen. Dieser Anspruch erstreckt sich über die gesamte Vertragsdauer, wird jedoch in der Regel erst nach Vertragsende (oft zusammen mit dem Ausgleichsanspruch) geltend gemacht. Die Erstellung des Buchauszugs bedeutet für den Unternehmer oft erheblichen Aufwand. Dabei kann es hilfreich sein, genau zu wissen, welche Informationen in den Buchauszug aufgenommen werden müssen und in welcher Form dieser zu erteilen ist.

Inhalt des Buchauszugs

Im Buchauszug müssen alle provisionspflichtigen Geschäfte vollständig, klar und übersichtlich dargestellt sein. Dazu gehören Identifizierungsmerkmale der Geschäfte wie Kundennummer, Vertragsnummer oder Name und Anschrift des Kunden sowie Informationen über den Gegenstand und die Menge der Lieferung, Lieferdatum, Netto- und Bruttopreise, Rückgaben und Nichtausführung von Geschäften sowie deren Gründe.

Der Buchauszug muss dem Handelsvertreter ermöglichen, sich umfassend über die Geschäftsabschlüsse zu informieren und die Provisionsabrechnung für jedes provisionspflichtige Geschäft zu überprüfen. Bei nicht ausgeführten Geschäften müssen die Angaben daher so detailliert sein, dass der Handelsvertreter prüfen kann, ob die Nichtausführung auf Gründen beruht, die der Unternehmer zu vertreten hat.

Der Buchauszug muss aber nur solche Angaben enthalten, die sich aus den Büchern des Unternehmers ergeben. Was sich nicht aus diesen Büchern ergibt, braucht nicht in den Buchauszug aufgenommen zu werden. Fehlen in den Büchern jedoch notwendige Informationen, kann der Handelsvertreter einen zusätzlichen Auskunftsanspruch geltend machen. Ein Buchauszug ist zudem nicht erforderlich, wenn die Provisionsabrechnungen bereits alle relevanten Daten enthalten, die für den Handelsvertreter von Interesse sind.

Form des Buchauszugs

Die Form des Buchauszugs liegt grundsätzlich im Ermessen des Unternehmers. Der Buchauszug kann entweder durch Übermittlung physischer Dokumente oder auch elektronisch erfolgen, bspw. über die Bereitstellung eines Zugangs zu einem Online-Portal oder in Dateiform. Es genügt jedoch nicht, wenn der Unternehmer lediglich eine Vielzahl von Unterlagen zur Verfügung stellt, aus denen sich der Handelsvertreter die relevanten Informationen heraussuchen muss.

Rechtsmissbräuchliche Klage

Eine Klage auf Erteilung eines Buchauszugs ist rechtsmissbräuchlich und damit unbegründet, wenn sie in Wahrheit nicht der Überprüfung der Provisionsabrechnungen dient, sondern den Unternehmer vielmehr bezüglich des Ausgleichsanspruchs oder anderer Forderungen unter Druck setzen soll.

Fazit

Die Beauftragung von Handelsvertretern bietet Unternehmen eine effiziente Möglichkeit, ihren Vertrieb zu optimieren. Eine sorgfältige Gestaltung des Handelsvertretervertrags, wie in Teil 1 dieser Serie dargestellt, ist dabei entscheidend. Unternehmen müssen zudem berücksichtigen, dass Handelsvertreter nach Vertragsbeendigung in der Regel Anspruch auf einen Ausgleich haben und jederzeit einen Buchauszug verlangen können. Klare vertragliche Regelungen und die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben sind unerlässlich, um im Streitfall gut gerüstet zu sein.

Vanessa Meißner, LL.M.

Rechtsanwältin

Senior Associate
Vanessa Meißner berät nationale und internationale Unternehmen vorwiegend in der Gestaltung von Anstellungs-, Aufhebungs-, und Abwicklungsverträgen. Darüber hinaus konzentriert sie sich auf betriebsverfassungsrechtliche Fragen.
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