open search
close
Arbeitsrecht 4.0 Weisungsrecht

Agile Transformation von Unternehmen – Arbeitsrechtliche Best Practice (Teil 4)

Print Friendly, PDF & Email
Agile

Im heutigen Teil unserer Beitragsreihe zur agilen Transformation von Unternehmen gehen wir näher auf die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen der Bildung von agilen Teams in der neuen Organisationsstruktur ein. Insoweit sind sowohl individual- als auch kollektivrechtliche Aspekte zu berücksichtigen.

Die Bildung agiler Teams in der neuen Organisation

Die Implementierung der neuen Organisationsstruktur – mit zumeist völlig neuen Organisationseinheiten ist nur der erste Schritt der Umsetzung der agilen Transformation. Denn auch wenn die Mitarbeiter in die neue Organisationsstruktur überführt und ihrer neuen disziplinarischen Führungskraft zugeordnet sind, ist der arbeitsorganisatorische Wandel zumeist noch nicht abgeschlossen. Denn Bestandteil der meisten agilen Organisationsformen ist die Bildung agiler, oft interdisziplinärer Teams zur Verfolgung bestimmter arbeitstechnischer Zwecke („Scrum-Teams“, „Squads“ etc.).

Diese Zwecke können dabei vielerlei Gestalt haben – etwa die (Weiter-)Entwicklung oder Betreuung bestimmte Produkte oder die Bearbeitung bestimmter Prozesse. In zeitlicher Hinsicht ist denkbar, dass agile Teams – je nach dem verfolgten Zweck – für nur wenige Tage oder Wochen (ähnlich einer Projekttätigkeit) oder aber auch für mehrere Jahren gebildet werden. Letzteres mag etwa der Fall sein, wenn der Zweck des Teams in der Bearbeitung eines bestimmten Produktes liegt.

Zuweisung zu einem agilen Team – ein Fall des Direktionsrechts

Auch wenn die Reichweite des Direktionsrechts des Arbeitsgebers letztlich immer von der konkreten Ausgestaltung des jeweiligen Arbeitsvertrags abhängt, sind in der Praxis kaum Vertragsgestaltungen denkbar, die eine einseitige Zuweisung des Mitarbeiters mit seiner vertraglichen Tätigkeit in ein agiles Team durch den Arbeitgeber einschränken. Daher wird in nahezu sämtlichen Fällen eine solche Zuweisung vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt sein.

Eine Ausnahme kann gegebenenfalls etwa dann vorliegen, wenn mit der Zuteilung eine Veränderung des Arbeitsortes einhergeht.

Kollektivrechtliche Aspekte der Bildung agiler Teams

Sofern mit dem zuständigen Betriebspartner ein Interessenausgleich zur agilen Transformation abgeschlossen wird (siehe unserer früherer Beitrag zum Thema), wird dieser in der Regel bereits die Grundsatzentscheidung zur Bildung von agilen Teams (Scrum-Teams, Squads etc.) in der neuen Organisation vorsehen. Daneben kann es im Einzelfall ratsam sein, eine begleitende Betriebsvereinbarung (etwa „BV Agiles Arbeiten“) zur Regelung weiterer Themenkomplexe mit dem zuständigen Betriebspartner abzuschließen. Dies gilt im Hinblick auf die Bildung agiler Teams – je nach konkreter Ausgestaltung der Arbeitsweise dieser Einheiten – auch insbesondere zur Wahrung möglicher Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 13 BetrVG (Durchführung von Gruppenarbeit).

Spannend ist auch die Frage, ob die Zuordnung des einzelnen Mitarbeiters zu einem agilen Team (ohne Veränderung der disziplinarischen Zuordnung) eine Versetzung im Sinne des § 95 Abs. 3 BetrVG darstellt mit der Folge einer Beteiligungspflicht des zuständigen Betriebsrats nach § 99 BetrVG.

Aus der vorhandenen Rechtsprechung zu § 95 Abs. 3 BetrVG lassen sich insoweit lediglich Anhaltspunkte für eine solche Beurteilung mit Blick auf agile Teams gewinnen. Im Ergebnis wird es – wie so oft – immer auf eine Einzelfallbetrachtung hinauslaufen. Bei dieser dürften etwa die (voraussichtliche) Dauer der Zuordnung und auch die „Festigkeit“ der Verbundstruktur der agilen Teams eine Rolle spielen. So wird etwa bei der Zuordnung eines Mitarbeiters zu einem agilen Team im Sinne eines kurzzeitig tätigen Projektteams wohl kein Zweifel daran bestehen, dass diese keine betriebsverfassungsrechtliche Versetzung darstellt.

Herstellung eines gemeinsamen Verständnisses ratsam

Zwar handelt es sich bei der Frage nach einer möglichen betriebsverfassungsrechtlichen Versetzung im Falle der Zuteilung eines Mitarbeiters zu einem agilen Team um eine Rechtsfrage, die nicht der Disposition der Betriebsparteien unterliegt. Dennoch empfiehlt sich hier zur praktikablen Handhabung einer (etwaigen) Einbeziehung der Betriebsräte im Falle von Veränderungen der agilen Teams die Festschreibung eines gemeinsamen Verständnisses.

So könnte im Rahmen der zuvor bereits erwähnten „BV Agiles Arbeiten“ etwa festgehalten werden, dass die Betriebsparteien die Zuweisung eins Mitarbeiter zu einem agilen Team nicht als Versetzung ansehen, der zuständige Betriebsrat aber in einer in der BV festgelegten Form über Veränderungen informiert wird. Hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der Beteiligungsform der Betriebsräte bestehen hier unterschiedlichste Möglichkeiten.

Der Beitrag wird fortgesetzt.

KLIEMT.Arbeitsrecht




Wir sind Deutsch­lands führende Spe­zi­al­kanz­lei für Arbeits­recht (bereits vier Mal vom JUVE-Handbuch als „Kanzlei des Jahres für Arbeitsrecht“ ausgezeichnet). Rund 90 erst­klas­sige Arbeits­rechts­exper­ten beraten Sie bundesweit von unseren Büros in Düs­sel­dorf, Berlin, Frankfurt, München und Hamburg aus. Kompetent, persönlich und mit Blick für das Wesent­li­che. Schnell und effektiv sind wir auch bei komplexen und grenz­über­schrei­ten­den Projekten: Als einziges deutsches Mitglied von Ius Laboris, der weltweiten Allianz der führenden Arbeitsrechtskanzleien bieten wir eine erstklassige globale Rechtsberatung in allen HR-relevanten Bereichen.
Verwandte Beiträge
Arbeitnehmerüberlassung Compliance Haftung Werkvertrag

Agile Transformation von Unternehmen – Arbeitsrechtliche Best Practice (Teil 6)

Unsere Beitragsreihe rund um ein agiles Transformationsprojekt wird fortgesetzt – heute zu der Frage, wie sich eine (agil) transformierte Organisation mit dem Einsatz von Fremdpersonal verträgt – und welche Best-Practice-Ansätze helfen, Haftungsrisiken zu vermeiden. Der „Klassiker“: die bunt gemischte IT-Abteilung In vielen Unternehmen existierte jedenfalls in der Vergangenheit keine klare Trennung zwischen eigenen Arbeitnehmern, überlassenen Arbeitnehmern und Dienstleistern auf Werk- oder Dienstvertragsbasis. Vielmehr war eine…
Arbeitsrecht 4.0 Kündigung, betriebsbedingt Matrix Unternehmensführung

Agile Transformation von Unternehmen – Arbeitsrechtliche Best Practice (Teil 5)

Im heutigen Teil unserer Beitragsreihe zur agilen Transformation von Unternehmen behandeln wir die Frage: Welche Herausforderungen stellen sich auf dem Weg von der Alt- in die Neuorganisation mit Blick auf die stellenbezogenen Veränderungen? Der Wechsel von der Alt- zur Neuorganisation Wer sich den Prozess des „Umklappens“ einer Organisation von alt auf neu als simples Übereinanderhalten von Org-Charts vorstellt, macht es sich zu einfach. Es mag…
Arbeitsrecht 4.0Betriebsverfassung Interessenausgleich

Agile Transformation von Unternehmen – Arbeitsrechtliche Best Practice (Teil 3)

Unsere Beitragsreihe rund um ein agiles Transformationsprojekt beschäftigt sich heute mit den Herausforderungen, vor denen die betriebsverfassungsrechtlichen Partner stehen – rechtlich wie tatsächlich. Denn das Denken in „klassischen“ Strukturen funktioniert schlicht nicht, bedenkt man die Besonderheiten der agilen Arbeitswelt. Die Agile Transformation verhandeln und umsetzen Agil zu werden im Sinne einer Mitnahme- und Beteiligungskultur bedeutet für den Arbeitgeber, auch jenseits der streng juristischen Mitbestimmungsfragen den…
Abonnieren Sie den kostenfreien KLIEMT-Newsletter.
Jetzt anmelden und informiert bleiben.

 

Die Abmeldung ist jederzeit möglich.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert