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Arbeitnehmerüberlassung

Update Zeitarbeit: AÜG-Reform passiert Bundesrat

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Zeitarbeit

Das Gesetz zur Reform der Arbeitnehmerüberlassung hat nun nach dem Bundestag am 25. November 2016 auch den Bundesrat passiert und tritt zum 1. April 2017 in Kraft.

Nach mehreren, in der Fachöffentlichkeit sehr kritisch diskutierten Regelungen der ersten Gesetzentwürfe hat sich das Gesetz nun weitgehend wieder dem Koalitionsvertrag angepasst, in dem vereinbart worden war, die Überlassungshöchstdauer zu begrenzen (mit Abweichungsmöglichkeiten), equal pay nach neun Monaten vorzuschreiben, den Einsatz von Leiharbeitnehmern als Streikbrecher zu verbieten und sie bei den Schwellenwerten des Betriebsverfassungsrechts zu berücksichtigen.

In letzter Sekunde kamen allerdings noch einige Änderungen dazu, insbesondere strenge Formalien bei der sogenannten „Festhaltenserklärung“.

Dem Gesetz war zunächst am 16. November 2015 ein Referentenentwurf vorausgegangen, der in seinen Regelungsinhalten noch weit über den Koalitionsvertrag hinausgegangen war. Er sah unter anderem die Neudefinition des Arbeitnehmerbegriffs vor, eine weitgehende Überführung von Werkverträgen in das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis und viele weitere umstrittene und teilweise missglückte Regelungen.

Auf heftige Kritik der Fachöffentlichkeit wurde der Entwurf bereits im Februar signifikant entschärft, und sollte nach letzten Anpassungen im Mai zunächst verabschiedet werden. Kurz vor der Verabschiedung kamen nun letzte Änderungen hinzu. Hier nun die Übersicht über die wesentlichen Diskussionspunkte und die Ergebnisse des – ungewöhnlich lauten und langen – Gesetzgebungsverfahrens.


Überblick über die wesentlichen Änderungen

  • Die Überlassungshöchstdauer wird auf 18 Monate begrenzt, und kann in Einzelfällen auf bis zu 24 Monate ausgeweitet werden; dabei wird auch klargestellt, dass die Überlassungsgrenze pro Arbeitnehmer, nicht pro Arbeitsplatz zählt, und dass Unterbrechungen von weniger als drei Monaten nicht zählen (§ 1 Abs. 1b AÜG). Neu: Auch im nicht tarifgebundenen Unternehmen soll von einer festen Obergrenze abgewichen werden können, also ein Einsatz auch länger als 24 Monate möglich bleiben – wenn im Tarifvertrag eine abweichende Obergrenze durch Betriebsvereinbarung vorgesehen ist.
  • Der Anspruch des Leiharbeitnehmers auf Equal Pay nach 9, im Ausnahmefall spätestens nach 15 Monaten wird gesetzlich kodifiziert. Neu: Zuvor waren maximal 12 Monate Ausdehnung möglich. Letzte Klarstellung: Es zählen erst Überlassungszeiten seit Inkrafttreten des Gesetzes.
  • Eine rechtlich schwierige und von Anfang an kritisierte Regelung behält der Entwurf bei, und verbietet den Einsatz von Leiharbeitnehmern als Streikbrechern. Änderung: Es wird klargestellt, dass eine Beschäftigung im Streik nicht generell untersagt ist, sondern Leiharbeitnehmer weiter eingesetzt werden können, wenn sie keine Aufgaben Streikender erledigen.
  • Weiter versucht der Entwurf seinem Ziel, die Anwendung des Gesetzes zu erleichtern, durch einen neuen § 611a BGB umzusetzen. Dieser schreibt die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien fest und soll so helfen, Werkverträge von Arbeitnehmerüberlassung abzugrenzen. Neu: Anders als im Referentenentwurf gibt es keinen festen Kriterienkatalog mehr, und sozialversicherungsrechtliche Bescheide entfalten für die arbeitsrechtliche Bewertung keine Indizwirkung mehr. Es gibt nun auch die korrekte Überschrift im BGB – „Arbeitsvertrag“ statt „Arbeitnehmer“.
  • In letzter Minute neu ist nun eine strenge Formalisierung der Festhaltenserklärung, mit der der Leiharbeitnehmer im Falle der un­wirksamen Arbeitnehmerüberlassung die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher verhindern kann. Diese soll nach § 9 Abs. 2 AÜG n.F. nur wirksam sein, wenn (1.) der Leiharbeitnehmer sie persönlich bei der Agentur für Arbeit vorlegt, (2.) die Agentur für Arbeit diese mit dem Datum der Vorlage sowie mit einem Hinweis versieht, dass sie die Identität des Leiharbeitnehmers festgestellt hat und (3.) die Erklärung dem Ent- oder Verleiher spätestens am dritten Tag nach der Vorlage in der Agentur für Arbeit zugeht.
  • Weiter bringt das Gesetz eine Definition der Arbeitnehmerüberlassung (§ 1 Abs. 1 S. 2 AÜG), versieht Kettenüberlassungen mit einem Bußgeld (§ 1 Abs. 1 S. 3 AÜG), ordnet die ausdrückliche Benennung als „Leiharbeitsverhältnis“ an (§ 1 Abs. 1 S. 5 AÜG), verbietet den Einsatz von Leiharbeitnehmern im Arbeitskampf (§ 11 Abs. 5 AÜG) und ordnet die Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei be­triebsverfassungsrechtlichen und mitbestimmungsrechtlichen Schwellenwerten an (§ 14 Abs. 2 AÜG).

Neuregelungen im Einzelnen

Es bleibt ein Gesetzentwurf mit Höhen und Tiefen, der allerdings auf radikale Änderungen zum Großteil verzichtet, und sich im Kern wieder am Koalitionsvertrag ausrichtet. Darüber hinaus geht er wohl insbesondere bei der Kennzeichnungspflicht, der Fiktion eines Arbeitsverhältnisses und der Höhe möglicher Bußgelder.

Zu begrüßen ist zunächst der Verzicht des Entwurfs auf den praxisfremden Kriterienkatalog in § 611a Abs. 2 BGB. Letztlich wird die Reduzierung des Gesetzes auf die von der Rechtsprechung entwickelten Formeln zur Definition eines Arbeitsverhältnisses zu deutlich besseren Ergebnissen verhelfen, als ein Katalog von wenig greifbaren Kriterien.

Viel wichtiger noch erscheint aber, dass die Regelung in § 611a Abs. 3 BGB fallen gelassen wurde: Danach hätten die Ergebnisse einer Prüfung der DRV Bund auf den Arbeitsgerichtsprozess ausstrahlen sollen. Für den Arbeitgeber hätte dies praktisch zu einer Umkehr der Beweislast geführt, und er hätte darlegen müssen, warum die Betriebswirklichkeit nicht mit dem Bescheid der DRV Bund übereinstimmt, um sich gegen nicht erwünschte Arbeitnehmer zu verteidigen.

Kein Einsatz als Streikbrecher

Festgehalten hat der Entwurf an dem Verbot, Leiharbeitnehmer im Streikfalle (als Streikbrecher) einzusetzen. Ob dieser Eingriff mit der Tarifautonomie vereinbar ist – zu der auch die Arbeitskampfparität gehört und damit das Recht des Arbeitgebers, auf andere Arbeitnehmer auszuweichen – wird zu klären sein. Auf den ersten Blick sieht die Vorschrift des § 11 Abs. 5 AÜG n.F. tatsächlich so aus, als stärke sie die Macht der Gewerkschaft einseitig zu Lasten des bestreikten Arbeitgebers.

Daran dürfte auch die vermeintliche Klarstellung nichts ändern, dass Leiharbeitnehmer im Streikfalle zwar weiter eingesetzt werden dürfen, allerdings nicht mit den Aufgaben des Streikenden betraut werden dürfen: Das dürfte bisher schon durch das Wort „soweit“ zum Ausdruck gekommen sein. Diese Änderung auf den letzten Metern dürfte eher ein Scheinzugeständnis sein. Im Kern blieb der Koalition wohl kein Ausweichen mehr von dem im Koalitionsvertrag vereinbarten Verbot des Einsatzes von Leiharbeitnehmern als Streikbrecher.

Klärung von Streitfragen und neue Unklarheiten

Zu begrüßen ist es, dass bisher strittige Fragen der Rechtsanwendung beantwortet werden, etwa, wenn § 1 Abs. 1b AÜG n.F. die Höchstbegrenzung auf die Person des Leiharbeitnehmers bezieht, also nicht auf den Arbeitsplatz, wie teilweise vertreten wurde.

Auch die betriebsverfassungsrechtlichen (und mitbestimmungsrechtlichen) Schnittstellen werden klarer als bisher definiert: Dass der Betriebsrat gem. § 80 Abs. 2 BetrVG ein Informationsrecht über zeitlichen Umfang, Einsatzort und Arbeitsaufgaben von Leiharbeitnehmern hat, und Einsicht in die Verträge nehmen kann, ist grundsätzlich stimmig. Das gilt auch für die Einbeziehung von Leiharbeitnehmern in die Personalplanung gem. § 92 Abs. 1 BetrVG.

Dass Leiharbeitnehmer bei Schwellenwerten weitgehend zu berücksichtigen sind, ist ebenso stimmig wie die Ausnahme beim reinen Personalabbau gem. § 112a BetrVG, und führt vor allem zu Rechtssicherheit in der praktischen Anwendung.

Kritisch ist allerdings zu sehen, dass über die Neuregelung in § 80 Abs. 2 BetrVG bei wörtlicher Auslegung zum Beispiel auch Verträge externer Dienstleister wie Wirtschaftsprüfer und Anwälte unter Offenlegung ihres Auftrags und ihrer Honorare dem Betriebsrat vorzulegen wären. Dass das nicht gewollt ist, sondern nur „Beschäf­tigungsverträge“ im weiteren Sinne gemeint sind, ergibt sich aus der Verwendung des Ausdrucks „Verträge, die der Beschäftigung zu Grunde liegen“, aber auch aus der allgemeinen Bezugnahme auf die Aufgaben des Betriebsrats.

Ob die Vorschrift des § 1 Abs. 1 S. 5 und 6 AÜG n.F., wonach die Überlassung ausdrücklich als „Arbeitnehmerüberlassung zu bezeichnen ist“, und die Person „zu konkretisieren ist“, wirklich zum Ende der Vorratserlaubnis führt, wird sich zeigen.

Weiterhin ungelöst bleibt, wie die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses des betroffenen Arbeitnehmers mit dem Einsatzbetrieb funktionieren soll, die das Gesetz insbesondere bei Verstoß gegen die Kennzeichnungspflicht anordnet. Das fingierte Arbeitsverhältnis entsteht nicht, wenn sich der betroffene Arbeitnehmer dagegen ausspricht – die Erklärungsfrist knüpft jedoch nach wie vor nicht an seine Kenntnis an, sondern an objektive Kriterien. Das kann dazu führen, dass ein Arbeitsverhältnis (etwa mit einem freien Mitarbeiter) entsteht, ohne dass dieser davon weiß – ein Problem, das wohl die Rechtsprechung wird beantworten müssen.

Abschreckend wirkt die neue Mechanik der Festhaltenserklärung: Die notwendige persönliche Vorstellung bei der BfA wird zwar vermeintlichem Missbrauch durch vorab eingeholte Festhaltenserklärungen vorbeugen. Sie führt aber zu einer erheblichen Erschwernis bei den Arbeitnehmern, die lieber beim Leiharbeitsunternehmen bleiben, und gar kein Interesse haben, an einem Einsatzbetrieb „kleben“ zu bleiben.

Bleibt zu hoffen, dass die letzte Änderung – die Evaluation im Jahr 2020 – zu einer kritischen Überprüfung des Gesetzes führen wird, und die Leiharbeitsbranche bis dahin praktikable Lösungen gefunden haben wird. Mit weiteren Verbesserungen im laufenden Gesetzgebungsverfahren ist jedenfalls nicht mehr zu rechnen.

 

 Dieser Beitrag ist ein Update des bereits veröffentlichten Beitrags „Koalitionseinigung zur Leiharbeit – Die Eckpunkte“ vom 11. Mai 2016.

KLIEMT.Arbeitsrecht




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