Durch Gesetzesänderungen, Rechtsprechung und ablehnende Haltung von Arbeitnehmervertretern ist die Arbeitnehmerüberlassung nicht einfacher geworden. Andere Formen des drittbezogenen Personaleinsatzes (z.B. Werkverträge) sind in der Praxis nur begrenzt tauglich. Unternehmen allerdings benötigen nach wie vor flexibles und kostengünstigeres Personal. Insoweit kann der Gemeinschaftsbetrieb eine Alternative zur Arbeitnehmerüberlassung darstellen. Werden die Voraussetzungen des Gemeinschaftsbetriebs erfüllt, greifen die Beschränkungen der Arbeitnehmerüberlassung nicht.
Voraussetzungen des Gemeinschaftsbetriebs
Im Gemeinschaftsbetrieb werden die Betriebsmittel von selbständigen Unternehmen für einen gemeinsamen Zweck einheitlich genutzt.
Voraussetzungen für das Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebs sind neben einem gemeinsamen Betriebszweck eine Führungsvereinbarung sowie ein einheitlicher Leitungsapparat. Ein gemeinsamer Zweck setzt voraus, dass sich der unternehmensübergreifende Personaleinsatz nicht darauf beschränkt, dem anderen Unternehmen Mitarbeiter zur Förderung von dessen Betriebszweck zur Verfügung zu stellen. Der gemeinsame Zweck sollte bereits in den Satzungen der Unternehmen dokumentiert werden. Die Führungsvereinbarung sollte schriftlich geschlossen werden und Folgendes festlegen: gemeinsame räumliche Unterbringung, Nutzung der Betriebsmittel und Steuerung der Mitarbeiter.
Die Führungsvereinbarung hat Indizwirkung. Allerdings kommt es letztlich auch hier auf die faktische Umsetzung an, die Führungsvereinbarung muss also gelebt werden. Ein einheitlicher Leitungsapparat setzt voraus, dass die Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten gemeinsam wahrgenommen werden: insbesondere Einstellung, Entlassung und Versetzung von Mitar-beitern. Das kann durch eine gemeinsame Personalabteilung erfolgen. Zudem sollte die Geschäftsführung der beteiligten Unternehmen möglichst (teilweise) personenidentisch sein.
Abgrenzung zwischen Gemeinschaftsbetrieb und Arbeitnehmerüberlassung
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts schließen sich Arbeitnehmerüberlassung und der Einsatz von Mitarbeitern durch die am Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Unternehmen aus.
Bei der Arbeitnehmerüberlassung wird der Mitarbeiter in den Betrieb des Entleihers eingegliedert. Der Entleiher nimmt den Mitarbeiter in seine Betriebsorganisation wie einen eigenen Mitarbeiter auf und übt das Weisungsrecht aus. Im Gemeinschaftsbetrieb liegt weder eine Eingliederung in eine fremde Organisation vor noch wird das Weisungsrecht durch einen Dritten ausgeübt. Denn beim Beschäftigungsbetrieb handelt es sich nicht um einen fremden, sondern um einen gemeinsamen – und damit auch eigenen – Betrieb der beteiligten Unternehmen. Dagegen fallen bei der Arbeitnehmerüberlassung Stammbetrieb und Beschäftigungsbetrieb auseinander. Die Grenzziehung zwischen Arbeitnehmerüberlassung und Gemeinschaftsbetrieb wird schwieriger, wenn sich eines der Unternehmen auf die Einbringung von Personal beschränkt. Zwar fordert das Bundesarbeitsgericht für den Gemeinschaftsbetrieb nicht, dass die Betriebsmittel von beiden Unternehmen eingebracht werden. Doch ist die Nutzung der Betriebsmittel durch beide Unternehmen erforderlich. Beide Unternehmen müssen am gemeinsamen Betriebszweck mitwirken. Es darf keine vollständige Unterordnung stattfinden, sondern jedes Unternehmen muss an der Leitung des Gemeinschaftsbetriebs beteiligt sein.
Keine unzulässige Umgehung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes
Bisher sieht die Rechtsprechung den Einsatz des Gemeinschaftsbetriebs – und damit die Vermeidung der Beschränkungen der Arbeitnehmerüberlassung – nicht als unzulässige Umgehung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes an. Dies zu Recht. Denn Mitarbeiter im Gemeinschaftsbetrieb werden nicht an wechselnde Entleiher überlassen, sondern im eigenen Betrieb eingesetzt. Die Mitarbeiter sind auch nicht dem Weisungsrecht wechselnder Entleiher ausgesetzt, sondern werden vom einheitlichen Leitungsapparat gesteuert.
Unterschiedliche Entgeltstrukturen im Gemeinschaftsbetrieb
Unterschiedliche Entgeltstrukturen sind für Unternehmen im Gemeinschaftsbetrieb grundsätzlich möglich. Der (individualrechtliche) Gleichbehandlungsgrundsatz gilt im Gemeinschaftsbetrieb nur gegenüber dem jeweiligen Vertragsarbeitgeber. Betriebsrat und Gewerkschaften könnten allerdings versuchen, eine Konsolidierung zu erwirken.
Fazit
Weiterbeschäftigungspflicht und Sozialauswahl gelten im Gemeinschaftsbetrieb unternehmensübergreifend. Das muss in Kauf genommen werden. Werden die Voraussetzungen des Gemeinschaftsbetriebs erfüllt, können aber die Beschränkungen der Arbeitnehmerüberlassung vermieden werden und sind unterschiedliche Entgeltstrukturen möglich.