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Gleitzeit für freigestellte Betriebsratsmitglieder?

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Am 28. Juni 2024 hat der Bundestag eine gesetzliche Neuregelung zur Betriebsratsvergütung beschlossen (näher dazu Bundestag beschließt Novellierung der Betriebsratsvergütung ). Dennoch bleiben auch nach dieser Gesetzesänderung viele Unsicherheiten bei der ordnungsgemäßen Vergütung von Betriebsratsmitgliedern.

Ein bisher wenig beachtetes Thema ist der Umgang mit Gleitzeitkonten für Mitglieder des Betriebsrats, die nach § 38 Abs. 1 BetrVG von ihrer beruflichen Tätigkeit voll freigestellt sind. Wesentliches Merkmal von Gleitzeitsystemen ist, dass die Mitarbeitenden im Rahmen vorgegebener Parameter selbständig über die Arbeitszeit bestimmen dürfen. Dabei dürfen sie vor allem Plusstunden ansammeln und diese während des festgelegten Bezugs- bzw. Ausgleichszeitraums durch Freizeit ausgleichen. Verbleiben nach Ende dieses Zeitraum Plusstunden, verfallen diese entweder oder werden ausbezahlt – je nachdem, wie das Gleitzeitsystem dies regelt.

Betriebsratstätigkeit kann im Gleitzeitsystem erfasst werden

Nun erbringen freigestellte Betriebsratsmitglieder keine vergütungspflichtige Arbeitsleistung. Ihre Anwesenheitszeiten betreffen ausschließlich ehrenamtlich erbrachte Betriebsratstätigkeit. Das BAG hat dennoch anerkannt, dass (freigestellte) Betriebsratsmitglieder an einem Gleitzeitsystem teilnehmen können (BAG, Urteil vom 28. September 2016 – 7 AZR 248/14).>

Gesetzliche Regelungen zum Ausgleich von zusätzlicher Betriebsratstätigkeit bleiben dennoch anwendbar

Gleichzeitig hat das BAG vorgegeben, dass der Ausgleich von Betriebsratstätigkeit, die außerhalb der Arbeitszeit erbracht wurde, nach den gesetzlichen Regelungen zu erfolgen hat.

§ 37 Abs. 3 BetrVG regelt diesen Ausgleich zweistufig: Zunächst hat das Betriebsratsmitglied Anspruch auf Freizeitausgleich. Voraussetzung ist, dass aus betriebsbedingten Gründen Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit erbracht wurde. Ist ein Freizeitausgleich aus betriebsbedingten Gründen nicht möglich, wird die aufgewendete Zeit wie Mehrarbeit vergütet.

Innerhalb des Ausgleichszeitraums dürfen nach Auffassung des Gerichts aber auch freigestellte Betriebsratsmitglieder zusätzlich erbrachte Betriebsratstätigkeit ansammeln und diese selbständig durch Freizeit ausgleichen. Sie müssen daher in dieser Zeit nicht den gesetzlichen Ausgleichsanspruch geltend machen.

Positives Gleitzeitkonto nach Ende des Ausgleichszeitraums?

Anders ist es nach Ende des Ausgleichszeitraums. Besteht dann ein positives Gleitzeitkonto, muss das in § 37 Abs. 3 BetrVG vorgesehene Verfahren eingehalten werden. Dann muss das Betriebsratsmitglied darlegen, weshalb die zusätzliche Betriebsratstätigkeit erforderlich war, aus welchen betriebsbedingten Gründen sie angefallen ist und welche betriebsbedingten Gründe dem Freizeitausgleich während des Ausgleichszeitraums entgegenstanden.

Kritische Prüfung der Gleitzeitmodelle sinnvoll

Angesichts dieser Anforderungen des BAG kann es sinnvoll sein, bestehende Gleitzeitregelungen im Hinblick auf freigestellte Betriebsratsmitglieder zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. So wird beispielsweise die Anordnung von Vorgesetzten, Plusstunden abzubauen, wenn Konten im gelben oder roten Bereich sind, für freigestellte Betriebsratsmitglieder keine Anwendung finden können.

Aber auch der Bezugs- bzw. Ausgleichszeitraum der Gleitzeitregelung sollte kritisch betrachtet werden. Das BAG hat in dem o.g. Urteil einen Bezugs- bzw. Ausgleichszeitraum von 18 Monaten für freigestellte Betriebsratsmitglieder nicht beanstandet. Allerdings wird über diesen langen Zeitraum die Darlegungspflicht des Betriebsratsmitglieds und die Prüfungspflicht des Arbeitgebers erschwert. Daher kann es sinnvoll sein, diesen Zeitraum zu verkürzen. Die Wahl des Bezugs- bzw. Ausgleichszeitraums für freigestellte Betriebsratsmitglieder sollte sich an dieser Praktikabilität sowie den Regelungen von § 37 Abs. 3 BetrVG orientieren.

Fazit

Die Gesetzesänderung macht den Abschluss einer Betriebsvereinbarung für bestimmte Aspekte der Betriebsratsvergütung für viele Betriebsparteien attraktiv. In diesem Zuge ist es zu empfehlen, das gesamte System der Vergütung zu beleuchten und rechtlich zulässige und praktikable Lösungen zu vereinbaren.

Dr. Kara Preedy, LL.M., lic.dr.

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Partnerin
Dr. Kara Preedy berät nationale und internationale Unternehmen in allen Bereichen des Individual- und Kollektivarbeitsrechts sowie im Rahmen von gesellschaftsrechtlichen Transaktionen. Sie verfügt über umfassende Erfahrungen bei Restrukturierungen und Betriebsänderungen sowie im Rahmen von High-Level Exits. Zudem ist sie spezialisiert auf die Gestaltung und Implementierung von Arbeitsbedingungen, insbesondere Vergütungsmodellen und Compliance-Systemen. Dr. Kara Preedy hält regelmäßig Vorträge im In- und Ausland zu Fragen des deutschen und europäischen Arbeitsrechts.
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