Die Reichweite des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrates bei personellen Einzelmaßnahmen nach § 99 BetrVG ist häufiger Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat in einer interessanten Entscheidung über die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zu einer AT-Eingruppierung entschieden – u.a. wegen Überschreitung eines vereinbarten Gehaltsbandes (Beschluss vom 02.05.2023 – 8 TaBV 17/22). Die Entscheidung erhellt einige häufig vorkommende Fragen der Praxis.
Worum ging es?
Arbeitgeber und Betriebsrat stritten im Verfahren über die (vom Betriebsrat verweigerte) Zustimmung zur Eingruppierung eines AT-Beschäftigten. Im Betrieb galt die „Betriebsvereinbarung über die Einführung von Funktionsgruppen und Gehaltsbandbreiten im außertariflichen Bereich“ (BV AT). Diese regelt ein Vergütungssystem für außertarifliche Mitarbeiter mit zwei Funktionsgruppen, AT I (z.B. Teamleiter) und AT II (z.B. Abteilungsleiter). Die BV AT legte zudem Gehaltsbänder fest, die im Band AT-I Jahresgehälter von 40.000,00 EUR bis 59.400,00 EUR und im Band AT-II Jahresgehälter von 47.000,00 EUR bis 66.600,00 EUR vorsahen.
Außerdem enthielt die BV AT die Regelung, wonach „der Endwert der Gehaltsbänder im Ausnahmefall durch Gewährung einer Arbeitsmarktzulage überschritten werden“ kann, wofür „die Zustimmung des Betriebsrats erforderlich“ ist. Die Grundvergütung der AT-Mitarbeiter sollte nach der BV in 13 Monatsgehältern gezahlt werden.
Der Arbeitgeber beabsichtigte nun, einen Bewerber als „Executive Chef Product Development, Vergütung AT II laut Haustarifvertrag“ einzustellen. Das Jahresgrundgehalt sollte 75.000 EUR betragen und es sollte eine Funktionszulage i. H. v. 500 EUR gewährt werden. Die Vergütung sollte ferner in zwölf statt in 13 Monatsgehältern geleistet werden.
Der Betriebsrat widersprach der geplanten Eingruppierung des Arbeitnehmers und begründete dies damit, dass ein Verstoß gegen die BV AT gemäß § 99 Abs. 1 Nr. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) vorläge. Die BV AT sehe für die Bestimmung des Gehalts eine maximale Bandbreite von bis zu 66.600 EUR vor.
Die Entscheidung des LAG
Das LAG sah alle Gründe des Betriebsrats zur Zustimmungsverweigerung als unberechtigt an und ersetzte daher dessen verweigerte Zustimmung nach § 99 Abs. 4 BetrVG.
Die Einwände des Betriebsrats wären nicht gegen die Eingruppierung als solche gerichtet, da er nicht geltend gemacht hätte, die Position sei in einer anderen Funktionsgruppe der BV AT einzugruppieren. Mitbestimmt i.S.v. § 99 BetrVG sei aber die Eingruppierung als solche, also die Zuordnung eines Arbeitnehmers aufgrund der von ihm vertragsgemäß auszuübenden Tätigkeit zu einer bestimmten Vergütungsgruppe einer im Betrieb geltenden Vergütungsordnung, hier also der BV AT. Die Betriebsparteien waren sich im vorliegenden Fall aber gerade einig, dass die auszuübende Tätigkeit einer Eingruppierung in die Funktionsgruppe AT II BV AT entspricht. Die Einwendungen des Betriebsrates gegen Details der vorgesehenen Vergütung hielt das LAG dagegen für unbeachtlich:
1. Auszahlung der Vergütung in 13 Monatsgehältern
Die Zahlung von zwölf statt – wie in der BV AT vorgesehen – 13 Monatsgehältern berechtige nicht zur Zustimmungsverweigerung zur Eingruppierung. Nicht jeder (mögliche) Verstoß gegen Regelungen einer Betriebsvereinbarung stelle einen Zustimmungsverweigerungsgrund im Rahmen von § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG dar. Das setze vielmehr voraus, dass gerade die mitbestimmte personelle Einzelmaßnahme als solche, hier also die Eingruppierung, gegen eine der in § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG genannten Rechtsvorschriften verstoße. Ob zwölf oder 13 Monatsgehälter pro Jahr – für die Frage der zutreffenden Eingruppierung spiele das keine Rolle.
2. Zahlung einer Funktionszulage
Entsprechendes gelte für das Vorbringen des Betriebsrats, er habe der Zahlung einer vorgesehenen Arbeitsmarktzulage nicht zugestimmt. Unabhängig davon, ob insoweit eine Zustimmungspflicht bestanden haben mag, betreffe auch dies nicht die Frage, ob die einzustellende Person richtig eingruppiert sei oder nicht.
3. Überschreitung von AT-Gehaltsbandbreiten
Auch der Einwand, dass das Jahresgehalt von 75.000 EUR die in der Betriebsvereinbarung vorgesehene Gehaltsbandbreite (47.000,00 – 66.600,00 EUR) überschreite, greife nicht durch. Der Betriebsrat sei nicht dazu befugt, dem Arbeitgeber die arbeitsvertragliche Vereinbarung höherer Gehälter im Einzelfall zu untersagen. Der Arbeitgeber dürfe stets im Vergleich zur Betriebsvereinbarung günstigere Vergütungen vereinbaren; die zwingende Wirkung der Betriebsvereinbarung nach § 77 Abs. 4 BetrVG werde insoweit durchbrochen (sog. Günstigkeitsprinzip).
Zu den mitbestimmungspflichtigen Entgeltfindungsregeln gehöre (nur) der Aufbau von Vergütungsgruppen und die Festlegung der Vergütungsgruppenmerkmalen. Dabei solle die Mitbestimmung des Betriebsrats die Arbeitnehmer vor einer einseitig an den Interessen des Unternehmens orientierten Lohngestaltung schützen, indem sie der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit sowie der Angemessenheit und Transparenz des Lohngefüges diene.
Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG erstrecke sich jedoch nicht auf arbeitsvertragliche Individualabreden zur Entgelthöhe; denn Fragen der Lohn- oder Gehaltshöhe sind der Regelungsmacht des Betriebsrats entzogen. Handele es sich nicht um eine kollektive Regelung – wie etwa in Bezug auf arbeitsvertraglich vereinbarte Entgelte der Arbeitnehmer –, stehe nicht die abstrakte Lohngerechtigkeit als maßgeblicher Gesichtspunkt im Fokus. Vor diesem Hintergrund sei der Betriebsrat nicht befugt, dem Arbeitgeber im Einzelfall die Vereinbarung einer höheren Vergütung zu untersagen oder eine solche von seiner Zustimmung abhängig zu machen.
4. Kein Eingriff in das betriebliche Vergütungssystem
Ein zur Zustimmungsverweigerung berechtigender Verstoß gegen die BV AT liege auch nicht darin, dass der Arbeitgeber durch die für den Bewerber vorgesehene Vergütung einseitig die Gehaltsbandbreiten der BV AT ändere, also in das betriebliche Vergütungssystem eingreifen und so die innerbetriebliche Lohngerechtigkeit verschieben würde.
Es liege kein Eingriff in das allgemeine betriebliche Vergütungssystem vor. Es sei schon nicht ersichtlich, inwieweit die für einen einzelnen Arbeitnehmer vorgesehene Vergütungshöhe (unter Beachtung des Günstigkeitsprinzips und der Grenzen des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG) zu einer Änderung der kollektivrechtlichen Vergütungsordnung führe. Das Vergütungssystem nach der BV AT werde in seinen abstrakt-generellen Grundsätzen nicht angetastet. Die „überschießende“ Vergütung ändere nichts an dem allgemeinen Charakter der Vergütungsgrundsätze, den Funktionsgruppen und den Gehaltsbandbreiten. In einer Betriebsvereinbarung vorgesehene Gehaltsbänder könnten keine den Arbeitgeber verpflichtende Gehaltsobergrenze in dem Sinne festschreiben, dass dieser dem Arbeitnehmer im Einzelfall keine höhere Vergütung zahlen dürfte (s.o.).
Auch wenn Zahlungen über die Gehaltsbandbreite der Funktionsgruppe AT II hinaus den rechnerischen Durchschnitt der Vergütungen verschieben, bedeute das nicht automatisch einen unzulässigen Eingriff in das betriebliche Gehaltsgefüge. Dem Arbeitgeber sei es nicht verwehrt, mit einzelnen Arbeitnehmern für diese günstigere Entgeltvereinbarungen abzuschließen (s.o.).
Fazit
Die Mitbestimmung der Betriebsräte bei der Eingruppierung von AT-Angestellten ist komplex, aber geht nicht so weit, wie Betriebsräte oftmals vermuten. Der Arbeitgeber ist nicht einmal verpflichtet, über die Angaben zur Eingruppierung hinaus auch die Höhe des Gehalts des einzugruppierenden Arbeitnehmers mitzuteilen. Das LAG Rheinland-Pfalz hat damit eine Entscheidung mit vielen Facetten abgesetzt, welche die Grenzen der Mitbestimmung bei der Eingruppierung von AT-Angestellten justiert und für die Betriebspraxis wertvolle Hinweise enthält.