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Tätigkeit als Führungskraft rechtfertigt keine Befristung des Arbeitsverhältnisses

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Unternehmen sehen teilweise die Notwendigkeit, ihre Top-Führungskräfte auf der Grundlage befristeter Arbeitsverhältnisse zu beschäftigten. Die Gründe hierfür sind vielschichtig und vielfach wird betont, auf diesem Weg flexibel auf veränderte Anforderungen reagieren zu können. Das Bundesarbeitsgericht hat solchen Überlegungen allerdings mit seinem Urteil vom 01. Juni 2022 – 7 AZR 151/21 eine Absage erteilt.

Worum ging es?

Die Beklagte ist eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts und beschäftigt rund 12.000 Mitarbeiter. Neben zwei räumlich getrennten Unterabteilungen („Campus K.“ und „Campus L.“) unterhielt die Beklagte zwei campusübergreifende Zentren, ein Radiologiezentrum und ein Diagnostikzentrum, welche jeweils durch die Zentrumsleitung geführt wurden. Der für diese beiden Zentren zuständige geschäftsführende Direktor ­– der spätere Kläger – war zunächst befristet von Juli 2013 bis Ende Juni 2018 eingestellt worden. Im Juni 2015 einigten sich der Kläger und die Beklagte unter Anhebung der Vergütung mittels Änderungsvertrag auf eine neue Befristung bis Ende 2019. Infolge einer Satzungsänderung der Beklagten im Februar 2019 wurden die campusübergreifenden Zentren der Zentrumsdirektion unterstellt und war der Kläger seitdem als Kaufmännischer Direktor tätig.

Nach Ablauf der zuletzt vereinbarten zeitlichen Befristung machte der Kläger im Januar 2020 deren Unwirksamkeit geltend. Seiner Auffassung nach rechtfertige seine Position keine Befristung.  Insbesondere sei er weder leitender Angestellter noch mit einem Geschäftsführer vergleichbar. Arbeitgeberfunktionen übe im Wesentlichen nur der Vorstand aus.

Die Beklagte hingegen stützte die Zulässigkeit der Befristung auf den im Gesetz genannten Sachgrund der Eigenart der Arbeitsleistung (§ 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 TzBfG). So habe der Kläger als einziges stimmberechtigtes Mitglied der Zentrumsleitung die kaufmännische und wirtschaftliche Verantwortung für ihre zwei verselbständigten Untergliederungen getragen und habe die Erledigung seiner Aufgaben eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Vorstand erfordert. Insgesamt sei der Kläger wegen der arbeitsvertraglichen Regelungen, etwa zur Höhe der Vergütung (EUR 165.000 Jahresgehalt zuzüglich EUR 5.000 Bonus) und dem Recht, die Arbeitszeit frei einzuteilen, mit einem weisungsfrei agierenden GmbH-Geschäftsführers vergleichbar.

Während das ArbG Kiel die Klage abwies, gab das LAG Schleswig-Holstein der Klage statt. Die eingelegte Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des BAG war die Befristung des Arbeitsvertrages unwirksam.

Hintergrund und Problematik

Die Befristung eines Arbeitsverhältnisses ist bei Neueinstellungen ohne sachlichen Grund grundsätzlich nur bis zur Höchstdauer von zwei Jahren zulässig (§ 14 Abs. 2 TzBfG). Liegt keine Neueinstellung vor, ist die Befristung regelmäßig nur gestattet, sofern sie durch einen Sachgrund gerechtfertigt ist (§ 14 Abs. 1 S. 1 TzBfG).

Einer der im Gesetz genannten Sachgründe ist die „Eigenart der Arbeitsleistung“ (§ 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 TzBfG). Darauf können sich beispielsweise Rundfunkanstalten stützen, wenn sie das Arbeitsverhältnis mit Redakteuren als sogenannte „Tendenzträger“ befristen wollen. Das folgt aus der verfassungsrechtlich geschützten Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG). Denkbar ist dies auch etwa bei der Beschäftigung von Schauspielern angesichts eines rechtlich anerkannten Abwechslungsbedürfnisses des Publikums.

Was jedoch genau unter der Eigenart der Arbeitsleistung zu verstehen ist, ist im Gesetz nicht näher bestimmt. Das BAG hat dies jedoch zumindest dahingehend konkretisiert, dass eine darauf basierende Befristung regelmäßig nur dann gerechtfertigt werden kann, wenn die Besonderheiten der Arbeitsleistung dazu führen, dass das Interesse des Arbeitgebers am Abschluss eines nur befristeten Arbeitsvertrags das gegenläufige Interesse des Arbeitnehmers überwiegt. Es bedarf also einer beiderseitigen Interessenabwägung, bei der das Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers angemessen zu berücksichtigen ist.

Fraglich war nun, ob die Bekleidung einer leitenden Führungsposition ein Umstand ist, der unter dem Gesichtspunkt der Eigenart der Arbeitsleistung eine Befristung rechtfertigen kann, so wie dies das Arbeitsgericht Kiel angenommen hatte.

Die Auffassung des BAG: Keine wirksame Befristung

Das BAG ist diesen Überlegungen nicht gefolgt.

Das Gericht führt hier aus, dass die Beklagte sich nicht auf verfassungsrechtliche Grundsätze, das heißt auf die grundgesetzlich garantierte Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre (Art. 5 Abs. 3 GG), berufen könne. Denn sie sei als Klinikum nicht Grundrechtsträger.

Das überwiegende Befristungsinteresse der Beklagten würde sich auch weder aus einer herausgehobenen Stellung des Klägers in der Unternehmensorganisation noch aus daraus folgenden Befugnissen ergeben. Selbst wenn man davon ausgehe, dass der Kläger seine Arbeitsleistung weitgehend weisungsfrei ausübe, reiche dies nicht aus. Eine etwaige Stellung als leitender Angestellter (§ 14 Abs. 2 KSchG) mit der damit typischerweise einhergehenden geringeren Bindung an Weisungen des Arbeitgebers ändere nichts am grundsätzlichen Erfordernis eines Sachgrunds zur wirksamen Befristung. Auch die vorgetragene „geschäftsführerähnliche“ Position des Klägers führe nicht zur Zulässigkeit der Befristungsabrede. Gleiches gelte im Übrigen für die hohe Vergütung und die verlängerten Kündigungsfristen.

Schließlich dürfe die Beklagte die Befristung auch nicht auf ihre Satzungsbestimmung stützen, wonach der geschäftsführende Direktor der Zentrumsleitung vom Vorstand für fünf Jahre bestellt wird, denn eine solche Satzung könne nicht die gesetzlichen Vorgaben des Teilzeit- und Befristungsgesetzes aushebeln.

Fazit

Die Befristung eines Arbeitsverhältnisses ist nur ausnahmsweise zulässig. Während in bestimmten Konstellationen, etwa bei künstlerischen Tätigkeiten, eine Befristung wegen der Eigenart der Arbeitsleistung gestattet sein kann, gilt dies nicht für die Tätigkeit als Führungskraft. Das hinter dem Befristungsinteresse stehende Ziel muss daher durch andere Ansätze erreicht werden.

Markus Theißen

Rechtsanwalt

Associate
Markus Theißen berät und vertritt nationale und internationale Unternehmen sowie Führungskräfte in sämtlichen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Neben Restrukturierungsprojekten berät er im Bereich des Betriebsverfassungsrechts, in Kündigungsrechtsstreitigkeiten sowie in der Vertragsgestaltung.
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