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„Die eine und sonst keine!“ – Die Vereinheitlichung betrieblicher Altersversorgungssysteme im Unternehmen

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Zu den „Lieblingen“ der freiwilligen Arbeitgeberleistungen zählt seit jeher die betriebliche Altersversorgung. Dabei kommt es in der Praxis nicht selten vor, dass es die „eine“ betriebliche Altersversorgung gar nicht gibt. Vielmehr hat sich in etlichen Unternehmen (und Konzernen) im Lauf der Zeit, beispielsweise infolge von Betriebsübergängen oder durch die Neugestaltung von Versorgungssystemen für Neueintritte, ein Flickenteppich an Versorgungsregelungen gebildet, dessen Verwaltung für den Arbeitgeber schnell zur Herausforderung werden kann. Dann wird häufig der Wunsch nach einer Vereinheitlichung der heterogenen Versorgungslandschaft laut. Doch der Weg zu einer solchen Harmonisierung kann durchaus steinig sein.

Neugestaltung der Versorgungsregelungen

Der einfachste – und aus Arbeitnehmersicht angenehmste – Weg zur Vereinheitlichung der betrieblichen Altersversorgung, nämlich die Überführung sämtlicher Mitarbeiter in die „beste“ (d.h. für den Arbeitgeber teuerste) Versorgungsordnung, dürfte in aller Regel ausscheiden. Eine Harmonisierung kommt für die meisten Unternehmen nur dann in Betracht, wenn sie keine höheren Kosten auslöst, der Dotierungsrahmen für sämtliche Versorgungsleistungen sich also gegenüber der bisherigen Versorgungssituation jedenfalls nicht erhöht.

Die Vereinheitlichung der verschiedenen Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung im Unternehmen (oder auch im Konzern) geht daher oftmals mit einer Neuverteilung der zur Verfügung stehenden Mittel einher. So können beispielsweise einzelne Versorgungsleistungen nach dem neuen Versorgungssystem geringer ausfallen, dafür erfolgt ein Zuwachs bei anderen Leistungen. Ebenso ist grundsätzlich eine Neugestaltung des Versorgungsplans denkbar, durch die manche Mitarbeiter besser gestellt sind als nach der bislang für sie einschlägigen Versorgungsordnung, während sich für andere Mitarbeitergruppen Verschlechterungen ergeben. Nicht jede Neugestaltung der betrieblichen Altersversorgung, die das Unternehmen zum Zweck der Harmonisierung vornimmt, ist allerdings auch zulässig.

Step by Step – Ablösung unter Berücksichtigung der Drei-Stufen-Lehre

Versorgungszusagen werden häufig im Wege einer Gesamtzusage oder einer Betriebsvereinbarung erteilt. In diesen Fällen kommt regelmäßig eine Ablösung des bisherigen Versorgungswerks durch eine neue Betriebsvereinbarung in Betracht. Wird durch die ablösende Regelung in Besitzstände der Arbeitnehmer eingegriffen (was häufig der Fall sein dürfte), sind die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Diese hat das BAG im Bereich der betrieblichen Altersversorgung mit der sogenannten Drei-Stufen-Lehre wie folgt präzisiert:

  • Bereits erdiente Anwartschaften können nur in seltenen Ausnahmefällen aus zwingenden Gründen entzogen werden (1. Stufe).
  • In eine erdiente Dynamik kann nur aus triftigen Gründen eingegriffen werden (2. Stufe).
  • Sollen künftige Zuwächse beeinträchtigt werden, so sind sachlich-proportionale Gründe erforderlich (3. Stufe).

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass das Interesse des Arbeitgebers, unterschiedliche im Unternehmen existierende Versorgungssysteme zu harmonisieren und damit zu vereinheitlichen, einen Rechtfertigungsgrund für einen Eingriff auf der dritten Besitzstandsstufe darstellen kann (vgl. etwa BAG v. 14.7.2015 – 3 AZR 517/13).

Grenzen für Veränderungen

Diese Rechtsprechung ist für Unternehmen zwar durchaus begrüßenswert. Besteht ein anzuerkennendes Vereinheitlichungsinteresse des Arbeitgebers, stellt sich jedoch in einem zweiten Schritt immer noch die entscheidende Frage, welche Änderungen zum Zwecke der Vereinheitlichung nun tatsächlich erfolgen dürfen. Hierauf lässt sich aus der einschlägigen Rechtsprechung bedauerlicherweise keine pauschale Antwort herleiten. Üblicherweise handelt es sich um Einzelfallentscheidungen, die sich nicht ohne weiteres auf andere Konstellationen übertragen lassen.

Unzulässig wäre jedenfalls eine Änderung, die nicht lediglich zu einer Umverteilung der finanziellen Mittel, sondern zu einer Reduzierung des bisherigen Gesamtdotierungsrahmens führen würde. Ein solcher Eingriff wäre nicht mehr (ausschließlich) mit einem Harmonisierungsinteresse zu rechtfertigen. Eine Kostensenkung als „Nebeneffekt“ der Vereinheitlichung lässt sich daher nicht ohne weiteres erreichen. Möchte ein Unternehmen seinen Versorgungsaufwand senken, bedarf es hierzu vielmehr anderer Rechtfertigungsgründe, beispielsweise eine wirtschaftlich ungünstige Entwicklung.

Ferner ist zu beachten, dass ein Harmonisierungsinteresse lediglich solche Eingriffe zu rechtfertigen vermag, die dienstzeitabhängige und damit zukünftig erdienbare Anwartschaften betreffen. Soweit nicht zusätzlich zwingende oder triftige Änderungsgründe vorliegen, kann im Rahmen der Vereinheitlichung daher insbesondere nicht in bereits erdiente Anwartschaften eingegriffen werden. Die Höhe dieser Anwartschaften richtet sich vielmehr auch weiterhin nach den bislang einschlägigen Versorgungsregelungen. Auch Eingriffe in laufende Versorgungsleistungen, die ohnehin nur in sehr engen Grenzen möglich sind, lassen sich mit dem Hinweis auf die bezweckte Vereinheitlichung der unternehmensweiten Versorgung nicht rechtfertigen.

Fazit

Die Harmonisierung unterschiedlicher betrieblicher Altersversorgungssysteme ist möglich. Sie ist allerdings mit nicht unerheblichem Planungs- und Umsetzungsaufwand verbunden und  hält diverse Stolperfallen bereit. Die frühzeitige Einbindung von ausgewiesenen Experten im Bereich der betrieblichen Altersversorgung ist für das Gelingen eines derartigen Projekts daher von entscheidender Bedeutung.

Lesen Sie ergänzend hierzu auch den Beitrag von KLIEMT.ARBEITSRECHT: „Eingriffe in Versorgungszusagen leicht gemacht – oder doch nicht?“, bereits veröffentlicht auf diesem Blog.

Jochen Saal

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Partner
Jochen Saal berät Arbeitgeber und Füh­rungs­kräfte vor allem bei der Umsetzung jeglicher Umstruk­tu­rie­rungsmaßnahmen. Besondere Expertise besitzt Jochen Saal zudem im Bereich der betrieb­li­chen Alters­ver­sor­gung. Hier unterstützt er unter anderem bei der Ver­ein­heit­li­chung von Pen­si­ons­plä­nen, dem Out­sour­cing von Pensionsverpflichtungen sowie betriebs­ren­ten­recht­li­chen Fragen im Zusam­men­hang mit Betriebs­über­gän­gen. Er ist Mitglied der Fokusgruppe "Betriebliche Altersversorgung".
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