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EU-Know-how-Schutz-Richtlinie: Arbeitgeber müssen jetzt aktiv werden!

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Am 05.07.2016 trat die EU-Know-how-Schutz-Richtlinie 2016/943 („Richtlinie über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung“ in Kraft. Die EU-Mitgliedstaaten hatten erforderliche Umsetzungsmaßnahmen bis zum 09.06.2018 umzusetzen. Deutschland hat (wieder einmal) die fristgemäße Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht versäumt. Nachfolgend stellen wir dar, welche Auswirkungen für das Arbeitsrecht sich daraus ableiten lassen.

Der bundesdeutsche Gesetzgeber ist zwar nicht gänzlich untätig geblieben. Ein erster Referentenentwurf eines „Geschäftsgeheimnisgesetzes“ ist im Umlauf, aber noch nicht in Kraft. Wir werden demnächst an dieser Stelle über den Referentenentwurf berichten. Trotz der nicht rechtzeitigen Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht entfaltet diese zwar in privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen keine unmittelbare Wirkung (da sie weder Verordnung noch EU-Primärrecht ist). Infolge der fehlenden (rechtzeitigen) Umsetzung gilt sie aber im Verhältnis von Privaten zum Staat (auch wenn der Staat als Arbeitgeber auftritt) und vor allem sind nicht rechtzeitig umgesetzte Richtlinien bei der Auslegung nationalen Rechts von Bedeutung, weil dieses richtlinienkonform auszulegen ist; Entsprechendes gilt für die richterrechtliche Rechtsfortbildung.

Noch bevor also der deutsche Gesetzgeber mit dem zukünftigen Geschäftsgeheimnisgesetz Regelungen in Kraft gesetzt haben wird, entfaltet also bereits die Know-how-Schutz-Richtlinie Wirkung.

Europaweit einheitlicher Schutz von Geschäftsgeheimnissen

Mit der Know-how-Schutz-Richtlinie 2016/943 ist bezweckt, den Schutz von Know-how innerhalb der EU zu vereinheitlichen, insbesondere Unternehmen vor Geheimnisverrat und Wirtschaftsspionage zu schützen und einen echten zivilrechtlichen Schutz für betriebliches Know-how zu schaffen. Allerdings stellt die Richtlinie auch wesentliche und gegenüber der bisherigen Rechtslage andersartige Anforderungen an den Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Geschäftsgeheimnisse sind nunmehr nur noch dann geschützt, wenn die Unternehmen „angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen“ ergriffen haben. 


Wesentlichste arbeitsrechtliche Bedeutung

Erhebliche Bedeutung kommt der Neudefinition in Art. 2 Abs. 1 des Begriffs des Geschäftsgeheimnisses. Geschäftsgeheimnisse sind danach Informationen, die alle nachstehenden Kriterien erfüllen:

  1. Sie sind in dem Sinne geheim, dass sie weder in ihrer Gesamtheit, noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne weiteres zugänglich sind,
  2. sie sind von kommerziellem Wert, weil sie geheim sind, und
  3. sie sind Gegenstand von den Umständen entsprechenden angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch die Person, die die rechtmäßige Kontrolle über die Informationen besitzt (Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses).

Insbesondere springt ins Auge der Hinweis auf „den Umständen entsprechenden angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen“, ohne die folglich eine Information kein Geschäftsgeheimnis (mehr) sein kann.

Allein hieraus leitet sich bereits Handlungsbedarf für Arbeitgeber/Unternehmen ab:

Nach bisherigem deutschen Recht unter Zugrundelegung der hierzu ergangenen Rechtsprechungsgrundsätze galt, dass die Pflicht der Arbeitnehmer zur Geheimhaltung schützenswerter betriebsinterner Angelegenheiten sich bereits als arbeitsvertragliche Nebenpflicht unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag ergibt; hinzu kommen gesetzliche Regelungen, z.B. §§ 17 ff. UWG oder § 79 BetrVG. Die arbeitsvertragliche Nebenpflicht zum Schutz geheimhaltungsbedürftiger Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse knüpfte nicht an konkrete Geheimhaltungsmaßnahmen des Arbeitgebers an. Vielmehr sind bislang im Rahmen der vertraglichen Verschwiegenheitspflicht alle Vorgänge und Tatsachen geschützt, die einem Arbeitnehmer aufgrund seiner Stellung im Unternehmen bekannt geworden sind und für die es ein schützenswertes, subjektives Arbeitgeberinteresse an der Geheimhaltung gibt. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Sinne des § 17 UWG hingegen sind – enger – nur solche Tatsachen, die einen Unternehmensbezug haben, nicht offenkundig sind, an deren Geheimhaltung der Arbeitgeber ein ausreichendes wirtschaftliches Interesse zeigt und Geheimhaltungswille vorliegt, der sich nach außen manifestiert hat. Diesen Geheimhaltungswillen hat die Rechtsprechung aber auch teilweise bereits vermutet, wenn sich dieser aus der Natur der geheimzuhaltenden Tatsache ergäbe.

Anders also nun die Know-how-Schutz-Richtlinie 2016/943. Ohne angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen kann ein schützenswertes (Betriebs- oder Geschäfts-) Geheimnis oder eine sonst schutzwürdige vertrauliche Information nicht mehr vorliegen.

Angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen: Ist-Zustand prüfen und Nachbesserungen einleiten

  1. Arbeitgeber werden sich darauf einzustellen haben, dass sie ihre Bemühungen um den Schutz des Geheimnisses oder der vertraulichen Information werden nachweisen müssen. Insofern dürfte es um technischen, organisatorischen und vertraglichen Know-how-Schutz gehen.
  2. Der Arbeitgeber wird künftig daher darlegen müssen, wie er sein Know-how geschützt hatte:
  • Gab es technische Zugriffsbeschränkungen, organisatorischen Schutz wie z.B. ein System von Zutrittskontrollen? Gibt es rechtliche Schutzmaßnahmen (Patentanmeldungen, geschützte Urheberrechte, vertraglicher Schutz vor dem – nunmehr andernfalls erlaubten – Reverse Engineering u.v.m.)
  • Wurde den mit den vertraulichen Informationen befassten Mitarbeitern die hohe Schutzbedürftigkeit angezeigt? Vertraulichkeitsvereinbarungen (Non-Disclosure Agreements – NDA) sind daher unerlässlich, schriftliche Regelungen mit konkretem Bezug zu klar umrissenen Geschäftsgeheimnissen. Ohne derlei Maßnahmen erhöht sich das Risiko erheblich, dass an sich vertrauliche Informationen von den Gerichten im Wege richtlinienkonformer Auslegung nicht (mehr) als schützenswert eingestuft werden.
  • Die Maßnahmen müssen „angemessen“ sein, d.h. umso schützenswerter Know-how ist, umso höher die Schutzmaßnahmen.
  • Sofern Dritte, z.B. Arbeitnehmer von Vertragspartnern oder Leiharbeitnehmer, mit Betriebs-Know-how umgehen, wird es zwingend erforderlich sein, ausreichende NDA auch mit diesen Unternehmen zu vereinbaren und Leiharbeitnehmer auch Vertraulichkeitsvereinbarungen unterzeichnen zu lassen.
  • Der oftmals entweder gar nicht oder nur rudimentär geregelte nachvertragliche Schutz von Geheimnissen muss überprüft werden.

Auch schon vor Inkrafttreten des Geschäftsgeheimnisgesetzes sind somit Arbeitgeber gut beraten, den Stand ihres derzeitigen Schutzes von vertraulichen Informationen sowie Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen akut zu überprüfen und gegebenenfalls nachzubessern. Andernfalls drohen (womöglich kostspielige) Überraschungen. Da die EU-Know-how-Schutz-Richtlinie 2016/943 seit dem 10.06.2018 in Deutschland von den Gerichten zu beachten ist, muss diese Überprüfung und gegebenenfalls Nachbesserung mit hoher Priorität betrieben werden.

Stefan Fischer

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Partner
Stefan Fischer berät nationale und internationale Unternehmen umfassend vor allem in betriebsverfassungsrechtlichen und tarifrechtlichen Themen, etwa bei Restrukturierungs- einschließlich Integrationsmaßnahmen oder bei (Sanierungs-)Tarifverträgen, sowie bei der Verhandlung von Betriebsvereinbarungen (u.a. zur Vergütung, zur Arbeitszeit, zu IT-Einführung, Einführung neuer Arbeitsmethoden). Er ist außerdem sehr erfahren in der arbeitsgerichtlichen Prozessführung, u.a. im Zusammenhang mit Compliance-Fragen, sowie in der Gestaltung und Beendigung von Dienstverträgen von Vorständen und Geschäftsführern. Stefan Fischer ist aktives Mitglied in der International Practice Group für Global Mobility/Immigration von Ius Laboris. Er ist Mitglied der Fokusgruppe "Aufsichtsratsberatung".
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