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War for Talents: Kartellbehörden schauen verstärkt auf Personalabteilungen

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Kartellrechtliche Compliance wird in den meisten Unternehmen – zurecht – sehr ernst genommen. Im Fokus stehen vor allem „abspracheanfällige“ Bereiche wie Vertrieb oder Einkauf. Kritischer Wettbewerb findet zunehmend auch im Personalbereich statt, vor allem wenn viele Unternehmen um wenige qualifizierte Fachkräfte buhlen. Wir zeigen, welche HR-Themen demnächst stärker in den Fokus von Kartellbehörden rücken.

Verbotene Absprachen im Personalbereich

Nach den zentralen Regelungen des § 1 GWB und Art. 101 Abs. 1 AEUV liegt dann eine Beeinflussung des Wettbewerbs vor, wenn zwei oder mehrere Unternehmen Absprachen oder Vereinbarungen treffen und/oder ihr Verhalten aufeinander abstimmen und so den Markt verzerren oder beschränken. Dieses Abspracheverbot betrifft in der Regel nur Unternehmen aus derselben Branche, die im Wettbewerb zueinander stehen. Geht es um den Kampf ums Personal, zieht sich der Kreis allerdings weiter. Denn sowohl Tech-Konzerne als auch Automobil-, Pharma- oder Versicherungsunternehmen suchen beispielsweise nach qualifizierten IT-Fachkräften und stehen insofern miteinander in Wettbewerb. Dasselbe gilt für den Gesundheitssektor, wenn Krankenhäuser, Arztpraxen und andere Pflegestellen gleichermaßen um Fachpersonal werben.

Kritisch sind vor allem folgende Vorgehensweisen:

  • Absprachen zu Gehältern: Abstimmungen zu Grundgehältern, Boni, Provisionen oder anderen Vorteilen können als Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht zu sehen sein. Wird ein Verstoß festgestellt, gilt er in diesem Bereich mit einiger Wahrscheinlichkeit sogar als „schwerwiegend“.
  • Abwerbeverbote: Vereinbaren Unternehmen untereinander, dass sie sich gegenseitig keine Mitarbeiter „wegnehmen“ liegt darin ebenfalls ein kartellrechtlicher Verstoß. Bekannt sind diese Vereinbarungen als „no hire agreements“ oder „no poach agreements”. Häufig werden sie nicht schriftlich, sondern nur mündlich als „Gentlemen Agreement“ geschlossen. Sie sind deshalb nicht weniger kritisch.
  • Angleichen von Arbeitsbedingungen: Auch andere Elemente und relevante Faktoren im HR-Bereich gehören zu den „kritischen Themen“, zu denen sich Personaler nicht oder nur eingeschränkt mit Kollegen und Kolleginnen aus anderen Unternehmen abstimmen dürfen. Hierzu zählen z.B. besondere Benefit-Pakete, Dienstwagenregelungen, Sabbatical-Angebote, Altersversorgung, Coaching-Angebote usw.

Was also bei sogenannten HR-Roundtables, auf Verbandstreffen oder im Rahmen sonstiger Netzwerkveranstaltungen besprochen oder sogar „vereinbart“ wird, fällt wettbewerbsrechtlich oft in einen kritischen Bereich. Einen sicheren Hafen für derartige Absprachen bietet nur das Tarifrecht. Die „Tarifautonomie erlaubt es Arbeitgebern, über Verbände und Gewerkschaften „Absprachen“ zu Arbeitsbedingungen, insbesondere Gehältern, zu treffen.

Woher kommt die erhöhte Aufmerksamkeit der Behörden?

Als im Jahr 2015 US-Behörden erstmals hart gegen Silicon Valley-Giganten durchgriffen, rückten Absprachen über Abwerbeverbote, Gehaltszahlungen und Zusatzleistungen jedenfalls bei US-Unternehmen aufs Compliance-Radar. Sechs Jahre später stellte auch die zuständige EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager klar, dass derartige Vereinbarungen ebenso im hiesigen Markt kartellrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen können. In der Schweiz untersucht die Kartellbehörde seit Ende 2022 den Austausch von Lohndaten in der Bankenbranche.

Während das Bundeskartellamt zu der Thematik bislang kaum tätig wurde, sind die EU-Behörden sowie einzelne Mitgliedstaaten bereits deutlich aktiver im Personalbereich. Die EU hat zwar bislang von Ahndungen abgesehen, dies aber lediglich damit begründet, dass es sich überwiegend um national relevante Sachverhalte handelte. Weil das Thema aber seit dem Jahr 2021 durch die EU-Kommission wieder an Relevanz gewinnt, ist davon auszugehen, dass die Personalpolitik von Unternehmen künftig auch verstärkt im Fokus der EU-Behörden stehen wird.

Für Unternehmen sind geahndete Kartellrechtsverstöße nicht nur wegen Haftungsrisiken und hohen Bußgeldern (bis zu 10% des globalen Konzernumsatzes) relevant. Daneben bergen solche kartellrechtlichen Verfahren auch die Gefahr, einen erheblichen Reputationsverlust im sowieso schon angespannten Bewerbermarkt hervorzurufen.

Handlungsempfehlungen für deutsche Unternehmen

Bereits mündliche Absprachen mit Wettbewerbern (sog. „Gentlemen-Agreements“) oder ein scheinbar harmloser Informationstausch können geeignet sein, die Kartellbehörden auf sich aufmerksam zu machen. Im schlimmsten Fall zieht ein solcher Anfangsverdacht eine langwierige und kostspielige Überprüfung nach sich und kann die oftmals ohnehin angespannte Bewerbersituation weiter verschlechtern.

Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich, die „kartellrechtliche Compliance“ auch auf den Personalbereich auszuweiten. Personalabteilungen sollten für die Thematik sensibilisiert und hinsichtlich einer gesetzeskonformen Verhaltensweise gegenüber Bewerbern und HR-Kollegen anderer Unternehmen geschult werden. Das gilt insbesondere im Zusammenhang mit der Teilnahme an Roundtables oder anderen Netzwerktreffen im HR-Bereich. Parallel bietet es sich an, die derzeit gelebte Einstellungs- und Personalpraxis kritisch zu hinterfragen. Insbesondere Absprachen oder inoffizielle Informationswege sollten kritisch überprüft und im Zweifel abgestellt werden.

Katja Giese, LL.M.

Rechtsanwältin
Fach­an­wäl­tin für Arbeitsrecht / Attorney-at-Law (NY)
Partner
Katja Giese berät Arbeitgeber vor allem in Zusam­men­hang mit inter­na­tio­na­len Unter­neh­mens­trans­ak­tio­nen, der anschlie­ßenden Integration und Umstruk­tu­rie­run­gen. Sie verfügt außerdem über umfassende Erfahrungen im inter­na­tio­na­len Projektmanagement. Katja Giese ist zugelassen als Attorney-at-Law (NY) in den Vereinigten Staaten, wo sie Teile ihrer bisherigen beruflichen Laufbahn verbrachte. Besondere Branchenkenntnis besitzt sie im Technologiesektor.
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