Die Entgelttransparenzrichtlinie (ETRL) muss bis zum 7. Juni in nationales Recht umgesetzt werden. Zur Vorbereitung des Gesetzgebungsvorhabens hat das insoweit ressortzuständige BMFSFJ eine Expertenkommission zur „bürokratiearmen Umsetzung“ der Richtlinie eingesetzt. Nunmehr sind die Ergebnisse der Kommission bekannt geworden – und für die Praxis lassen sich daraus wichtige Erkenntnisse ableiten.
Die wesentlichen Empfehlungen
Die rechtlich wohl spannendste Position gleich vorab: Tarifverträge sollen auch nach den Vorstellungen der Kommission weiterhin eine Angemessenheitsvermutung genießen. Tarifgebundene Arbeitgeber sollen bei der Vergleichsgruppenbildung die tarifliche Entgeltgruppe zugrunde legen dürfen. Eine Korrektur soll nur erforderlich sein, wenn die auskunftsersuchende Person nachweist, dass die tarifliche Einteilung mit Artikel 4 Absatz 4 ETRL nicht vereinbar ist. Weiter empfiehlt die Kommission länger angesetzte Fristen für Auskunftsbegehren und Abhilfeverfahren für tarifgebundene Arbeitgeber. Diese Position – ein Kompromiss zwischen Tarifautonomie und Entgeltgleichheit – war umstritten und ist es auch nach wie vor, und Fragen, ob eine solche Umsetzung wirklich ETRL-compliant ist, bleiben (dazu näher Flöter/Heimann, BB 2025, 2164 (2170f.).
Die Berichtspflichten sollen sich auf das Ist-Entgelt beziehen. Das steht u.E. im Widerspruch zum Ziel einer bürokratiearmen Umsetzung. Als Kompromisslinie bei variablen und ergänzenden Entgeltbestandteilen empfiehlt die Kommission eine Öffnungsklausel: Unternehmen dürfen selbst entscheiden, ob sie solche Bestandteile als Summe oder in inhaltlich sinnvollen Gruppen berichten. Geringwertige Sachleistungen oder nicht vom Vertragsarbeitgeber gewährte Aktienoptionen sollen ausgenommen werden können.
Beim Auskunftsanspruch schlägt die Kommission ein zweistufiges Abhilfeverfahren vor: Der Arbeitgeber soll die Arbeitnehmervertretung zeitnah (etwa innerhalb von sechs Wochen) unterrichten und anhören. Eine weitergehende Einbindung ist nicht vorgesehen. Können nicht sofort Abhilfemaßnahmen getroffen werden, sollen beide Seiten einen konkreten Fahrplan mit eigenen Fristen vereinbaren. Eine zeitliche Begrenzung des Auskunftsanspruchs auf einmal pro Kalenderjahr wird als sachgerecht und unionsrechtskonform eingestuft. Hypothetische oder ausgeschiedene Arbeitnehmer als Vergleichspersonen wurden von der Kommission mehrheitlich abgelehnt. Das jedenfalls ist begrüßenswert und klar positioniert.
Die Kommission empfiehlt zudem einen umfassenden, aber nicht abschließenden Katalog von Rechtfertigungsgründen für Entgeltunterschiede – ähnlich wie in § 10 Satz 3 AGG (dort zur Rechtfertigung einer unterschiedlichen Behandlung wegen des Alters). Dazu gehören auch Vereinbarungen zur Wahrung von Besitzständen, wenn sie vor dem 7. Juni 2026 getroffen wurden.
Offen geblieben sind viele Fragen zur Einbindung der Arbeitnehmervertretungen. Die Frage, ob im Abhilfeverfahren stets die Betriebsvertretung zuständig ist oder ob – zumindest bei tarifgebundenen Betrieben – auch die Gewerkschaft ein angemessener Ansprechpartner sein kann, wurde nicht abschließend geklärt. Offen blieb auch: Wer ist Ansprechpartner in betriebsratslosen Betrieben? Positiv zu bewerten ist, dass die Kommission jedenfalls eine Pflicht zur Schaffung neuer Organe der Arbeitnehmervertretung ablehnt.
Auch die Möglichkeiten konsolidierter Berichterstattung – ein zentrales Thema für viele Unternehmensgruppen – wurde nicht abschließend behandelt.
Wie geht es weiter?
Die Empfehlungen der Kommission bilden einen wichtigen Fingerzeig für die nationale Umsetzung, auch wenn sie keine rechtliche Bindungswirkung haben. Nicht alle Empfehlungen der Kommission sind aber einstimmig erfolgt, wie die Vielzahl an Sondervoten zeigt, die dem Bericht beigegeben sind. Insbesondere aus dem Lager der Arbeitnehmer werden die Vorschläge als einseitig und nicht weitgehend genug kritisiert. Ein Gesetzesentwurf soll nun bis Januar 2026 folgen; es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber dabei nicht nur die von der Kommission behandelten Themen, sondern auch eine Vielzahl weiterer praktischer Fragen aufgreifen wird (dazu näher Flöter/Heimann, BB 2025, 2164) und die Klärung nicht – wie mittlerweile oftmals üblich – den Gerichten überlassen wird, mit der Folge massiver Rechtsunsicherheit für die Anwender.
Best Practices und Handlungsansätze zur Umsetzung belastbarer Vergütungssysteme unter dem Gesichtspunkt Equal / Fair Pay zeigt unser im dfv veröffentlichtes Sammelwerk „Arbeitsrechtliche ESG-Strategien“.










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