Fehlzeiten während des Arbeitsverhältnisses sind keine Seltenheit – ihre Erwähnung im Arbeitszeugnis hingegen ist ein sensibles Thema, bei dem der Arbeitgeber Fingerspitzengefühl beweisen muss. Arbeitgeber stehen bei Erstellung des Arbeitszeugnisses zwischen dem Gebot der Zeugniswahrheit und dem Anspruch des Arbeitnehmers auf ein wohlwollendes Zeugnis, das das berufliche Fortkommen nicht behindert – ein schmaler Grat. Eine klare Regelung zum Umgang mit Fehlzeiten bei der Zeugniserstellung gibt es weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung. Während das Gesetz weitgehend auf inhaltliche Vorgaben verzichtet, verweist die Rechtsprechung auf eine notwendige Einzelfallbewertung und lässt damit den Arbeitgeber oft ratlos zurück. Dieser Unsicherheit wollen wir im Folgenden begegnen und zur Orientierung im Folgenden einige Anhaltpunkte dahingehend geben, was in das Arbeitszeugnis wirklich aufgenommen werden muss und was lieber unerwähnt bleiben sollte.
Grundsatz: Gesamte rechtliche Vertragsdauer zu erwähnen
Nach § 109 S. 2 GewO muss das Arbeitszeugnis mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit enthalten. Der BGH hat bereits in einem Urteil aus dem Jahre 1967 (9. November 1967 – II ZR 64/67) klargestellt, dass sich ein Zeugnis entsprechend auf die gesamte Vertragsdauer im Sinne der rechtlichen und nicht der tatsächlichen Dauer erstrecken muss. Von der arbeitsrechtlichen Instanzenrechtsprechung und Literatur wird dieser Grundsatz auch auf das arbeitsrechtliche Arbeitszeugnis übertragen.
Umgang mit Fehlzeiten
Die Ungewissheit, ob und inwiefern Fehlzeiten im Arbeitszeugnis zu erwähnen sind, ergibt sich aus der zweiseitigen Zielsetzung des Arbeitszeugnisses. Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des BAG soll das Arbeitszeugnis einerseits dem Arbeitnehmer als Unterlage für eine neuen Bewerbung dienen; seine Belange (Berufliches Fortkommen) sind demnach gefährdet, wenn er unterbewertet wird. Andererseits soll das Zeugnis auch zur Unterrichtung eines Dritten dienen, der die Einstellung des Zeugnisinhabers erwägt; seine Belange sind demnach gefährdet, wenn der Arbeitnehmer zu positiv wird.
- Aus dem notwendigen Ausgleich dieser sich möglicherweise widerstrebenden Interessen ergibt sich deshalb als oberster Grundsatz der Zeugniserteilung: Das Zeugnis muss wahr sein.
- Dieser alle Fragen des Zeugnisrechts beherrschende Grundsatz der Zeugniswahrheit bedingt folgende weitere Maßstäbe über den Inhalt eines Zeugnisses: Das Zeugnis muss alle wesentlichen Tatsachen und Bewertungen enthalten, die für die Gesamtbeurteilung des Arbeitnehmers von Bedeutung sind.
- Das schließt wiederrum aus, dass der Arbeitgeber einmalige Vorfälle oder Umstände, die für den Arbeitnehmer, seine Führung und Leistung nicht charakteristisch sind – seien sie für den Arbeitnehmer vorteilhaft oder nachteilig -, aufnehmen oder verallgemeinern darf; solche Umstände muss er vielmehr gegenüber dem Gesamtbild abwägen. Die zweite Zielsetzung des Zeugnisses – Unterrichtung eines Dritten – geht jedoch nur so weit, wie es das Interesse des Dritten verlangt. Der Arbeitgeber darf und muss daher wahre Tatsachen und Beurteilungen nur insoweit in das Zeugnis aufnehmen, als ein künftiger Arbeitgeber hieran ein berechtigtes und verständiges Interesse haben kann.
- Das Zeugnis muss ein objektives Bild über den Verlauf des Arbeitsverhältnisses vermitteln. Dabei darf Unwesentliches verschwiegen werden.
Der Arbeitgeber sollte sich bei der Erstellung des Arbeitszeugnisses daher folgende Fragen stellen:
Entsteht durch die im Arbeitszeugnis festgehalte Leistungsbeurteilung ohne Angaben der Fehlzeiten ein maßgeblich falscher Eindruck für den neuen Arbeitgeber? Haben die Fehlzeiten die tatsächliche Leistung über einen längeren Zeitraum wesentlich eingeschränkt, was durch die Leistungs- und Verhaltensbeurteilung nicht ersichtlich wird und nur durch ausdrückliche Aufnahme der Fehlzeiten richtiggestellt werden kann? Sind die Ausfallzeiten auf Grund ihrer Dauer oder Lage für die Bewertungsgrundlage wesentlich?
In Folgenden, exemplarisch genannten, Einzelfällen wurde die „Wesentlichkeit“ der Fehlzeiten bejaht:
1. Elternzeit
Im Fall eines Koches hat das BAG entschieden, dass eine 38-monatige Elternzeit bei einer 50-monatigen Beschäftigung im Arbeitszeugnis erwähnt werden durfte, da im Gaststättengewerbe der Berufserfahrung erhebliche Bedeutung zukomme und sich die Zuverlässigkeit und Belastbarkeit eines Kochs erst in einem längeren tatsächlichen Beschäftigungszeitraum zeige.
2. Langjährige Erkrankung
In einem Fall, in dem ein schwerbehinderter Arbeitnehmer fast fünf Jahre durchgehend bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses erkrankt war, hat das Hessische Landesarbeitsgericht entschieden, dass dies ausdrücklich im Zeugnis erwähnt werden durfte. Auch in dem hier entschiedenen Fall begründet das Gericht diese Annahme allerdings (auch) damit, dass für die von dem Arbeitnehmer ausgeübte Tätigkeit als Bilanzbuchhalter ein aktuelles Fachwissen (steuerliche Vorschriften) und eine entsprechende Berufspraxis maßgeblich sei.
3. Prozessbeschäftigung
Sollte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis kündigen und der Arbeitnehmer für die Zeit des Kündigungsschutzprozesses eine Weiterbeschäftigung als Prozessbeschäftigung erzwingen, sind auch die Zeiten der Prozessbeschäftigung im Arbeitszeugnis einzubeziehen. Sollte es jedoch zwischen dem Ende der Beschäftigung und dem Beginn der Prozessbeschäftigung zu einer Lücke kommen, wird von Stimmen in der Literatur vertreten, dass eine solche Beschäftigungslücke im Arbeitszeugnis dokumentiert werden darf.
Diese und die darüberhinausgehenden bisher entschiedenen Fälle zeigen eins sicher: Generelle Regelungen gibt es (noch) nicht. Die Rechtsprechung stellt vielmehr ausdrücklich klar, dass eine schematische Grenze zwischen wesentlichen Ausfallzeiten und solchen, die im Arbeitszeugnis als unwesentliche keine Erwähnung finden dürfen, nicht gezogen werden kann. Sachgerechte Ergebnisse sollen sich nur unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten, d.h. des beurteilenden Arbeitgebers, des beurteilten Arbeitnehmers und der Zeugnisadressaten, erzielen lassen.
Handlungsempfehlung: Im Zweifel weglassen
Da das BAG grundsätzlich davon ausgeht, dass Fehlzeiten in der Regel nicht im Arbeitszeugnis erwähnt werden sollten, und die Voraussetzungen für eine zulässige Erwähnung sowohl hoch als auch unklar sind, empfiehlt es sich, Angaben zu Fehlzeiten im Zweifel wegzulassen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber trotz längerer Ausfallzeiten in der Lage ist, die Leistung und das Verhalten des Arbeitnehmers objektiv und nachvollziehbar zu beurteilen, sodass für den Zeugnisempfänger ein zutreffendes Gesamtbild entsteht. Auf diese Weise lässt sich häufig auch eine spätere gerichtliche Auseinandersetzung vermeiden.
Sollte jedoch ein Ausnahmefall vorliegen, in dem eine Erwähnung der Fehlzeiten unumgänglich erscheint – etwa, weil ohne sie kein wahrheitsgemäßes Zeugnis erstellt werden kann -, sollte ein Rechtsanwalt für Arbeitsrecht kontaktiert werden, der sodann den konkreten Einzelfall prüfen und die rechtlichen Risiken abwägen kann.










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