In immer mehr Unternehmen ist ein neues Phänomen zu beobachten: Mitarbeitende erscheinen lediglich kurz im Büro, stempeln („badging“) sich ein – und sind wenig später wieder verschwunden. Diese Form symbolischer Anwesenheit, bekannt unter dem Schlagwort „Coffee Badging“, wirkt auf den ersten Blick unauffällig, verweist jedoch auf grundlegende Spannungen im modernen Arbeitsalltag. Wie ist „Coffee Badging“ arbeitsrechtlich einzuordnen und wie sollten Arbeitgeber damit umgehen?
Begriff und Kontext
Das Phänomen des „Coffee Badging“ hat sich vor allem im Zuge der Rückkehr in die Büros nach der pandemiebedingten Homeoffice-Phase herausgebildet. Viele Arbeitgeber verbinden mit der Präsenz vor Ort klare Erwartungen: Persönlicher Austausch soll die Zusammenarbeit stärken, Konflikte lassen sich direkt und effizienter klären, und das Miteinander im Team profitiert von räumlicher Nähe. Auch spontane Gespräche und unmittelbare Abstimmungen gelten im Büroalltag oft als unkomplizierter als im virtuellen Raum.
In der betrieblichen Praxis stoßen diese Vorstellungen jedoch nicht durchweg auf Zustimmung. „Coffee Badging“ steht exemplarisch für die wachsende Diskrepanz zwischen verbindlich erwarteter Anwesenheit und dem Bedürfnis vieler Beschäftigter nach Flexibilität – und macht deutlich, wie herausfordernd die Neuausrichtung betrieblicher Präsenzkulturen sein kann.
Arbeitsrechtliche Einordnung
I. Treuepflicht und betriebliche Präsenzvorgaben
Das Phänomen des sogenannten „Coffee Badging“ gewinnt arbeitsrechtlich an Bedeutung, sobald der Arbeitgeber feste Präsenztage vorgibt. Das Arbeitsverhältnis ist durch eine wechselseitige Treuepflicht geprägt, die auch die Beachtung betrieblicher Vorgaben zur Arbeitsorganisation umfasst.
Ein angeordneter Präsenztag ist in der Regel als voller Arbeitstag am Betriebsort zu verstehen. Ein bloßes „Vorbeischauen“ genügt diesem Verständnis nicht.
II. Arbeitszeitbetrug – rechtliche Konsequenzen
Besonders kritisch wird das Verhalten, wenn die kurze Anwesenheit als vollständige Arbeitszeit erfasst wird. Je nach Einzelfall kann dies einen Arbeitszeitbetrug darstellen. Die arbeitsrechtlichen Konsequenzen reichen von einer Abmahnung bis hin zur fristlosen Kündigung.
Handlungsempfehlungen
„Coffee Badging“ ist mehr als ein temporärer Trend. Es berührt zentrale Fragen der Arbeitsorganisation, der betrieblichen Steuerung und der rechtlichen Verantwortlichkeit. Die Herausforderung liegt darin, zwischen symbolischer Präsenz und tatsächlicher Leistung zu unterscheiden – und dabei sowohl die rechtlichen Rahmenbedingungen als auch die betrieblichen Realitäten im Blick zu behalten.
I. „Coffee Badging“ erkennen
Um „Coffee Badging“ frühzeitig zu identifizieren, sollten Unternehmen auf subtile Hinweise achten: etwa ungewöhnlich kurze Aufenthaltszeiten im Büro, Diskrepanzen zwischen digitaler Zeiterfassung und tatsächlicher Präsenz. Technische Systeme wie Zugangskontrollen können Hinweise liefern – allerdings nur im Rahmen datenschutzrechtlicher Vorgaben. Noch wichtiger ist jedoch die offene Kommunikation im Team: Führungskräfte sollten ein Gespür dafür entwickeln, ob Mitarbeitende sich mit den Präsenzregelungen identifizieren oder lediglich formale Anforderungen erfüllen.
II. Präsenztage klar definieren – hybride Modelle als Brücke
Um „Coffee Badging“ wirksam zu vermeiden, reicht es nicht aus, bloße Anwesenheit einzufordern. Arbeitgeber sollten den Begriff des „Präsenztags“ klar und verbindlich definieren – etwa durch Mindestzeiten, konkrete Aufgaben vor Ort oder verpflichtende Teamformate. Gleichzeitig ist es wichtig, hybride Arbeitsmodelle als strategische Ergänzung zu verstehen, nicht als Ausnahme. Wenn Mitarbeitende wissen, wann und warum ihre Präsenz gefragt ist, steigt die Akzeptanz. Flexible Modelle, die sowohl den betrieblichen Anforderungen als auch den individuellen Bedürfnissen gerecht werden, fördern nicht nur die Produktivität, sondern auch das Vertrauen in die Organisation.










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