Kündigungen unterliegen strengen Formvorschriften. Damit eine Kündigung formwirksam ist, muss sie stets schriftlich, also eigenhändig von einer vertretungsberechtigten Person unterschrieben sein. Doch mit der bloßen Unterzeichnung ist es nicht getan – entscheidend ist der Zugang der Kündigung beim Arbeitnehmer. Erst wenn das Kündigungsschreiben tatsächlich in dessen Machtbereich gelangt ist, entfaltet es rechtliche Wirkung. Für Arbeitgeber bedeutet das, dass sie den Zugang sorgfältig dokumentieren und im Zweifel beweisen können müssen.
Wie aber können Arbeitgeber in der Praxis sicherstellen, dass die Zustellung rechtsgültig erfolgt? Ob persönliche Übergabe, Einschreiben oder Botenzustellung – die Wahl des richtigen Zustellungswegs entscheidet oft darüber, ob eine Kündigung ihre beabsichtigte Wirkung entfaltet. Hierzu haben wir bereits in diversen Blogbeiträgen berichtet: Blogbeitrag vom 15. Juli 2025; Blogbeitrag vom 19. August 2024; Blogbeitrag vom 9. Mai 2023; Blogbeitrag vom 21. August 2019.
Doch was, wenn trotz aller Vorsicht der Arbeitnehmer die Annahme des Kündigungsschreibens verweigert oder den Zugang verhindert? Dies wird als Zugangsvereitelung bezeichnet.
Wie kann eine Zugangsvereitelung aussehen?
Eine Zugangsvereitelung liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer durch eigenes Verhalten den Zugang einer Kündigung verhindert. Typische Vereitelungsszenarien sind:
- Unterlassen der Mitteilung der neuen Wohnanschrift nach einem Umzug,
- Entfernen des Namensschilds vom Briefkasten – oder gleich des kompletten Briefkastens,
- Ignorieren von Kontaktversuchen des Arbeitsgebers zur Ermittlung der aktuellen Wohnanschrift,
- Verweigerung der Annahme bei persönlicher Aushändigung.
Rechtsfolge der Zugangsvereitelung: Zugangsfiktion
In Fällen der Zugangsvereitelung kann eine sogenannte Zugangsfiktion greifen: Der Zugang wird rechtlich fingiert, obwohl die Kündigung tatsächlich nicht in den Machtbereich des Arbeitnehmers gelangt ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts darf sich ein Arbeitnehmer nicht auf einen fehlenden Zugang berufen, wenn er diesen selbst verhindert hat. Das Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB) schützt Arbeitgeber vor taktischem Verhalten des Arbeitnehmers, das allein auf die Umgehung von Fristen abzielt.
Zeitpunkt des fingierten Zugangs ist der Zeitpunkt, zu dem das Kündigungsschreiben unter normalen Umständen zugegangen wäre. Dies wird besonders relevant bei Kündigungsfristen zum Quartalsende, beim Ausspruch von außerordentlichen Kündigungen innerhalb der zweiwöchigen Frist nach § 626 Abs. 2 BGB oder in Fällen, in denen der Ablauf der sechsmonatigen Wartezeit zur Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes verhindert werden soll. Auch ist der fingierte Zugangszeitpunkt relevant für den Lauf der dreiwöchigen Frist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage nach §§ 4 S. 1, 7 KSchG.
Voraussetzungen zur Bewirkung einer Zugangsfiktion
Die oben dargestellten Vereitelungsszenarien reichen zur Bewirkung einer Zugangsfiktion für sich allein jedoch noch nicht aus. Es werden sowohl auf Seiten des Arbeitnehmers als auch auf Seiten des Arbeitsgebers bestimmte Anforderungen gestellt.
Verstoß gegen die Pflicht zur Sorgfalt oder Rücksichtnahme durch den Arbeitnehmer
Das Verhalten des Arbeitnehmers muss sich als Verstoß gegen bestehende Pflichten zur Sorgfalt oder Rücksichtnahme darstellen:
Besteht ein objektiver Anlass zur Annahme, dass dem Arbeitnehmer demnächst eine rechtserhebliche Erklärung – etwa eine Kündigung – zugehen wird, ist er verpflichtet, den Zugang solcher Erklärungen zu ermöglichen. Dazu gehört insbesondere, funktionsfähige und erreichbare Empfangseinrichtungen wie einen Briefkasten bereitzuhalten. Unterlässt der Arbeitnehmer dies, verstößt er gegen seine arbeitsvertraglichen Sorgfaltspflichten in erheblichem Maße. Nach der Rechtsprechung des BAG (2 AZR 483/14) spielt es dabei keine Rolle, ob der Arbeitnehmer tatsächlich mit einer Kündigung gerechnet hat. Auch spielt ein etwaiges Verschulden keine Rolle. Entscheidend ist allein, dass objektiv Anlass bestand, mit einer solchen Erklärung rechnen zu müssen.
Erforderliche Maßnahmen des Arbeitgebers
Weitere Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber alles Erforderliche unternehmen muss, d. h. alle ihm denkbaren Zustellungswege ausschöpfen muss, um den Zugang der Kündigung sicherzustellen. Hierzu gehören beispielsweise Ermittlungen im Fall der Unkenntnis über die aktuelle Wohnanschrift des Arbeitnehmers und ein erneuter zeitnaher Zustellversuch.
Praxishinweise für Arbeitgeber
Um im besten Fall sicherzustellen, dass Arbeitnehmer gar nicht erst die Möglichkeit haben, eine Kündigungszustellung zu verhindern, sollte der Arbeitgeber folgende Maßnahmen ergreifen:
- Regelmäßige Aktualisierung von Adressdaten der Arbeitnehmer, z. B. im Rahmen von Mitarbeitergesprächen oder Systemabgleichen. Außerdem sollten Arbeitnehmer arbeitsvertraglich verpflichtet werden, Änderungen ihrer Kontaktdaten unverzüglich mitzuteilen.
- Vermeidung von Vorankündigungen einer Kündigungszustellung, jedenfalls bei „schwierigen“ Arbeitnehmern.
Sollte ein Arbeitnehmer bereits eine Kündigungszustellung verhindert haben, ist für Arbeitgeber folgendes ratsam:
- Dokumentation von erneuten Zustellversuchen, idealerweise mit Zustellprotokollen, Fotos und Zeugen.
- Nachweisliche Ermittlungen über die aktuelle Wohnanschrift (auch durch Nachfrage beim betroffenen Arbeitnehmer).
- Mehrere Zustellversuche einplanen und hierbei Kündigungen am letzten Tag des Monats oder Fristablaufs vermeiden.
Fazit
Die Zustellung einer Kündigung klingt simpel, kann jedoch zu Fallstricken führen. Arbeitgeber sollten Zustellprozesse gut vorbereiten und dokumentieren. Bei Anzeichen für eine Zugangsvereitelung ist schnelles und rechtssicheres Handeln gefragt. Je nach Arbeitnehmer könnte es auch sinnvoll sein, eine geplante Kündigung vor der eigentlichen Zustellung nicht anzukündigen. Im Ergebnis hängt die konkrete Vorgehensweise jedoch vom Einzelfall ab.










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