Ein Spagat für Arbeitgeber: Mitbestimmung trifft Personalplanung
Betriebsratsarbeit und moderne Personalsteuerung – das führt in der Praxis nicht selten zu Spannungsfeldern. Besonders bei befristet beschäftigten Arbeitnehmern, die in den Betriebsrat gewählt werden, stellen sich aus Sicht von HR-Verantwortlichen viele Fragen: Darf ein befristetes Arbeitsverhältnis regulär auslaufen? Muss ich als Arbeitgeber Arbeitszeiten speziell anpassen? Und wann droht der Vorwurf der Benachteiligung nach dem Betriebsverfassungsgesetz?
Zwei aktuelle Entscheidungen – des BAG und der Vorgängerinstanz, dem LAG Niedersachsen, – greifen genau diese Fragen auf und bieten Anlass, die Rechtslage aus Arbeitgebersicht in den Blick zu nehmen. Sie zeigen, wie wichtig eine rechtskonforme Vertrags- und Arbeitszeitgestaltung bei Betriebsratsmitgliedern ist – ohne dass Unternehmen in eine faktische Unkündbarkeit oder eine Sonderbehandlung geraten.
Benachteiligungsverbot nach § 78 BetrVG – Klar, aber nicht grenzenlos
Nach § 78 S. 2 BetrVG dürfen Betriebsratsmitglieder wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden. Das klingt eindeutig – ist in der Praxis aber – insbesondere im Bereich der Vergütungshöhe und der Disziplinarmaßnahmen – mit Unsicherheit verbunden.
Für Arbeitgeber wichtig: Eine Benachteiligung kann nicht nur in einer nachteilhaften Gehaltsentscheidung oder – noch offensichtlicher – in einer Kündigung liegen, sondern auch in der schlichten Nichtverlängerung eines befristeten Arbeitsverhältnisses, wenn die Nichtverlängerung maßgeblich auf der Betriebsratstätigkeit beruht – oder auch nur den Anschein erweckt.
Allerdings ist auch klar: Ein Anspruch auf unbefristete Übernahme nur wegen einer Betriebsratsmitgliedschaft besteht ebenfalls nicht. Befristete Verträge dürfen regulär auslaufen – solange sachliche Gründe vorliegen und die Entscheidung nicht durch die Betriebsratstätigkeit motiviert ist. Dies ist (wie im Falle einer Kündigung) selbst dann der Fall, wenn der Betriebsrat als Gremium durch die Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses nicht mehr über die gesetzlich vorgeschriebene Anzahl an Mitgliedern verfügt.
Um eine verbotene Begünstigung oder Benachteiligung zu vermeiden, darf die Betriebsratsmitgliedschaft nicht über eine Vertragsverlängerung entscheiden! Unmut über die Wahrnehmung von Mitbestimmungsrechten hat bei der Entscheidung über die (Nicht-)Verlängerung des Arbeitsverhältnisses außer Acht zu bleiben. Hat ein solches Motiv nachweisbar bei der Entscheidung über eine Nichtverlängerung des Arbeitsverhältnisses mitgewirkt, kann der Arbeitnehmer die Vertragsverlängerung als Schadensersatzanspruch einklagen. Auch eine Begünstigung ist unbedingt zu vermeiden – etwa, wenn ein Betriebsratsmitglied nur aufgrund seines Amtes eine Verlängerung erhält. In diesem Fall sind Klagen von benachteiligten Kollegen, die keine Verlängerung erhielten oder ggf. strafrechtliche Konsequenzen zu befürchten.
Vertragsverlängerung bei Betriebsratsmitgliedern – Handlungsspielraum nutzen, aber richtig
Gerade bei sachgrundlosen Befristungen (§ 14 Abs. 2 TzBfG) kann im Einzelfall die Versuchung bestehen, eine Vertragsverlängerung bei aktiver Betriebsratstätigkeit zu vermeiden, um auf diesem Wege Konflikte mit Betriebsratsmitgliedern zu beenden.
Doch hier ist besondere Vorsicht geboten: Wenn keine trennscharfen und dokumentierten Gründe für die Nichtverlängerungsentscheidung existieren, kann die unterlassene Verlängerung als Benachteiligung gewertet werden.
Zur Vermeidung sollten Arbeitgeber daher:
- frühzeitig dokumentieren, warum eine Verlängerung nicht erfolgt – z. B. Projektende, Umstrukturierung oder Leistungsaspekte.
- einheitliche Kriterien für Verlängerungen anwenden, um Willkürvorwürfe zu vermeiden.
Arbeitszeitregelungen bei Betriebsratsmitgliedern – Mit Augenmaß gestalten
Ein weiterer wichtiger Aspekt betrifft die Arbeitszeitgestaltung von Betriebsratsmitgliedern im engeren Sinne. Auch hier gilt das Benachteiligungsverbot – etwa wenn ein Schichtmodell die Wahrnehmung der Betriebsratstätigkeit faktisch unmöglich macht.
Dennoch bedeutet das keinen Anspruch auf Wunsch-Arbeitszeit:
- Arbeitgeber müssen keine Sonderregelungen schaffen, aber sicherstellen, dass Betriebsratspflichten im Rahmen des Möglichen erfüllbar bleiben.
- Es ist zumutbar, bei der Einsatzplanung auf wiederkehrende Sitzungen oder Schulungen Rücksicht zu nehmen.
- Eine dauerhafte Bevorzugung oder Herausnahme aus dem Schichtsystem ist jedoch nicht erforderlich – es geht um die Vermeidung faktischer Behinderung, nicht um Sonderstatus. Das Betriebsratsamt ist und bleibt ein Ehrenamt.
Das LAG Niedersachsen hat in diesem Kontext betont: Arbeitgeber müssen im Rahmen ihrer Organisationsverantwortung prüfen, ob die Arbeitszeiteinteilung realistische Betriebsratsarbeit erlaubt. Fehlt diese Prüfung, kann dies als Verstoß gegen § 78 BetrVG gewertet werden.
Was bedeutet das für die HR-Praxis?
HR-Verantwortliche, die mit befristeten Verträgen und Schichtmodellen arbeiten, sollten daher Folgendes berücksichtigen:
- Befristungsentscheidungen sind sauber zu dokumentieren. Insbesondere bei Betriebsratsmitgliedern sollten Gründe für eine Nichtverlängerung nachvollziehbar und sachlich Die Betriebsratstätigkeit darf keinerlei Rolle spielen – auch nicht mittelbar.
- Arbeitszeitregelungen sind regelmäßig zu überprüfen. Gerade in Schichtbetrieben, Teilzeitmodellen oder im Außendienst ist sicherzustellen, dass Betriebsratsarbeit nicht faktisch durch den Arbeitgeber unmöglich gemacht wird. Ein enger Austausch mit dem Betriebsrat hilft, Konflikte frühzeitig zu erkennen.
- Einheitliche HR-Kriterien sind zu etablieren. Transparente Kriterien für Vertragsverlängerungen, Schichtplanung und Zielvereinbarungen helfen dabei, das Risiko selektiver Benachteiligung zu minimieren – nicht nur bei Betriebsratsmitgliedern.