Die arbeitsrechtliche Due Diligence-Prüfung spielt im Rahmen komplexer M&A-Transaktionen oft nur eine untergeordnete Rolle. Dabei lauern gerade im Arbeitsrecht zahlreiche potentielle Risiken, die den Transaktionsprozess behindern und erhebliche finanzielle Risiken für den Erwerber nach sich ziehen können. Arbeitsrechtliche Fallstricke stellen dabei nicht nur juristische Detailfragen dar, sondern können ganz konkrete Auswirkungen auf den Kaufpreis und die Deal-Struktur haben. Werden diese Risiken übersehen, kann dies im Nachhinein für den Erwerber teuer werden. Im Folgenden sollen exemplarisch drei Risiken aus der arbeitsrechtlichen Praxis beleuchtet werden, die Erwerber im Rahmen von M&A-Transaktionen unbedingt im Blick behalten sollten.
1. Scheinselbstständigkeit: Ein teures Risiko beim Unternehmenskauf
Ein zentrales Risiko im arbeitsrechtlichen Due-Diligence-Prozess stellt die fehlerhafte Einordnung und Abrechnung von Solo-Freelancern durch das Zielunternehmen dar. Das Risiko der Scheinselbstständigkeit von externen Dienstleistern und Beratern ist bereits seit Jahren ein Dauerbrenner. Bei arbeitsrechtlichen Due Diligence-Prüfungen, hat sich durch die jüngste Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und die nunmehr zunehmend restriktive Prüfpraxis der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund) gerade in Bezug auf den Einsatz von Solo-Freelancern als Subunternehmer noch einmal erheblich verschärft. Wir haben hierzu bereits in unserem Blogbeitrag vom 9. Januar 2025 ausführlich berichtet.
Im Rahmen einer M&A-Transaktion kann dies konkret folgende Auswirkungen haben: Werden Freelancer über Jahre fälschlicherweise als Selbstständige abgerechnet, obwohl sie aus Sicht der DRV Bund als sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer einzustufen gewesen wären, drohen dem Zielunternehmen erhebliche Nachforderungen durch den Sozialversicherungsträger. Bei einem Freelancer mit durchschnittlichem Bruttomonatseinkommen von 7.000 Euro kann sich inklusive Säumniszuschlag schnell ein Schaden in zweistelliger Millionenhöhe ergeben – für den Erwerber ein klassischer Deal-Breaker.
Staatliche Clearingstellen wie „KOMPASS“ existieren zwar, um den Status von (Schein-)Selbstständigen festzustellen, doch bleibt das Risiko von Fehleinschätzungen ohne derartige Nachprüfungen hoch. Im Zweifel ist der Erwerber im Rahmen arbeitsrechtlicher Due Diligence-Prüfungen gut beraten, eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit von Solo-Freelancern anzunehmen und eine etwaige Falschabrechnung durch das Zielunternehmen im Kaufpreis einzupreisen oder sich entsprechende Garantien im Kaufvertrag einräumen zu lassen.
2. Kollektivvereinbarungen: Versteckte Verpflichtungen mit großer Wirkung
Ein häufig unterschätztes Risiko liegt ferner in bestehenden Betriebsvereinbarungen und anderen kollektivrechtlichen Regelungen. Vereinbarungen mit dem Betriebsrat und/oder der Gewerkschaft können erhebliche Bindungswirkung für den Erwerber entfalten – sowohl im Hinblick auf die Betriebsorganisation als auch in finanzieller Hinsicht.
Gerade die Gestaltungsmöglichkeiten des Erwerbers bei geplanten Restrukturierungen in der Post-Akquisitions-Phase können durch bestehende Kollektivvereinbarungen stark eingeschränkt werden. Beschäftigungsgarantien, kollektive Zusagen zu Sonderleistungen des Arbeitsgebers durch betriebliche Übung oder zur betrieblichen Altersversorgung können unerwartete finanzielle Belastungen für den Erwerber mit sich bringen. Ein besonderes Augenmerk sollte auf Altvereinbarungen gelegt werden, die möglicherweise nicht ausreichend dokumentiert und daher aus dem Datenraum nicht ersichtlich sind.
Änderungen bestehender Kollektivvereinbarungen sind regelmäßig nur im Einvernehmen mit dem jeweiligen Sozialpartner möglich. Dies kann insbesondere eine Integration der Arbeitnehmer in das Unternehmen des Erwerbers deutlich verzögern und/oder erhebliche Rückstellungen auf Erwerberseite erforderlich machen. Gerade Zusagen zur betrieblichen Altersversorgung werden häufig auf Grundlage veralteter Zinssätze berechnet, sodass Pensionsverpflichtungen bei unsachgemäßer Bewertung den kalkulierten Kaufpreis erheblich übersteigen können. Wir haben dies bereits in unserem Blogbeitrag vom 13. Februar 2023 thematisiert.
Die Vereinbarung geeigneter Garantien im Kaufvertrag sind für die Erwerberseite hier unerlässlich, um etwaige finanzielle Risiken so weit wie möglich zu minimieren.
3. Arbeitszeitmodelle: Finanzielle Risiken durch falsche Berechnungen von Zuschlägen und Bindung des Erwerbers
Auch spezifische Arbeitszeitmodelle, wie etwa ein Schichtbetrieb oder Sonntagsarbeit, des Zielunternehmens können eine ungewollte Bindung des Erwerbers mit sich bringen, von der er sich oft nicht – jedenfalls nicht ohne erheblichen finanziellen Aufwand – lösen kann. Ob Überstundenregelungen, Wochenend- und insbesondere Sonntagsarbeit oder die fehlerhafte Berechnung gesetzlich zwingender oder vertraglich vereinbarter Zuschläge, fehlende Transparenz in der Dokumentation und/oder Berücksichtigung im Rahmen der arbeitsrechtlichen Due Diligence-Prüfung können zu erheblichen Nachberechnungen führen und im worst case sogar ordnungswidrige oder strafrechtlichen Sanktionen für das Zielunternehmen und damit auch den Erwerber zur Folge haben.
Beispielhaft sei der Erwerb eines Bäckereibetriebs genannt, der anstelle der gesetzlich zulässigen drei Stunden sonntags von 6:00 bis 14:00 Uhr geöffnet ist. Der Verstoß gegen § 9 Abs. 3 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) kann gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 ArbZG ein Bußgeld von bis zu 30.000 Euro nach sich ziehen. Schwerwiegende Verstöße nach § 23 Abs. 1 ArbZG können sogar mit Freiheitsstrafe geahndet werden. Wurden zudem womöglich auch geschuldete Zuschläge für die Sonntagsarbeit jahrelang falsch berechnet oder beispielsweise bei der Abrechnung von Urlaubsentgelt irrig nicht berücksichtigt, können die damit einhergehenden finanziellen Risiken für den Erwerber die gesamte Transaktion gefährden.
Gerade bei Unternehmen mit langjähriger betrieblicher Praxis und lückenhafter Dokumentation ist ein strukturierter arbeitsrechtliche Due Diligence-Prozess unerlässlich, um solche Fallstricke zu vermeiden.
4. Fazit
Arbeitsrechtliche Risiken im Rahmen von M&A-Transaktionen sind kein Randthema, sondern können den gesamten Erwerbsprozess maßgeblich beeinflussen. Die Erwerberseite sollte daher frühzeitig arbeitsrechtliche Experten einbinden und die relevanten Themen mit der nötigen Tiefe prüfen lassen. Die arbeitsrechtliche Due Diligence-Prüfung schützt Erwerber vor finanziellen Überraschungen und schafft Planungssicherheit für die Post-Akquisitions-Phase.