Laut Angaben der Techniker Krankenkasse (TK) war jede versicherte erwerbstätige Person im Jahr 2024 durchschnittlich 19,1 Tage krankgeschrieben. Trotz des leichten Rückgangs im Vergleich zum Jahr 2023 (19,4 Fehltage), sind die vielen Krankheitstage sowohl für den Arbeitgeber als auch Arbeitskollegen, die die Abwesenheiten der kranken Mitarbeitenden auffangen müssen, eine enorme Belastung. Neben der finanziellen Beeinträchtigung des Arbeitgebers führt der ansteigende Workload für die übrigen Mitarbeitenden regelmäßig zu einer schlechten Stimmung im Betrieb.
Für viele Arbeitgeber stellt sich daher die Frage, wie sie sich von Mitarbeitenden trennen können, die häufig oder dauerhaft krank sind. Findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung, sind die Hürden hoch. Sofern es einen Betriebsrat im Betrieb gibt, muss dieser beteiligt werden. Ist der betroffene Mitarbeitende schwerbehindert, kann zusätzlich auch die Beteiligung des Integrationsamts erforderlich werden.
Voraussetzungen einer ordentlichen personenbedingten Kündigung
Die Wirksamkeit einer ordentlichen personenbedingten Kündigung wegen Krankheit hängt vor allem von drei Voraussetzungen ab:
- Negative Gesundheitsprognose
- Erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen oder wirtschaftlichen Interessen
- Zugunsten des Arbeitgebers ausgehende Interessenabwägung
Negative Gesundheitsprognose
Eine negative Gesundheitsprognose liegt vor, wenn zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs und abgestellt auf die bisher ausgeübte Tätigkeit des betroffenen Mitarbeitenden die Besorgnis weiterer krankheitsbedingter Fehlzeiten im bisherigen Umfang besteht. Die bisherigen Fehlzeiten in der Vergangenheit spielen demnach eine große Rolle bei der Ermittlung einer solchen Prognose. Dies gilt vor allem, wenn die ihnen zugrunde liegenden Krankheiten nicht ausgeheilt sind.
Nach der Rechtsprechung des BAG gibt es keine festen Fehlzeitquoten, die eine negative Gesundheitsprognose begründen. In der Praxis haben sich jedoch Richtwerte etabliert, bei denen die Gerichte eine Negativprognose grundsätzlich annehmen:
- Zum einen ist dies der Fall, wenn der betroffene Mitarbeitende in den letzten drei Jahren deutlich mehr als sechs Wochen jährlich arbeitsunfähig erkrankt war (sog. häufige Kurzzeiterkrankungen).
- Zum anderen ist von einer negativen Gesundheitsprognose auszugehen, wenn der betroffene Mitarbeitende anderthalb Jahre ununterbrochen arbeitsunfähig und ein Ende der Krankheit nicht absehbar ist oder dieser erkrankt und in den nächsten 24 Monaten nicht mit einer Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zu rechnen ist (sog. Langzeiterkrankung).
Erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen oder wirtschaftlichen Interessen
Ferner müssen diese Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen oder wirtschaftlichen Interessen des Arbeitsgebers führen. Neben finanziellen Belangen können dies auch Betriebsablaufstörungen oder der Verlust von Kunden oder Aufträgen sein. Außergewöhnlich hohe Entgeltfortzahlungskosten wegen häufiger Kurzzeiterkrankungen können eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung für den Arbeitgeber darstellen, soweit diese einen Zeitraum von sechs Wochen überschreiten.
Zugunsten des Arbeitgebers ausgehende Interessenabwägung
Auch im Fall einer krankheitsbedingten Kündigung sind die Interessen beider Parteien abzuwägen. Entscheidend ist, ob der Arbeitgeber die Störung im Arbeitsverhältnis billigerweise hinnehmen muss oder ob die Kündigung aus der Sicht eines verständigen Arbeitgebers als billigenswert und angemessen erscheint.
Zu berücksichtigende Interessen des Arbeitnehmers sind z.B.:
- Die Arbeitsunfähigkeit ist auf betriebliche Umstände zurückzuführen (z. B. Betriebsunfall);
- die Arbeitsunfähigkeit ist Folge der jahrelangen Tätigkeit im Betrieb;
- längere (ungestörte) Betriebszugehörigkeit;
- fortgeschrittenes Lebensalter;
- Unterhaltsverpflichtungen.
Zugunsten des Arbeitgebers sind insbesondere folgende Interessen zu berücksichtigen:
- Erhöhte wirtschaftliche Auswirkungen durch die Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeitenden;
- Belastbarkeit des Betriebs;
- vergebliche Versuche durch (mildere) organisatorische Maßnahmen, insbesondere durch die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagement, den Ausfällen entgegenzuwirken.
Das betriebliche Eingliederungsmanagement (bEM)
Arbeitgeber sind gemäß § 167 Abs. 2 SGB IX zur Durchführung eines bEM verpflichtet, wenn Mitarbeitende innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig erkrankt sind. Das bEM-Verfahren soll dem betroffenen Mitarbeitenden helfen, nach einer längeren Erkrankung oder mit bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen an seinen Arbeitsplatz zurückzukehren. Die Gesundheit und Arbeitsfähigkeit von länger erkrankten Mitarbeitenden soll wiederhergestellt, erhalten und verbessert werden.
Besteht ein Betriebsrat, darf er bei den bEM-Gesprächen teilnehmen, sofern der betroffene Mitarbeitende damit einverstanden ist. Bei bestehender Schwerbehinderung dürfte auch das Hinzuziehen des Inklusionsamts sinnvoll sein.
Für den Arbeitnehmer ist die Teilnahme an einem solchen beM freiwillig. Sofern die Voraussetzungen erfüllt sind, muss der Arbeitgeber tätig werden. Das bEM ist grundsätzlich keine Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Kündigung. Wird ein solches ohne triftige Gründe unversucht gelassen, kann eine spätere Kündigung im Rahmen der Interessenabwägung zuungunsten des Arbeitgebers gewertet werden und damit unverhältnismäßig sein. Lediglich in sehr begrenzten Ausnahmefällen kann ein vorangehendes beM entbehrlich sein.
Praxishinweise für Arbeitgeber
Im Ergebnis unterliegt eine Kündigung wegen Krankheit hohen Anforderungen. Umso wichtiger ist es für den Arbeitgeber, Fehlzeiten und hierdurch entstehende Belastungen sorgfältig zu dokumentieren. Ferner sollte der Arbeitgeber bei Fehlzeiten von mehr als sechs Wochen die Durchführung eines bEM veranlassen – unabhängig von einer beabsichtigten Kündigung – sowie den bestehenden Betriebsrat und, falls erforderlich, das Integrationsamt rechtzeitig beteiligen.