Im Finanzsektor reduzieren derzeit viele Arbeitgeber die Arbeit im Homeoffice. Im Zentrum steht dabei nicht die bloße Rückkehr zu alten Mustern, sondern die Frage, wie physische Präsenz im Büro rechtssicher und unternehmensdienlich organisiert werden kann. Anders als in der Pandemie geht es nicht mehr nur um eine Reaktion auf etwaige Krisen, sondern um eine bewusste strategische Ausrichtung im Wettbewerb.
Zunehmende Präsenzanforderungen in der Finanzbranche
In vielen Unternehmen des Finanzsektors, von traditionellen Banken bis hin zu modernen Finanzdienstleistern, lässt sich aktuell eine zunehmende Rückbesinnung auf physische Büroarbeit beobachten. Internationale Entwicklungen zeigen: Die Zahl verpflichtender Rückkehranordnungen seitens der Arbeitgeber steigt spürbar – sowohl im klassischen Investmentbanking als auch in technologiebasierten Finanzunternehmen (Wall Street’s Return to Office Mandate Revolution Intensifies).
Beispielsweise planen nach einer Umfrage unter Führungskräften von britischen Finanzdienstleistungsunternehmen rund drei Viertel der befragten Entscheidungsträger, die Anwesenheitspflicht im Büro in Zukunft auszuweiten (Increase in Office Attendance). Dieser Trend wird insbesondere damit begründet, dass die Anwesenheit im Betrieb eine effektivere Führung, direktere Abstimmungswege und eine klarere Strukturierung von Arbeitsabläufen ermöglicht.
Besondere Rahmenbedingungen des Finanzsektors
Hinzu kommt, dass die Ausgestaltung von Arbeitsmodellen im Finanzsektor nicht allein von Effizienz oder interner Praxis abhängen muss. Auch regulatorische Rahmenbedingungen können die Organisation der Zusammenarbeit maßgeblich beeinflussen.
So gelten besondere Anforderungen an den Schutz sensibler Daten, den gesicherten Informationsaustausch, die enge Abstimmung innerhalb der Teams sowie an funktionierende Kontrollstrukturen. Diese Vorgaben wirken sich etwa bei interner Kontrolle (IKS), geldwäscherechtlichen Pflichten oder Dokumentationsanforderungen nach MaRisk und BAIT aus – und können die Struktur von Arbeitsprozessen mitprägen.
Zugleich rücken viele Unternehmen stärker in den Fokus ESG-bezogener Erwartungen. Sichtbare Führung, soziale Verantwortung im Sinne eines stabilen, fairen Arbeitsumfelds und eine erlebbare Unternehmenskultur gewinnen an Bedeutung – nicht nur bei großen Instituten, sondern zunehmend auch bei kleineren Finanzunternehmen.
Arbeitsrechtliche Gestaltungsspielräume
Die Rückkehr zu mehr Büropräsenz lässt sich arbeitsrechtlich auch weiterhin umsetzen – sofern Arbeitgeber vorhandene Spielräume konsequent nutzen. Arbeitsverträge, oder gegebenenfalls Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge sollten eine Beendigung des Homeoffice durch den Arbeitgeber zulassen bzw. das Homeoffice von vornherein nur unter bestimmten Bedingungen gestatten. Eine solche Flexibilität kann beispielsweise durch Recht des Arbeitgebers zum Widerruf des Homeoffice erreicht werden, oder durch eine Befristung des Homeoffice, oder durch eine auflösende Bedingung, bei deren Eintritt das Homeoffice automatisch entfällt. Besteht keine vertragliche Bindung an das Homeoffice, kann eine Rückkehr auch über das Direktionsrecht im Rahmen billigen Ermessens angeordnet werden.
Siehe zur arbeitsrechtlichen Beendigung des Homeoffice auch die Darstellung in unserem Kliemt-Blog unter https://kliemt.blog/2023/07/10/rueckkehr-ins-buero-beendigungsmoeglichkeit-einer-vereinbarung-ueber-homeoffice/.
Fazit: Präsenz erfolgreich gestalten
Damit Unternehmen im Finanzsektor physische Zusammenarbeit wieder stärker verankern können, kommt es auf eine klare Linie an – in Konzept und Umsetzung. Wer arbeitsrechtliche Spielräume gezielt nutzt, schafft die Grundlage dafür. Wichtig ist dabei auch eine passende Kommunikation gegenüber den Mitarbeitenden, die die Maßnahmen begleiten. So entsteht ein Präsenzmodell, das rechtlich sicher, intern nachvollziehbar und kulturell anschlussfähig ist.