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Nachvertragliches Wettbewerbsverbot – Berechnung der Karenzentschädigung bei virtuellen Aktienoptionen

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Will der Arbeitgeber verhindern, dass der Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses für einen Wettbewerber tätig wird, kann ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart werden. Ein solches ist wirksam, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die Dauer des Verbots eine Karenzentschädigung in Höhe von mindestens 50 % der zuletzt bezogenen Vergütung zahlt. Was einfach klingt, bietet viel Konfliktpotential in der Praxis. Häufig ist unklar, was unter die zuletzt bezogene Vergütung fällt. Dieser Beitrag beleuchtet, inwiefern virtuelle Aktienoptionen bei der Berechnung der Karenzentschädigung berücksichtigt werden müssen.

Grundsätzliches zur Höhe und Berechnung der Karenzentschädigung

Nach § 74 Abs. 2 HGB muss die Karenzentschädigung für die Dauer des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots mindestens 50 % der „zuletzt bezogenen vertragsgemäßen Leistungen“ betragen. Neben dem Grundgehalt gehören hierzu alle Vergütungsbestandteile, die der Arbeitnehmer als Gegenleistung für seine Tätigkeit erhält. Zu berücksichtigen sind daher neben variablen Vergütungsbestandteilen, wie Provisionen, Tantiemen oder Jahressonderzahlungen, auch Sachleistungen, wie der zur privaten Nutzung überlassene Dienstwagen.

Während bei der Berechnung der Karenzentschädigung bei festen Vergütungsbestandteilen auf den letzten Bezugszeitraum abzustellen ist, ist bei variablen Vergütungsbestandteilen der Durchschnitt der letzten drei Jahre in Ansatz zu bringen. Bestand das Arbeitsverhältnis zum Beendigungszeitpunkt noch keine drei Jahre, ist der Durchschnitt des gesamten Arbeitsverhältnisses zugrunde zu legen (§ 74b Abs. 2 HGB).

Grundsätzliches zu virtuellen Aktienoptionen

Eine beliebte Form der erfolgsorientierten Vergütung von Arbeitnehmern stellen „virtuelle Aktienoptionen“ dar (häufig als Stock Appreciation Rights, SAR bezeichnet). Diese kommen häufig in der Start-up-Phase junger Unternehmen zum Einsatz (lesen Sie hierzu unsere Blogbeiträge vom 22. Februar 2021 und vom 8. März 2021). Im Gegensatz zu (echten) Aktienoptionen wird dem Arbeitnehmer bei virtuellen Aktienoptionen nicht das Recht eingeräumt, „reale“ Aktien der Gesellschaft zu erwerben. Stattdessen schafft der Arbeitgeber virtuelle Anteile am Unternehmen, wobei die Aktienkursentwicklung in wirtschaftlicher Hinsicht nachgebildet wird. Arbeitnehmer erhalten einen vertraglichen Anspruch auf Geldzahlung, dessen Höhe sich nach der Performance ihres virtuellen Aktienbesitzes richtet.

Virtuelle Aktienoptionen haben dabei folgende Grundstruktur: In einem ersten Schritt werden dem Arbeitnehmer virtuelle Optionen auf Geschäftsanteile eingeräumt. Anschließend ist regelmäßig ein längerer Zeitraum vorgesehen, bis die virtuellen Optionen in einem zweiten Schritt unverfallbar werden (sogenannte „Vesting-Periode“). Nach Ablauf der Vesting-Periode kann der Arbeitnehmer in einem dritten Schritt seinen Zahlungsanspruch geltend machen, sofern er das Optionsrecht ausübt. Oftmals kann die Ausübung des Optionsrechts nicht ohne Weiteres erfolgen, sondern hängt von dem Eintritt eines sogenannten „Exit-Ereignisses“ ab. In Betracht kommt dabei ein Exit-Ereignis in Form eines Share Deals, Asset Deals oder eines Börsengangs.

Weitere Details können Sie in unserer Podcast-Spezialausgabe vom 4. Februar 2025 zum Thema „virtuelle Mitarbeiter-Beteiligungsprogramme“ nachhören.

BAG zur Berücksichtigung virtueller Aktienoptionen bei der Karenzentschädigung

Weitgehend ungeklärt war bisher, inwiefern virtuelle Aktienoptionen bei der Berechnung der Karenzentschädigung zu berücksichtigen sind. Das BAG hat mit Urteil vom 27. März 2025 für einige Klarstellungen gesorgt (BAG vom 27. März 2025 – 8 AZR 63/24):

  • Berücksichtigung virtueller Aktienoptionen: Leistungen aus virtuellen Aktienprogrammen sind bei der Berechnung der Karenzentschädigung entschädigungserhöhend zu berücksichtigen. Sie stellen eine Gegenleistung für die vom Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis erbrachte Arbeitsleistung dar.
  • Berechnung anhand des Durchschnitts: Bei der Berechnung der Karenzentschädigung sind die Leistungen aus virtuellen Aktienprogrammen mit dem Durchschnitt der letzten drei Jahre bzw. dem Durchschnitt des gesamten Arbeitsverhältnisses in Ansatz zu bringen (§ 74b Abs. 2 HGB).
  • Berücksichtigung abhängig von der Ausübung des Optionsrechts: In die Berechnung der Karenzentschädigung sind Leistungen aus virtuellen Aktienprogrammen einzubeziehen, sofern der Arbeitnehmer das Optionsrecht (noch) während des bestehenden Arbeitsverhältnisses ausgeübt hat. Wurde das Optionsrecht erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgeübt, wirken sich die Leistungen nicht entschädigungserhöhend aus.
Folgen für die Praxis

Die Entscheidung des BAG sorgt in gewissem Maße für Rechtssicherheit: Arbeitgeber haben bei der Vereinbarung von nachvertraglichen Wettbewerbsverboten zu beachten, dass Leistungen aus virtuellen Aktienoptionsprogrammen bei der Karenzentschädigung einzukalkulieren sind. Dabei sind allein Zahlungen maßgeblich, hinsichtlich derer der Arbeitnehmer das Optionsrecht in den letzten drei Jahren vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgeübt hat. Auf den Zeitpunkt der Auszahlung scheint es nach Ansicht des BAG – soweit aus der bisher vorliegenden Pressemitteilung ersichtlich –nicht anzukommen.

Infolge der Entscheidung sollten Arbeitgeber aktiv werden und prüfen, welche Konsequenzen aus bestehenden virtuellen Aktienoptionsprogrammen zu ziehen sind. Angesichts hoher Zahlungen aus virtuellen Aktienprogrammen sind erhebliche Erhöhungen der Karenzentschädigung möglich, was gerade Start-ups vor essenzielle Probleme stellen dürfte.

  • Wollen Arbeitgeber vermeiden, dass sich Leistungen aus virtuellen Aktienoptionsprogrammen grundsätzlich entschädigungserhöhend auswirken, kann eine Gewährung durch die Konzernobergesellschaft in Betracht kommen. Aktienoptionen sind nicht „vertragsgemäße Leistungen“ des Arbeitgebers, wenn sie durch einen außerhalb des Arbeitsverhältnisses stehenden Dritten (hier: Die Konzernobergesellschaft) gewährt werden. Solch eine Lösung ist allerdings nur realistisch, wenn der Arbeitgeber Teil einer Unternehmensgruppe ist, was gerade in Start-up-Konstellationen kaum einmal der Fall sein wird.
  • Alternativ kann an die Ausgestaltung des virtuellen Aktienoptionsprogramms angeknüpft werden und die Möglichkeit zur Ausübung der Optionen in den Zeitraum nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlagert werden.
  • In jedem Fall sollten Arbeitgeber stets im Blick behalten, ob die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots angesichts der Kosten der Karenzentschädigung im Einzelfall wünschenswert Sollte ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot bereits arbeitsvertraglich vereinbart worden sein, kann es vorteilhafter sein, wenn sich der Arbeitgeber durch Erklärung eines Verzichts davon löst. Ein solcher Verzicht ist bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglich, wobei die Pflicht zur Zahlung der Karenzentschädigung spätestens ein Jahr nach dem erklärten Verzicht endet (§ 75a HGB).

Ebenso lesenswert in diesem Zusammenhang: „Nachvertragliches Wettbewerbsverbot – Berechnung der Karenzentschädigung bei RSUs“.

Xenia Higer

Rechtsanwältin

Associate
Xenia Higer berät und vertritt nationale und internationale Unternehmen sowie Führungskräfte in sämtlichen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Neben Restrukturierungsprojekten berät sie ihre Mandanten zudem in Kündigungsrechtsstreitigkeiten, im Bereich des Betriebsverfassungsrechts sowie in der Vertragsgestaltung.
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