Bereits die Ampelregierung hatte sich die Einführung eines Bundestariftreuegesetzes vorgenommen. Aufgrund des vorzeitigen Scheiterns der Koalition, konnte jedoch das Gesetzgebungsverfahren nicht mehr abgeschlossen werden. Nun haben CDU/CSU und SPD mit ihrem Koalitionsvertrag deutlich gemacht: Tarifbindung und soziale Verantwortung bei öffentlichen Aufträgen sollen gestärkt werden. Eines der zentralen Projekte in diesem Bereich ist das geplante Bundestariftreuegesetz (BTTG). Die politischen Signale sind klar: Das Gesetz könnte ab Mitte 2025 Realität werden und weitreichende Folgen für Unternehmen haben, die mit dem Bund zusammenarbeiten.
Ein Blick in den Koalitionsvertrag: Tarifbindung stärken
Im Koalitionsvertrag von Union und SPD heißt es: „Unser Ziel ist eine höhere Tarifbindung. Tariflöhne müssen wieder die Regel werden und dürfen nicht die Ausnahme bleiben. Deswegen werden wir ein Bundestariftreuegesetz auf den Weg bringen.“ (Z. 552-553). Damit will die neue Koalition eine soziale Vergabepolitik umsetzen, die tarifliche Löhne sichert. Öffentliche Aufträge des Bundes sollen nur noch an Unternehmen vergeben werden, die tarifvertragliche Standards einhalten – ein Paradigmenwechsel im Bundesvergaberecht.
Zwar enthält der neue Koalitionsvertrag keine ausführlichen oder konkreten Angaben zu Ausgestaltung und Inhalt des geplanten Gesetzes. Allerdings steht zu erwarten, dass sich dieses am Entwurf des Bundestariftreuegesetzes (BTTG-E) der Ampelregierung aus November 2024 orientiert, denn das Arbeitsministerium bleibt in der Hand der SPD.
Wen betrifft das Bundestariftreuegesetz?
Der Gesetzentwurf richtet sich an alle Unternehmen, die sich auf öffentliche Ausschreibungen des Bundes ab 50.000 Euro bewerben. Der Koalitionsvertrag sieht allerdings ein Privileg für Startups vor. Sie sollen in den ersten vier Jahren nach Gründung die Anforderungen erst erfüllen müssen, wenn das Auftragsvolumen über 100.000 Euro liegt. Wichtig: auch Nachunternehmer und Leiharbeitsfirmen müssen die Vorgaben erfüllen – eine Maßnahme, die vor allem sog. Lohndumping über Subunternehmerketten verhindern soll.
Anspruch auf Gewährung verbindlicher Arbeitsbedingungen
Kern der Regelungen: Unternehmen, die öffentliche Aufträge oder Konzessionen des Bundes ausführen wollen, müssen gegenüber ihren Arbeitnehmern mindestens die Arbeitsbedingungen einhalten, die das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) zuvor durch Rechtsverordnung festgelegt hat. Auch die entsprechende Verordnungsermächtigung wird im BTTG-E geregelt. Hierbei setzt das BMAS Mindestarbeitsbedingungen anhand der einschlägigen Tarifverträge fest, mit der Folge, dass Unternehmen, die öffentliche Aufträge oder Konzessionen des Bundes ausführen wollen tarifvertragliche Arbeitsbedingungen einhalten müssen – und zwar auch dann, wenn sie selbst gar nicht tarifgebunden sind.
Dazu gehören:
- Entlohnung,
- Mindestjahresurlaub,
- Höchstarbeitszeiten, Mindestruhezeiten und Pausenzeiten.
Was kommt noch auf Unternehmen zu?
Wenn das Gesetz in Kraft tritt, ergeben sich für betroffene Unternehmen weitere zusätzliche Anforderungen:
- Tariftreueversprechen
Auftragnehmer müssen schriftlich zusichern, die durch das BMAS festgelegten Arbeitsbedingungen einzuhalten. Diese Verpflichtung erstreckt sich auf alle beteiligten Unternehmen in der Leistungskette. - Nachweispflichten
Unternehmen müssen durch geeignete Unterlagen oder Zertifikate nachweisen, dass sie das Tariftreueversprechen einhalten und solche Nachweise auch von ihren Nachunternehmern verlangen. - Kontrollen durch die Prüfstelle
Die „Prüfstelle Bundestariftreue“, angesiedelt bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See, soll stichprobenartig oder anlassbezogen prüfen, ob die Vorgaben eingehalten werden. - Sanktionen bei Verstößen
Bei Verletzung des Tariftreueversprechens oder der Nachweispflichten sollen auch zivilrechtliche Sanktionen drohen:- Vertragsstrafen bis zu 10 % des Auftragswertes,
- fristlose Kündigung des Vertrags,
- Eintrag ins Wettbewerbsregister,
- und ein drohender Ausschluss von künftigen Vergaben für bis zu drei Jahre.
- Haftung für Nachunternehmer
Auftragnehmer haften wie ein Bürge für die tarifliche Entlohnung der Beschäftigten ihrer Nachunternehmer – es sei denn, diese sind zertifiziert. Diese Regelung lehnt sich an die Generalunternehmerhaftung an, die Unternehmen bereits nach den Bestimmungen des Mindestlohngesetzes ( 13 MiLoG) und des Arbeitnehmerentsendegesetzes (§ 14 AEntG) trifft.
Kritik
Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände befürchten einen erhöhten Bürokratieaufwand und warnen vor einem Eingriff in die unternehmerische Freiheit. Durch die angedachten Regelungen könne zudem ein faktischer Tarifzwang geschaffen werden, der gegen die negative Koalitionsfreiheit verstoße. Besonders für kleinere Betriebe könnten die Nachweispflichten und Haftungsregeln eine spürbare Belastung darstellen. Der jährliche Bürokratieaufwand für die Wirtschaft wird im Gesetzesentwurf mit 652.000 Euro beziffert.
Fazit und Perspektive – Aktueller Handlungsbedarf?
Das geplante Bundestariftreuegesetz ist ein Baustein im größeren Plan der künftigen Bundesregierung, Tarifverträge zu stärken. Für die Wirtschaft würde das zunächst einmal mehr Aufwand und neue Spielregeln bedeuten – langfristig aber vielleicht auch mehr Fairness im Wettbewerb.
Noch besteht allerdings für Unternehmen kein akuter Handlungsbedarf – das Gesetz ist bislang allenfalls im Entwurfsstadium. Dennoch sollten Unternehmen, die an Vergabeverfahren teilnehmen oder dies planen, sich frühzeitig mit dem Thema befassen:
- Wie ist meine tarifliche Situation?
- Welche Auswirkungen hätte das Gesetz auf meine Kalkulation?
- Bin ich auf Nachweispflichten vorbereitet?
Ob und in welcher Form das Gesetz eingeführt wird, hängt von den weiteren politischen Verhandlungen ab. Die Einführung ist für den 1. Juli 2025 geplant. Für betroffene Unternehmen heißt das: Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, sich mit den geplanten Regelungen vertraut zu machen – denn wer erst kurz vor dem Start reagiert, könnte wertvolle Zeit verlieren.