Wie viel Transparenz schuldet der Arbeitgeber – und wo endet sie mit Blick auf den Datenschutz? Wir beleuchten, wann Arbeitnehmer Einsicht in betriebliche Regelungen wie Namenslisten nehmen dürfen und welche Abwägungen oder Einschränkungen dabei erforderlich sind.
Der Schutz personenbezogener Daten spielt in der Arbeitswelt eine große Rolle. Besonders im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist der sorgfältige Umgang mit sensiblen Informationen unerlässlich. Arbeitgeber stehen in der Verantwortung, die persönlichen Daten ihrer Arbeitnehmer zu schützen, etwa vor einem unberechtigten Zugriff von Dritten.
Diese Verpflichtung kann jedoch in einem Spannungsfeld zu anderen gesetzlichen Pflichten stehen: Nach 77 Abs. 2 Satz 4 BetrVG ist der Arbeitgeber verpflichtet, Betriebsvereinbarungen im Betrieb an geeigneter Stelle zur Einsicht auszulegen. Auch in Bezug auf andere betriebliche Regelungen wie Interessenausgleiche, Sozialpläne und Namenslisten kann ein berechtigtes Interesse ein der Einsichtnahme der Unterlagen durch einzelne Arbeitnehmer bestehen.
Sofern in den Unterlagen zu den betrieblichen Regelungen personenbezogene Daten einzelner Arbeitnehmer enthalten sind, etwa in Schichtplänen oder Namenslisten nach 1 Abs. 5 KSchG, stellt sich die Frage, wie Arbeitgeber vorgehen sollten, um ihren Informationspflichten und ihren datenschutzrechtlichen Verpflichtungen gleichermaßen nachzukommen.
Recht auf Einsichtnahme in betriebliche Regelungen
Betriebliche Regelungen sind Vereinbarungen, die zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat getroffen werden. Dazu gehören:
- Betriebsvereinbarungen, 77 BetrVG
- Regelungsabreden
- Interessenausgleiche und Sozialpläne, §§ 111, 112 BetrVG
- Namenslisten gemäß 1 Abs. 5 KSchG: Bestandteil eines Interessenausgleichs bei Betriebsänderungen, der die Namen der zu kündigenden Arbeitnehmer enthält.
Gerade in Krisensituationen erreichen Arbeitgeber regelmäßig Anfragen von Arbeitnehmern, die Einsicht in betriebliche Regelungen nehmen oder sogar eine Kopie von diesen ausgehändigt bekommen wollen. Diese Anfragen dienen häufig der Vorbereitung von Klagen.
Für Betriebsvereinbarungen ist ein Einsichtnahmerecht des Arbeitnehmers gesetzlich geregelt: Gem. 77 Abs. 2 S. 4 BetrVG hat der Arbeitgeber Betriebsvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen. Arbeitnehmer dürfen die Betriebsvereinbarungen sodann einsehen. Ein Anspruch auf Aushändigung einer Kopie besteht nicht.
Regelungsabreden zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat sind keine Betriebsvereinbarungen im Sinne des § 77 BetrVG. Sie gelten als rein schuldrechtliche Absprachen, die keine unmittelbare Wirkung gegenüber den Arbeitnehmern entfalten und keine individuellen Rechte oder Pflichten begründen. Ein ausdrücklich gesetzlich geregeltes Einsichtsrecht – wie es § 77 Abs. 2 Satz 4 BetrVG für Betriebsvereinbarungen vorsieht – besteht nicht. Gleichwohl kann auch bei Regelungsabreden der Zweck des Einsichtsrechts, nämlich die Transparenz betrieblicher Regelungen, dafür sprechen, Arbeitnehmern Einsicht zu gewähren. Dies kann z. B. dann der Fall sein, wenn auf der Grundlage einer Regelungsabrede eine einmalige Sonderzahlung gewährt wird, die an bestimmte Voraussetzungen anknüpft (etwa Betriebszugehörigkeit oder Abteilung). Sofern ein Arbeitnehmer nachvollziehen möchte, ob er ebenfalls anspruchsberechtigt ist und ob eine Gleichbehandlung gegeben ist, hätte er ein berechtigtes Interesse daran, Einsicht in diese Regelungsabrede zu nehmen.
Ähnlich verhält es sich beim Interessenausgleich nach § 112 BetrVG sowie damit verbundener Namenslisten gemäß § 1 Abs. 5 KSchG. Auch diese entfalten keine unmittelbare und verbindliche Wirkung gegenüber den Arbeitnehmern, sondern wirken lediglich im Innenverhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Ein gesetzlich geregeltes Einsichtsrecht bezüglich des Interessenausgleichs besteht daher nicht.
Auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer allerdings gem. 1 Abs. 3 KSchG die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. Der Auskunftsanspruch gilt jedoch nur für betroffene Arbeitnehmer. Er gilt schon nicht für Arbeitnehmer, die nicht auf der Namensliste stehen. Ob aus dieser Norm ein Recht auf Einsichtnahme in die Namensliste folgt, darf bezweifelt werden. Aus Gründen der Transparenz – dem zentralen Ziel des Einsichtsrechts – kann es jedoch auch hier sach- und praxisgerecht sein, den Arbeitnehmern Einsicht in den Interessenausgleich zu gewähren.
Für Sozialpläne ist hingegen ausdrücklich gesetzlich geregelt, dass sie die Wirkung einer Betriebsvereinbarung entfalten ( 112 Abs. 1 Satz 4 BetrVG). Damit unterliegen sie auch der Auslegungspflicht gemäß § 77 Abs. 2 Satz 4 BetrVG. Arbeitnehmer haben somit das Recht, Sozialpläne einzusehen – ein Anspruch auf Aushändigung einer Kopie besteht jedoch auch hier nicht.
Schutz personenbezogener Daten durch den Arbeitgeber
Betriebliche Regelungen können personenbezogene Daten nach 4 Nr. 1 DSGVO enthalten, z. B. wenn sie die Namen konkreter Arbeitnehmer nennen. In Verbindung mit dem Kontext (Betrieb, Zeitpunkt, Kündigungsvorhaben) können diese Daten auch als sensible Beschäftigtendaten im Sinne des § 26 BDSG (in Verbindung mit Art. 88 DSGVO) angesehen werden.
Als datenschutzrechtlich Verantwortlicher für die Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Arbeitnehmer hat der Arbeitgeber u. a. dafür Sorge zu tragen, dass eine Verarbeitung ausschließlich im Rahmen der gesetzlichen Grenzen erfolgt. Dazu gehört es etwa, die Daten der Arbeitnehmer vor einem unberechtigten Zugriff Dritter zu schützen. Es entspricht zudem gleichermaßen einer Nebenpflicht des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis, die datenschutzrechtlichen Interesse sowie sonstige Persönlichkeitsinteressen des Arbeitnehmers durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen zu schützen.
Recht auf Einsichtnahme in betriebliche Regelungen, in denen personenbezogene Daten anderer Arbeitnehmer stehen – Abwägung erforderlich
Unabhängig von der Frage, ob einzelne Arbeitnehmer grundsätzlich ein Recht darauf haben, in betriebliche Regelungen Einsicht zu nehmen, ist stets zu prüfen, ob durch die Einsichtnahme Rechte und Freiheiten Dritter beeinträchtigt werden. Denn sofern die betrieblichen Regelungen personenbezogene Daten anderer Arbeitnehmer enthalten, etwa im Rahmen einer Namensliste, könnte eine Einsichtnahme mit den Anforderungen des Datenschutzes kollidieren. Hier gilt es, eine sorgfältige Abwägung zwischen Informationspflicht und Datenschutzinteressen vorzunehmen, insbesondere unter Berücksichtigung der Haftungsrisiken für Arbeitgeber bei datenschutzwidrigem Vorgehen.
Die Bereitstellung der Informationen stellt eine „Verarbeitung“ personenbezogener Daten nach Art. 4 Nr. 2 DSGVO dar, sodass für die Verarbeitung bzw. Einsichtnahme durch den einzelnen Arbeitnehmer ein berechtigtes Interesse erforderlich ist, Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO. Ein solches berechtigtes Interesse besteht, wenn ein Arbeitnehmer zur Vorbereitung eines Kündigungsschutzprozesses durch Einsichtnahme in die Namensliste überprüfen möchte, ob die durchgeführte Sozialauswahl grob fehlerhaft nach § 1 Abs. 5 S. 2 KSchG ist.
Im Rahmen der durchzuführenden Interessenabwägung führt das Interesse des Arbeitnehmers an einer effektiven Rechtsverfolgung sowie die vergleichsweise geringe Eingriffsintensität bei einer bloßen Namensangabe von anderen Arbeitnehmern zu dem Ergebnis, dass Arbeitnehmer auch aus datenschutzrechtlicher Perspektive eine vollständige Einsichtnahme in die Namensliste verlangen dürfen.
Dies ist eine Wertungsfrage, die bisher noch nicht abschließend durch die Rechtsprechung entschieden worden ist. Ebenso ließe sich argumentieren, dass sich nicht zwingend aus den übrigen Namen auf der Namensliste ableiten lässt, ob die Sozialauswahl grob fehlerhaft erfolgt ist, da die Namensliste nur ein festgehaltenes Ergebnis einer Sozialauswahl wiedergibt. Nach dieser Argumentation käme eine datenschutzrechtliche Interessenabwägung zu dem Ergebnis, dass allenfalls eine um die Daten der anderen Arbeitnehmer geschwärzte Namensliste vorgezeigt werden dürfte.
Ob dem Einsichtsersuchen eines Arbeitnehmers uneingeschränkt entsprochen werden muss, wenn bei einer Einsichtnahme auch personenbezogene Daten anderer Arbeitnehmer offengelegt werden, ist stets durch eine Einzelfallprüfung zu ermitteln.
Bei dem (vorgerichtlichen) Umgang mit Anfragen von Arbeitnehmern, die Einsicht in datenschutzrechtlich sensible betriebliche Regelungen wie einer Namensliste verlangen, sollten Arbeitgeber auch taktische Erwägungen berücksichtigen, insbesondere wie angreifbar die betriebliche Entscheidung ist und als wie prozessfreudig der betroffene Arbeitnehmer einzuschätzen ist.
Wenn der Arbeitnehmer Einsicht erhält und sieht, dass die Entscheidung nachvollziehbar oder gerechtfertigt ist, könnte er von einer Klage absehen. Wenn die Sozialauswahl allerdings angreifbar oder fehleranfällig ist, könnte die Einsicht dem Arbeitnehmer konkrete Angriffspunkte liefern, sodass es in solchen Fällen für den Arbeitgeber vorteilhafter sein kann, lediglich aggregierte bzw. anonymisierte Daten bereitzustellen.
Spätestens in einem Kündigungsschutzprozess müssen Arbeitgeber jedoch den Interessenausgleich nebst Namensliste vorlegen, da die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der klagende Arbeitnehmer auf der Namensliste steht, bei dem Arbeitgeber liegt. Dies gilt gleichermaßen für die Gründe, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. Der Arbeitnehmer trägt sodann die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die soziale Auswahl grob fehlerhaft war. Insbesondere weil auch das Gericht überprüfen können muss, ob die soziale Auswahl grob fehlerhaft erfolgt ist, ist es nach hiesiger Einschätzung aus datenschutzrechtlicher Perspektive zulässig, im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens die vollständige Namensliste vorzulegen. Als Erlaubnistatbestand für das Vorlegen der Namensliste könnten Arbeitgeber sich zudem auch auf 1 Abs. 3 KSchG berufen.
Dafür spricht, dass der Arbeitgeber auch in anderen Kündigungsschutzverfahren, in denen die soziale Auswahl zwischen konkreten Arbeitnehmern überprüft wird, zu den Sozialdaten vergleichbarer Arbeitnehmer vortragen muss, was regelmäßig als zulässig erachtet wird.
Empfehlenswert: Datenschutzrechtliche Vorsichtsmaßnahmen
Bei der Offenlegung personenbezogener Arbeitnehmerdaten ist stets auf die Verhältnismäßigkeit zu achten. Es darf ausschließlich Einsicht in die Informationen gewährt werden, die zur Wahrnehmung berechtigter Interessen erforderlich sind.
Um einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Informationsinteresse des gekündigten Arbeitnehmers und den datenschutzrechtlichen Verpflichtungen des Arbeitgebers zu gewährleisten, könnten Arbeitgeber im Sinne der Datensparsamkeit und Verhältnismäßigkeit zusätzliche Schutzmaßnahmen ergriffen werden.
Dazu zählen etwa:
- das Schwärzen von personenbezogenen Daten in den betrieblichen Regelungen, an deren Offenlegung der einsichtersuchende Arbeitnehmer kein berechtigtes Interesse hat (z. B. Geburtsdatum, Familienstand oder persönliche Zusatzinformationen, Namen anderer Arbeitnehmer auf einer Namensliste),
- der generelle Verzicht auf die Aufnahme sensibler oder nicht notwendiger personenbezogener Daten in betrieblichen Regelungen,
- sowie die kontrollierte Einsichtnahme in einem geschützten Rahmen – etwa durch gezielte Akteneinsicht über einen Anwalt oder im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens.
Diese Maßnahmen dienen der Datensparsamkeit und der Wahrung der Vertraulichkeit gegenüber Dritten, ohne das berechtigte Informationsinteresse des betroffenen Arbeitnehmers unzulässig zu beschränken.
Fazit
Der Umgang mit personenbezogenen Daten in betrieblichen Regelungen stellt Arbeitgeber vor eine anspruchsvolle Gratwanderung zwischen Transparenzpflichten und Datenschutzanforderungen. Sofern Arbeitnehmer Einsicht in betriebliche Regelungen nehmen, dürfen dabei die Rechte Dritter nicht außer Acht gelassen werden. Sobald personenbezogene Daten anderer Beschäftigter betroffen sind, ist eine sorgfältige Abwägung zwischen dem berechtigten Informationsinteresse und dem Schutz dieser Daten unerlässlich.
Arbeitgeber sollten daher stets prüfen, ob die Einsichtnahme erforderlich und datenschutzrechtlich zulässig ist. In diesem Zusammenhang sind Schutzmaßnahmen wie Anonymisierung oder eine eingeschränkte Einsichtnahme empfehlenswert. So kann sowohl den Transparenzpflichten des Arbeitgebers als auch dem Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer Rechnung getragen werden.