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Auskunftspflicht des abberufenen Geschäftsführers gegenüber der GmbH auch bei Selbstbezichtigung

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Die Abberufung eines GmbH- Geschäftsführers von diesem Amt ist bekanntlich jederzeit und ohne Angabe von Gründen möglich. Davon unberührt bleibt der zu Grunde liegende Dienstvertrag, der nach Abberufung unter Umständen fortgesetzt, ansonsten auch (frei) gekündigt werden kann, sofern er nicht befristet ist.

Viele Dienstverträge enthalten Klauseln über nachvertragliche Verschwiegenheitsverpflichtungen oder Vertraulichkeitsvereinbarungen, etwa zur Wahrung von Betriebs- und Dienstgeheimnissen oder über sonstige betriebliche Umstände. Nur wenige Verträge hingehen, sehen ausdrücklich Regelungen dazu vor, ob ein abgerufener und/oder gekündigter Geschäftsführer auch nachvertraglich zur Erteilung von Auskünften über seine Tätigkeiten verpflichtet ist.

BGH: Gesetzliche nachvertragliche Auskunftsverpflichtung des ausgeschiedenen Geschäftsführers

Diesem Dilemma, eventuell keine vertragliche Auskunftsverpflichtung zur Durchsetzung eines Auskunftsverlangens der Gesellschaft gegenüber dem Geschäftsführer zu besitzen, wirkt eine sich seit dem Jahr 2021 weiter etablierende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Beschluss vom 22. Juni 2021 – II ZR 140/21) entgegen. Das höchste Zivilgericht entschied, auch der abberufene und gekündigte GmbH-Geschäftsführer bleibe zur Erteilung von Auskünften gegenüber der Gesellschaft gem. § 666 BGB iVm §§ 675, 611 BGB verpflichtet. Für ein solches Auskunftsverlangen stellt der BGH dabei keine allzu hohen Anforderungen auf, es genüge vielmehr das allgemeine Interesse der Gesellschaft, die Tätigkeit des Geschäftsführers als Geschäftsbesorger zu kontrollieren. Den Geschäftsführer treffe eine Auskunfts- und Rechenschaftspflicht für seine (auch beendete) Tätigkeit. Wenn die Gesellschaft ein Informationsbedürfnis habe, wäre der Geschäftsführer verpflichtet, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen.

Zeitliche Begrenzung

Dieser Rechtsprechung pflichtete zuletzt das OLG Brandenburg bei (Urteil vom 4. Dezember 2024 –  4 U 65/23). Es verpflichtete einen ehemaligen GmbH-Geschäftsführer, der ein Konkurrenzunternehmen gegründet hatte, auch nach Ausscheiden aus dem Amt des Geschäftsführers Auskunft über seine Geschäftstätigkeit im Zusammenhang mit der Gründung und Führung des Wettbewerbsunternehmens gegenüber der GmbH zu erteilen. Es konkretisierte dabei, dass sich der auf einen Verstoß gegen ein Wettbewerbsverbot gestützte Auskunftsanspruch auf Geschäftsvorgänge begrenzt, die bis zur Niederlegung der Geschäftsführerstellung vorgenommen wurden. Mit Aufgabe dieser Stellung ende die Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft. Etwas anderes kann aber dann gelten, wenn ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot wirksam vereinbart ist.

Keine Befreiung von der Auskunftspflicht wegen Gefahr einer Selbstbezichtigung

Ausdrücklich hatte der BGH im Jahr 2021 zudem entschieden, die Verpflichtung zur Auskunftserteilung bestünde sogar dann, wenn es um die Aufdeckung einer von dem ehemaligen Geschäftsführer begangenen Pflichtverletzung ginge, um die Wahrscheinlichkeit eines aus dieser Pflichtverletzung resultierenden Schadens einschätzen zu können. Das allgemeine Interesse des Geschäftsführers, eigenes Fehlverhalten nicht offen legen zu müssen, könne das Informationsinteresse der GmbH nicht überwiegen. Die Auskunftspflicht des Geschäftsführers wird folglich auch nicht dadurch eingeschränkt, dass dieser mit der verlangten Auskunft eine eigene Pflichtverletzung offenbaren müsste. Dies wurde bisher in der gesellschaftsrechtlichen Literatur unterschiedlich gesehen. Wenn der begründete Verdacht einer Pflichtverletzung und die Wahrscheinlichkeit eines daraus resultierenden Schadens besteht, überwiegt das Auskunftsinteresse der Gesellschaft. Das aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitete Verbot der Selbstbezichtigung gelte somit außerhalb des Strafrechts nicht uneingeschränkt, sondern hänge auch davon ab, ob die Gesellschaft auf die Auskünfte angewiesen ist (BGH 18. September 2018, II ZR 152/17).

Fazit und prozessuales Vorgehen

Die Rechtsprechung der Zivilgerichte ermöglicht es einer Gesellschaft somit, wenn sie einen begründeten Verdacht einer Pflichtverletzung und eine gewisse Wahrscheinlichkeit eines daraus resultierenden Schadens darlegen kann, eine Organhaftungsklage aus § 43 Abs. 2 GmbHG mit einer vorbereitenden (Stufen-)Auskunftsklage gegen den Geschäftsführer nach § 666 BGB vorzubereiten. Entsprechendes gilt für Vorstände einer Aktiengesellschaft.

Stefan Fischer

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Partner
Stefan Fischer berät nationale und internationale Unternehmen umfassend vor allem in betriebsverfassungsrechtlichen und tarifrechtlichen Themen, etwa bei Restrukturierungs- einschließlich Integrationsmaßnahmen oder bei (Sanierungs-)Tarifverträgen, sowie bei der Verhandlung von Betriebsvereinbarungen (u.a. zur Vergütung, zur Arbeitszeit, zu IT-Einführung, Einführung neuer Arbeitsmethoden). Er ist außerdem sehr erfahren in der arbeitsgerichtlichen Prozessführung, u.a. im Zusammenhang mit Compliance-Fragen, sowie in der Gestaltung und Beendigung von Dienstverträgen von Vorständen und Geschäftsführern. Stefan Fischer ist aktives Mitglied in der International Practice Group für Global Mobility/Immigration von Ius Laboris. Er ist Mitglied der Fokusgruppe "Aufsichtsratsberatung".
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