Viele Auseinandersetzungen vor den Arbeitsgerichten enden mit einem Vergleich oder einem Aufhebungsvertrag – nahezu immer verbunden mit einer Erledigungsklausel. Damit sollen künftige Konflikte zwischen den Arbeitsvertragsparteien ausgeschlossen werden. Das ist jedenfalls das Ziel. Doch wer nicht genau hinschaut, läuft Gefahr, später doch noch mit unerwarteten Forderungen konfrontiert zu werden. Eine aktuelle BGH-Entscheidung (12. November 2024 – X ZR 37/22) zeigt eindrücklich, warum Sorgfalt hier unerlässlich ist.
Erledigungsklausel, was ist das eigentlich?
Finanzielle Ansprüche summieren sich im Arbeitsverhältnis schnell: Von Entgeltansprüchen bis Bonuszahlungen kommt einiges zusammen. Bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sollten vor allem Arbeitgeber sicherstellen, dass im Nachgang nicht weitere Forderungen gegen sie erhoben werden können. In Vergleichen und Aufhebungsverträgen werden daher sogenannte Erledigungsklauseln aufgenommen. Ihr Ziel: Das Verhältnis zwischen den Parteien befrieden und ausschließen, dass künftig weitere Ansprüche geltend gemacht werden. Typischerweise regeln sie, dass – mit wenigen Ausnahmen – sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis endgültig erledigt sind, egal ob sie bekannt oder unbekannt waren.
Sind von der Erledigungsklausel wirklich alle Ansprüche umfasst?
Der Teufel steckt im Detail. Die Parteien können nicht auf alle Ansprüche verzichten, sodass diese auch nicht von der Erledigungsklausel umfasst werden können. Dies sind in der Regel Ansprüche, die den Arbeitnehmer besonders schützen sollen. Dies betrifft insbesondere, aber nicht abschließend:
- Tarifliche Ansprüche oder Ansprüche aus Betriebsvereinbarungen
- Ansprüche aus unerlaubter Handlung
- Ansprüche aus dem Mindestlohngesetz
Solche Ansprüche lassen sich selbst mit einer Erledigungsklausel nicht abwehren. Mehr noch: Werden unverzichtbare Ansprüche in einem Aufhebungsvertrag nicht ausdrücklich ausgenommen, droht die Unwirksamkeit der gesamten Klausel. Wird dem Arbeitnehmer nicht vor Augen geführt, auf welche Ansprüche sich die Erledigung nicht erstreckt, könne dies – so ein Großteil der Arbeitsgerichte – eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers darstellen. Eine Parallele dazu sind Verfallsklauseln in Arbeitsverträgen, die ebenfalls diese Unterscheidung erfordern.
Der Tatsachenvergleich als helfende Hand…
Um auch unverzichtbare Ansprüche zu erfassen, kann ein sogenannter Tatsachenvergleich geschlossen werden. Statt einen Verzicht zu vereinbaren, einigen sich die Parteien über streitige Fakten, wie etwa die Anzahl verbleibender Urlaubstage oder ob die Voraussetzungen für einen tariflichen Anspruch erfüllt sind. Dies hat den Vorteil, dass der Arbeitgeber die Anspruchshöhe direkt beziffern kann, wodurch spätere Konflikte über die Anspruchshöhe vermieden werden.
… wenn man die Tatsachen bedenkt.
Der Tatsachenvergleich setzt jedoch voraus, dass der etwaige Anspruch von den Arbeitsvertragsparteien auch bedacht wird. Dazu muss ein Streit über die zu vergleichende Tatsache auch tatsächlich bestehen. Ein Tatsachenvergleich „ins Blaue hinein“ ist grundsätzlich nicht möglich.
Ebenso gilt dies für die Erledigungsklausel: Sie umfasst nur Ansprüche, deren Bestehen oder Nichtbestehen die Parteien bei Abschluss des Vergleichs grundsätzlich in Betracht gezogen haben. Dies zeigt eindrucksvoll eine aktuelle Entscheidung des BGH vom 12. November 2024 – X ZR 37/22: Nach einer betriebsbedingten Kündigung schloss der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer einen gerichtlichen Vergleich vor dem Arbeitsgericht. Dieser enthielt eine Erledigungsklausel, die vorsah, dass „mit der Erfüllung des Vergleiches keinerlei Tatsachen mehr [vorlägen], die Ansprüche irgendwelcher Art – seien sie bekannt oder unbekannt – aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung begründen [würden].“
Im Nachgang kam es zu Streit über vermeintliche Ansprüche des (ehemaligen) Arbeitnehmers aus dem Arbeitnehmererfindungsgesetz (ArbnErfG). Der Arbeitnehmer klagte vor dem insoweit zuständigen Zivilgericht auf Zahlung einer Erfindervergütung. Der BGH entschied, dass die Erledigungsklausel dem Anspruch nicht entgegenstand. Er erkenne zwar, dass sich die Klausel ihrem Wortlaut nach auf sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis beziehen sollte. Es seien jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Parteien bei Vergleichsschluss vor dem Arbeitsgericht auch eine Regelung über eine Erfindervergütung treffen wollten.
Die Erledigungsklausel im gerichtlichen Vergleich half dem Arbeitgeber also nicht weiter. Diese Auffassung teilen auch die Arbeitsgerichte: Erledigungsklauseln erfassen keine Ansprüche, die für die Parteien unvorstellbar waren oder außerhalb des subjektiv Vorstellbaren liegen. Entscheidend ist, wie eng der Anspruch mit dem Arbeitsverhältnis verbunden ist. Ansprüche auf Arbeitnehmer-Erfindervergütung sind nach der Rechtsprechung nur lose mit dem Arbeitsverhältnis verbunden, sodass sie in aller Regel auch nicht von der Erledigungsklausel umfasst sind.
Fazit und Tipps für die Praxis
Auch eine scheinbar einfache Thematik wie die Erledigungsklausel sollte bei der Ausgestaltung gerichtlicher Vergleiche oder Aufhebungsvereinbarungen wohl durchdacht werden. Es muss genau geprüft werden, welche Ansprüche noch bestehen könnten, um diese entsprechend in die Formulierung aufzunehmen. Zudem muss die Klausel so formuliert werden, dass sie keine bösen Überraschungen zulässt. Zusätzliche Sicherheit bieten Ausschlussklauseln in Arbeitsverträgen. Diese sorgen dafür, dass etwaig entstehende Ansprüche innerhalb eines kurzen Zeitraums verfallen, wenn sie nicht rechtzeitig geltend gemacht werden. Dies minimiert zumindest für Arbeitgeber das Risiko, am Ende des Arbeitsverhältnisses mit Forderungen der letzten Jahre überschüttet zu werden. Allerdings ist auch hier Vorsicht geboten: Nicht alle Ansprüche können von der Ausschlussfrist umfasst werden. Werden unverzichtbare Ansprüche nicht explizit ausgenommen, ist die gesamte Ausschlussklausel unwirksam.